1. "Leb wohl, mein Teddy."

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"Kann ich sie nochmal sehen?", frage ich die Krankenschwester mit zittriger Stimme. "Aber natürlich.", antwortet diese und führt mich den Flur hinunter. Niall folgt uns. Ich taumele hinter der Schwester her, immer noch betäubt von dem Gefühl, dass der Anruf bei mir ausgelöst hatte. Als der Anruf kam, waren Niall und ich im Studio, dabei, einen neuen Song zu schreiben. Das Telefon klingelte und Julian verließ das Zimmer um ranzugehen. Ich werde seinen Blick nie vergessen, diese Art, mit der er mich ansah, als er vom Telefon zurückkam. Zuerst hatte ich geschwiegen, dann geschrien und schließlich geweint. Nach einer gefühlten Ewigkeit kamen keine Tränen mehr aus meinen Augen. Niall hat sich sofort bereiterklärt, mich ins Krankenhaus zu fahren. Schon spüre ich seine Hand auf meiner Schulter. Ich bin dankbar, dass er mitgekommen ist, sonst hätte ich hör wohl alles kurz und klein geschlagen. Wir waren grade dabei, einen Song zu schreiben, als der Anruf kam. Vor einer hellen Tür bleiben wir stehen. Die Schwester holt einen Schlüssel raus und öffnet die Tür. Tatsächlich, da liegt sie. Die Augen geschlossen und dem Mund zu einem sanften Lächeln geformt. Sie sieht fast aus, als würde sie schlafen. Ich muss mich wirklich zusammenreißen, um nicht zu ihr zu gehen und sie zu kitzeln, damit sie aufwacht, so wie ich es früher bei ihr gemacht habe. Früher, früher war noch alles gut. "K-Kann ich einen Moment mit ihr allein sein?", frage ich leise und die Schwester verlässt mit Niall den Raum. Kaum haben sie die Tür hinter sich geschlossen, breche ich in Tränen aus. Warum nur sie? Warum nur meine kleine Miranda? Ich hatte doch noch so viel vor mir ihr. Es gibt doch noch so viele Dinge, die ich ihr sagen will. Jetzt ist es zu spät. Ich greife nach ihrer Hand und schaue sie an. Wieso war ich nicht bei ihr gewesen, als sie starb. Sie war ganz allein gewesen, mein kleines Mädchen. Leise schluchzend küsse ich ihre Stirn. Sie ist so ungewohnt kalt. Dann stehe ich auf. "Ich hab dich lieb, Prinzessin.", verabschiede ich mich, als könnte sie mich noch hören.

Draußen vor der Tür wartet Niall auf mich. Langsam taumele ich auf ihn zu und er steht schweigend auf. "Komm her, Großer.", murmelt er und nimmt mich fest in den Arm. Ich vergrabe meinen Kopf in seiner Halsbeuge und schluchze. "Die Ärzte sagen, sie ist ganz friedlich eingeschlafen. Ohne Schmerzen.", flüstert er. "Wieso verdammt war ich nicht bei ihr?!", brülle ich und sehe ihn mit roten Augen an. "Du hättest nichts für sie tun können und das weißt du auch. Ihr habt alles versucht." Schluchzend nicke ich. "Mr. Payne?", unterbricht uns eine Schwester, "da lag noch etwas neben Mirandas Bett. Ein Brief." Sie machte eine kurze Pause. "Er ist an Sie adressiert.", fuhr sie fort und drückte mir ein gefaltetes Blatt Papier in die Hand. Stumm faltete ich das Blatt auseinander um begann zu lesen.
"Lieber Liam,", stand da in Mirandas sauberer Handschrift. "Wenn du diesen Brief hier liest, bin ich schon 'dort oben' bei meinen Eltern. Mach dir keine Sorgen, ich bin nicht allein. Ich weiß, sie warten auf mich. Es fällt mir schwer, dich hier allein zu lassen, aber meine Kraft reicht einfach nicht mehr. Es ist Zeit für mich zu gehen. Der Tod macht mir keine Angst. Das einzige, was mir Angst macht, ist, dass du es nicht verkraften könntest, wenn ich gehe. Ich weiß, unsere Zeit war wunderschön zusammen, aber bitte denke nicht, dass jetzt alles vorbei ist. Jetzt scheint es dir vielleicht noch so, als könntest du nie wieder glücklich werden, aber nach jedem Sturm kommt irgendwann ein Regenbogen. Verschwende deine Zeit nicht damit, um mich zu trauern, sondern leb dein Leben. Ich möchte nicht, dass du wegen mir die besten Jahre seines Lebens vergeudest. Deshalb wird das hier wohl auch das letzte sein, was du von mir bekommst. Meine Sachen und die Wohnung habe ich bereits gespendet." Die besten Jahre meines Lebens waren die mit ihr. "Ein letztes Anliegen habe ich aber noch, bevor du dein Leben weiterlebst: ich möchte, dass du meine Asche verstreust und zwar an jedem Ort, wo sich unsere Wege gekreuzt haben auf deinen Reisen. Deine Freunde werden die dabei zur Seite stehen, ich weiß das. Leb wohl, mein Teddy."

Erneut laufen mir die Tränen über die Wangen. Wie konnte sie nur wollen, dass ich einfach mein Leben weiterlebe, ohne sie? Niall legt einen Arm um meine Schulter. "Komm, ich fahr dich nach Hause.", meint er sanft und zieht mich hoch. Schlurfend und mit dem Zettel in der Jackentasche folge ich ihm zu seinem Auto.

"Los, geh duschen, das tut dir gut.", weist Niall mich an und schiebt mich ins Bad. Schweigend ziehe ich mich aus und er geht ins Wohnzimmer. Ich fühle mich so unglaublich leer. Wie kann eine warme Dusche bitte diesen Schmerz stoppen? Trotzdem mache ich das Wasser an und wenige Sekunden später läuft das Wasser meinen Rücken runter. Das Wasser ist warm, eigentlich viel zu heiß, doch das interessiert mich wenig. Dann verbrenne ich mich eben. Ich sinke an der Wand runter und starre an die Fliesen. Wieso werden einem immer die Menschen genommen, die man am meisten liebt? Wieso trifft es immer die Menschen, die es am wenigsten verdient haben? Wieder fing ich an zu schluchzen und merkte dabei nicht, wie die Zeit verging.
"Liam? Payno?", hallt Nialls Stimme durch das mit Dampf gefüllte Badezimmer. Sie fühlt sich weit entfernt an. Niall öffnet die Tür der Dusche und stellt das Wasser ab. "Liam?" "Hm?" Ich schaue auf. "Mein Gott, ich dachte schon, du wärst ohnmächtig." Besorgt sieht Niall mich an. Mir ist es nicht mal unangenehm, dass ich komplett nackt war. Seufzend packt er mich am Arm und zieht mich auf die Beine. "Komm, trockne dich ab und zieh dich an." Ich trockne mich mit dem Handtuch ab, das Niall mir reicht und binde es mir um die Hüfte. Als ich ins Schlafzimmer komme, hat Niall mir bereits Klamotten bereitgelegt. Seufzend ziehe ich mich an und wanke ins Wohnzimmer, wo Niall grade dabei ist, meine Couch in ein Bett zu verwandeln. "Was machst du da ich habe doch ein Bett.", murmele ich. "Ja, du schon, aber du solltest heute nicht alleine sein.", antwortet Niall. "Ich kann auf mich selber aufpassen.", nuschele ich, schließlich möchte ich ihm keine Umstände machen. "Vielleicht, aber nicht, wenn die da sind." Niall deutet auf ein paar Flaschen Whiskey. Er ahnt nicht, wie recht er hat. Wenn er nicht hier bleiben würde, würde ich morgen wahrscheinlich mit Hang-over auf der Couch aufwachen, wenn nicht sogar irgendwo anders. "Ich habe Pizza bestellt.", teilt Niall mir mit. Stumm nicke ich. "Willst du Toy Story schauen?", fragt Niall mich, doch ich schüttele nur den Kopf. Niall hat den Film schon an die 20 mal geguckt und ich weiß seine Geste wirklich sehr zu schätzen, aber Toy Story erinnert mich zu sehr an Miranda. "K-Können wir einfach hier sitzen und Fußball schauen?" "Wenn du möchtest.", antwortet Niall sanft. Schon klingelt es und Niall springt auf, um die Pizza zu holen. Eine Minute später sitzt er mit einem großen Karton neben mir. "Ist schon geschnitten, greif zu.", teilt er mir mit vollem Mund mit. "Kein Hunger.", murmele ich. "Du musst was essen, Liam." Widerwillig nehme ich mir ein Stück Pizza und würge es zögernd herunter. Schweigend sitzen wir nebeneinander, bis mein iPad leuchtet. "Liam, Harry möchte einem Videochat mit dir." Niall gibt mir mein Tablet und macht den Fernseher stumm. Ich wische mit meinem Finger einmal über den Bildschirm und schon erscheint Harrys Gesicht. "Hey Haz." Ich zwinge mich zu einem Lächeln. "Wie geht es dir, Liam?", fragt Harry sofort. Schon wieder spüre ich die Tränen in meine Augen schießen und blinzele sie schnell weg. Ich zucke mit den Schultern. "Niall ist hier und kümmert sich um mich." "Nochmal mein Beileid, Liam. Ich wollte nur sagen, dass ich immer für dich da bin. Ich bin morgen früh zurück." "Du brauchst deinen Urlaub nicht wegen mir abbrechen.", werfe ich ein. "Ach was, LA läuft schließlich nicht weg und am anderen Ende der Welt ist ein Freund, der mich braucht.", widerspricht er. "Louis und Zayn kommen auch zurück.", erklärt Niall. "Genau, und ich will nicht der einzige sein, der noch weg ist. Wer weiß, was ich dann verpasse?", fügt Harry hinzu. "Nicht besonders viel. Mir ist nicht nach ausgehen." Ich schlucke schwer. "Und selbst, wenn wir alle nur rumliegen oder ich mich von dir anschreien lassen muss, ist es immer noch besser, als hier zu sitzen, während du zuhause leidest.", meint Harry. Womit habe ich nur diese wunderbaren Freunde verdient? "Du, mein Flieger kommt jetzt, bis morgen. Schlaf gut. Und Pass gut auf ihn auf, Nialler.", verabschiedet er sich. "Bye Harry." Schon ist der Anruf beendet. Einen Moment starre ich auf den leeren Bildschirm. Wie oft hatten Miranda und ich...nein, Liam, aufhören. Zu spät. Die erste Träne läuft mir die Wange runter. "I-ich gehe schlafen.", flüstere ich und laufe in mein Zimmer. Ich ziehe mich aus und lege mich ins Bett. All die Erinnerungen kommen wieder. Miranda auf meiner Couch, Miranda beim Konzert in der Frontrow, Miranda und ich auf dem Schulball. Obwohl ich weiß, dass es zwecklos ist, kämpfe ich weiter gegen die Tränen an. "N-Niall?", schluchze ich nach einer Weile. Er schläft bestimmt schon. "Ja?" Zu meiner Überraschung steht er kurze Zeit später in der Tür. "Kannst du heute Nacht bei mir schlafen?" Eine Sekunde später spürte ich seinen Arm um meiner Schulter. "Shhhhh...schlaf ein, ich bin da.", versuchte er mich zu beruhigen. Als ich nicht aufhörte zu weinen, begann er leise zu singen. Er sang so lange, bis auch ich endlich eingeschlafen war.

"To infinity and beyond."Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt