Das nächste halbe Jahr verging wie im Fluge. Tagsüber hatte Ria alle Hände voll damit zu tun, den strengen Anweisungen der Kaiserin zu folgen, abends kam Eleasar zu Besuch. Der Kaiser und seine Gemahlin hatten mit Erleichterung reagiert, als die beiden ihnen eröffnet hatten, dass sie noch einmal von vorne anfangen wollten. Die Kaiserin hatte sie im Anschluss an das Gespräch zur Seite genommen und ihr gesagt, wie stolz sie darüber war, dass sie sich nicht der Verzweiflung hingegeben hatte. Dabei hatte sie ihr auch gleich eröffnet, dass viele Beziehungen kurz nach der Bindung zerbrachen und einer der beiden Partner den Ausweg Tod wählte. Mit Schrecken hatte Ria festgestellt, dass sie gar nicht so weit davon entfernt gewesen war, dasselbe zu tun.
Eleasar erklärte ihr, dass der Sinn der Reise ursprünglich gewesen war herauszufinden, ob Sem seine Truppen mobilisierte, da widersprüchliche Gerüchte kursierten. Ebenso stand er ihr Rede und Antwort, was die Anspielungen des Kaisers auf sein Wissen um ihren Geburtsort anging. Wie sich herausstellte, gab es ein Ausreiseverbot für Kinder unter zehn Jahren. Ein Gesetz des Kaisers, das verhindern sollte, dass sie schon in so jungen Jahren zu Heimatlosen wurden. Ihm zufolge waren die ersten Jahre eines Wesens an seinem Heimatort die wichtigsten. Demnach entschied der Geburtsort, wo man in den ersten Jahren seiner Existenz zuhause war. Und da Ria in dieser Zeit einen Pakt mit Ragnarök geschlossen hatte, musste sie auf kaiserlichem Hoheitsgebiet geboren worden sein. Eine für sie nicht ganz nachvollziehbare Gesetzeslage. Da es sie nicht wirklich interessiert hatte, änderte sich durch diese Informationen nicht viel. Was sich jedoch änderte, war ihre Beziehung zu ihrem Mann. Durch die Aufgabe, die die Kaiserin ihr gegeben hatte, war sie ausgelasteter und lernte, besser mit dieser starken Anziehung und ihrem Gefühlschaos zurechtzukommen.
Eleasar gab sich wirklich große Mühe und zeigte ihr die Insel, wann immer er ein wenig freie Zeit hatte. Ria kam sich auf einmal wie ein ganz normaler Teenager vor, der vor jedem Date zappelig und nervös war. Sie genoss die gemeinsame Zeit mit ihm in vollen Zügen und spürte, wie ihre inneren Wunden zu heilen begannen. Doch so sehr sie sich auch bemühten, ihre Altlasten hinter sich zu lassen, immer gelang es ihnen nicht. Das bewies ein Zwischenfall, der sich in einer recht frühen Phase ihrer Ausgehzeit ereignete:
Ein ungewohntes, aufgeregtes Kribbeln in ihrer Magengegend verhinderte, dass Ria stillsitzen konnte. Immer wieder sah sie zum Fenster hinaus. Bald.
„Ria." Islas milder Tadel holte sie zurück in die Gegenwart. Die brünette Kaiserin lächelte sie warmherzig an. Sie war eine der einfühlsamsten Personen, die Ria kannte. „Eleasar wird dadurch nicht schneller hier sein. Du weißt, dass er für Raphael unterwegs ist."
Ertappt biss sie auf ihre Unterlippe. Eine Weile schwieg sie betreten, dann gewann dieses Kribbeln wieder Überhand. „Es ist so ungewohnt", platzte sie schließlich heraus. „Ich bin noch nie mit jemandem ausgegangen." Mit Schaudern dachte sie an ihre Männervergangenheit. „Wann immer ich aus war, war es nicht, um mit mir auszugehen." Blake war mit ihr einkaufen gewesen. Das andere Mal hatten sie Dimitrios, einen ihrer menschlichen Freunde und Blakes ehemaligen Angestellten, im Krankenhaus besucht. Und Eleasar... nun, wann immer sie gemeinsam unterwegs gewesen waren, war sie verletzt worden. Physisch oder psychisch. Ein gewisses Maß an Anspannung konnte man ihr daher wohl nicht absprechen. Und dennoch. Sie glaubte nicht daran, dass er sie absichtlich verletzte. Eleasar liebte sie, dessen war sie sich sicher. Und er wollte sie bei sich haben. Das Kribbeln in ihrer Magengrube intensivierte sich.
„Du schweifst schon wieder ab." Dieses Mal klang die Stimme der Kaiserin belustigt.
„Weißt du, was er vorhat?" Sie ertrug es nicht, im Ungewissen gelassen zu werden. Bevor Elea aufgebrochen war, hatte er ihr in Aussicht gestellt, eine Überraschung für sie geplant zu haben.
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Grau wie der Sturm [Schattenseelen 3]
FantasyDer dritte Teil der Schattenseelen-Reihe Nachdem Ria an der Seite ihres Mannes nach Anderswelt zurückgekehrt ist, steht sie vor bislang ungekannten Problemen. Nun muss sie sich, allen Widrigkeiten zum Trotz, in einer neuen Welt zurechtfinden. Dass s...