Die Flucht

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Es war immer noch Nacht. Der Mond war hinter dichten Wolken verborgen. Nur ab und zu brach ein kleiner Strahl hindurch und erhellte Schwarzblüte ihren Weg. Krallenmond hatte sie zwar gebeten, erst nächste Nacht zu den Versammlungshügeln zu kommen, aber er war sowieso beim FeuerClan. Er würde sie früher sehen.

Aber was werde ich sagen?, fragte Schwarzblüte sich.

Tief in Gedanken versunken ging sie weiter. Mittlerweile hatte sie schon das LuftClan- Territorium verlassen. Sie hielt inne. Mit ihrem schwarzen Pelz wäre sie im Wald besser getarnt. Hastig kroch sie unter einen Busch und blieb dort liegen.

Schwarzblüte dachte nach.

Nebeljunges, Dunkeljunges und Sprenkeljunges. Meine Jungen. Sie werden nie wissen, dass ich ihre Mutter bin. Wer wird sie wohl säugen? Wahrscheinlich Rabenflügel. Oder Tatzenwolke.

Plötzlich ertönte ein Jaulen. Die schwarze Kätzin spitzte die Ohren und schaute in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war. Doch wegen der Dunkelheit konnte sie fast nichts erkennen.

Da ertönte wieder das Jaulen. Es war eindeutig keine Katze. Schwarzblüte hatte noch nie zuvor so eine Stimme gehört. Es hörte sich an wie ein Hund. Nur gröber. Und viel tiefer.
Dann heulte jemand. Diesmal eine Katze. Eine Katze in Not. Doch Schwarzblüte hatte keine Kraft mehr. Die Geburt war zu anstrengend gewesen. Sie konnte nicht helfen.

Langsam schlossen sich ihre Augen. Sie schlief ein.

***

Ein Schnüffeln weckte Schwarzblüte. Etwas Feuchtes berührte ihre Wange. Sie fuhr hoch und fauchte, als sie gegen die Zweige des Busches stieß.

Die Kätzin blinzelte und hielt dann erschrocken inne.

Vor ihr stand ein riesiger Hund. Doch er war anders als die anderen Hunde. Grau und wild. Und er hatte dunklere Augen. Seine Schnauze war länger und seine Muskeln größer. Es war ein Wunder, dass er sie noch nicht umgebracht hatte. Schwarzblüte schloss die Augen, bereit für den Tod, doch nichts passierte. Sie öffnete ihre Augen wieder.

Der Hund legte den Kopf schief.

»Brud«, sagte er kurz angebunden und schaute sie an, als erwarte er eine Antwort von ihr.

»Du wirst mich nicht töten?«, fragte die schwarze Jägerin vorsichtig und sah dem Hund in die Augen.

Dieser schüttelte den Kopf. »Brud gut.« Er setzte sich hin. »Katze gut?«

Langsam verstand Schwarzblüte. Immer noch wachsam trat sie unter dem Busch hervor.

Der Hund winselte. »Katze gut?«, fragte er noch einmal.

»Ich bin gut. Ja.«, antwortete Schwarzblüte. »Du heißt Brud?«

Der Hund stand auf und hechelte. »Name Brud. Name Katze?«

»Ich heiße Schwarzblüte«, entgegnete diese und sah den Hund erstaunt an. So etwas hatte sie noch nie erlebt.

»Schwarz... Schwarz...« Der Hund winselte. »Katze Name...«

»Nenn mich einfach nur Schwarz«, seufzte die Kätzin. »Bist du ein Hund?«

»Brud Wolf. Brud mag Maus«, sagte Brud und wedelte mit dem Schwanz.

Schwarzblüte wich zurück. Ein Wolf. Von denen hatte sie schon gehört. Fürchterliche Bestien mit Zähnen schärfer als die Klauen der Adler und Augen die so dunkel waren wie die Nacht. Aber dem war anscheinend nicht so. Oder doch?

Ihr fiel die Katze ein, die in der Nacht gejault hatte.

»Ich habe gehört, dass in der Nacht jemand geschrien hat. Hast du jemanden getötet?«

Brud winselte. »Katze böse. Brud weh. Katze weg.«

»Die Katze hat dich angegriffen?«

Der Wolf hechelte und wedelte mit dem Schwanz.

»Kannst du mich zu der Stelle bringen?«, fragte Schwarzblüte. Wenn eine Katze aus dem LuftClan gestorben war, hatte sie das Recht, dort noch eine Nacht zu bleiben. Ihre Jungen wieder zu sehen.

Brud winselte zwar, drehte sich aber um und ging vor. Schwarzblüte folgte ihm.

Nach einer Weile entdeckte Schwarzblüte Blutspuren. Doch zu ihrer Enttäuschung roch es nicht nach LuftClan, sondern nach WasserClan.

»Katze tot«, sagte Brud plötzlich und blieb stehen.

»Das kannst du doch nicht wissen. Du hast sie noch nicht mal gesehen.«

»Katze tot«, behauptete er immer noch stur und schnüffelte. »Ist Gamma.«

»Gamma?«, fragte sie, während sie der Spur folgte und versuchte, die tote Katze zu finden.

»Gamma drei beste.«

»Drittbester? Was?« Schwarzblüte überlegte. Plötzlich sah sie eine dunkle Gestalt weiter weg. Sie lag am Boden. Als die Kätzin näher kam erkannte sie Steinkralle, einen der Teilnehmer aus dem WasserClan.

»Gamma ist ein Kämpfer, oder? Das ist seine Stellung!«, leuchtete es Schwarzblüte ein.
Sie entfernte sich von Steinkralle. Ihm konnte nichts mehr helfen. Sollte eine andere Katze ihn doch finden und zum WasserClan gehen, um sein Beileid auszudrücken.

»Brud, was habe ich dann für eine Stellung?«

Der Wolf winselte. »Böse. Will nicht sagen.«

»Aber du kannst es doch riechen, oder?«, miaute Schwarzblüte und trat näher an Brud heran. »Sag es mir.« Sie fuhr die Krallen aus.

Brud winselte. »Böse. Nicht gut. Omega. Letzte.«

Schwarzblüte blieb das Maul offen stehen. Konnte es wahr sein? Hatten die Kätzinnen im Clan die schlechteste Stellung? Den niedrigsten Rang? Sie schnaubte wütend. Ich werde nicht zum FeuerClan zurückgehen. Oder zu irgendeinem Clan. Ich gehe fort von hier. Schwarzblüte sah in die Ferne. Ein dichter Wald versperrte den Blick auf den Horizont. Jenseits des FeuerClan- Territoriums und noch hinter den Grenzen des WasserClans. Ich werde dahin gehen, wo mich niemand mehr findet.

»Brud? Kommst du mit? Wir gehen zu dem Wald da drüben.«

Der Wolf hechelte aufgeregt. »Wald gut. Rudel weg.«

Schwarzblüte lächelte innerlich. Nun werde ich meine Ruhe haben. Für immer.

WarriorCats - Finstere WolkenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt