Valeria
Ich legte mich gerade ins Bett, als ich ein Flüstern vernahm. Ich schaute mich um, aber ich entdeckte Niemanden und nichts was dies verursachen könnte. ,,Wahrscheinlich nur der Wind...", dachte ich bei mir.
Ich versuchte zu schlafen, was mir wider Erwarten auch gelang. Ich schlief traumlos, doch plötzlich schreckte ich hoch. Ein Blick auf meine Standuhr sagte mir, dass es kurz vor Mitternacht war.
Mein Steinadler, Robin, spähte mich aus beschützenden Augen an. ,,Keine Sorge, mir geht's gu-", doch weiter kam ich nicht. Der erste Glockenschlag ertönte, Schmerzwellen durchfuhren mich. Der zweite Schlag drohte meinen Kopf zum Explodieren zu bringen. Von Schlag zu Schlag wurde es immer schlimmer. Schützend legte ich meine Hände auf meine Ohren. Robin nahm mein Handy in den Schnabel und legte es mir in den Schoss. ,,Hol Stell..." Weiter kam ich nicht, denn die Schmerzen wurden immer unerträglicher. Lange würde ich nicht mehr durchhalten. Plötzlich huschte ein Schatten vorbei oder war das nur eine Einbildung?Von immer größeren Schmerzwellen bombardiert, konnte ich nur noch verschwommen sehen und wählte daher die erstbeste Nummer, die ich in meinem Adressbuch finden konnte. Und das war die Nummer der Schulärztin. ,,Guten Abend", meldete sich eine fröhlich trällernde Stimme. ,,Hilfe..., Valeria hier, ... Schatten, ... Schmerzen...", brachte ich nur bruchstückhaft hervor. Ich versuchte mich zu sammeln, atmete tief durch und startete einen erneuten Versuch einen zusammenhängenden Satz hervorzubringen, der jedoch von der Schulärztin unterbrochen wurde mit den Worten: ,,Valeria, wo bist du?" ,,Zu- .. Zuhause ... in meinem Zimm-", war alles was ich noch hervorbrachte, bevor alles schwarz wurde. Ich hörte noch, wie jemand meinen Namen rief, doch dann fiel ich in Ohnmacht...
Das nächste, was ich wieder bewusst wahrnahm war, dass ich Musik hörte, dass von einem alten Karusell kam. Es roch nach Lebkuchen und gerösteten Mandeln. Ich öffnete die Augen und bemerkte sofort, dass ich nicht mehr in meinem Zimmer war, sondern mich in einer riesigen weißen Blume befand. Als ich an mir herunter sah, war ich noch erstaunter. Ich trug ein weißes, bis zu den Knien gehendes Balettkleid, welches mehrere Risse hatte. Man konnte noch leicht goldene Schwäne sehen, doch die meisten von ihnen waren schon verblasst. Auf meinen Schultern lag ein langes braunes Tuch mit ebenfalls goldenen Verzierungen. Es rutschte fast her runter, doch es fiel nicht zu Boden.
Leicht schielend stand ich auf, denn ein leuchtend goldenener Schmetterling flog gerade von meiner Nasenspitze weg und ich hatte das Gefühl ihm folgen zu müssen. Dies tat ich auch. Ihm folgend gelangte ich an einen Teich, wo goldene Seerosen trieben. In der Mitte des Teichs stand jemand. Ein junger Mann mit orange-roten Haaren und freiem Oberkörper. Er wandte mir halb seinen Rücken zu, worauf ich keltische Schriftzeichen erkennen konnte. Obwohl ich diese Sprache weder sprechen noch lesen konnte, verstand ich auf erstaunliche Weise, was auf seinem Rücken geschrieben war. Es bedeutete: So ewig währt meine Liebe, so ewig lebe ich!
Er hatte exakt den gleichen Satz auf seinen Rücken stehen wie Henry. Mir kamen die Tränen. Verschwommen nahm ich wahr, dass sich der Mann zu mir umdrehte und wir uns gegenseitig fest in die Augen sahen. ,,Das ist einfach unmöglich", hauchte ich voller Emotion. Zu mehr war meine Stimme nicht im Stande.
Plötzlich rannte er auf mich zu, umarmte mich und hauchte in mein Ohr: ,,Meine Geliebte!" ,,Aber Henry..., wie ist das möglich, dass du hier bist? Hier bei mir?" ,,Mein Schatz, es ist genau umgekehrt. Nicht ich bin bei dir, sondern du bist in MEINER Welt. Das lässt für mich nur einen Schluss zu, nämlich den, dass du getötet wurdest", sagte er mit blankem Entsetzen in seiner doch so wundervoll klingenden Stimme. Ich sah ihn fragend an. ,,Es müssen die Suchenden gewesen sein, welche hinter dem Vermächtnis der Erhabenen her sind", sagte er mehr zu sich selbst als zu mir.
,,Nein, das kann doch alles nicht wahr sein. Das Letzte woran ich mich erinnere ist, dass es Mitternacht schlug und mich eine Schmerzwelle ergriff. Ich konnte nur noch die Nummer der Schulärztin wählen und Robin zu Stellaria schicken, danach verlor ich das Bewusstsein." ,,Aber das kann nicht sein, denn du bist hier in der Ebene der Wandelnden, die ihre Form aufgaben, um jemanden beschützen zu können", sagte er in nachdenklichem Ton. Henry nahm mein Gesicht in seine Hände. ,,Es ist zu schön, um wahr zu sein dich noch einmal in meinen Armen halten zu können, doch du musst weg hier. Wenn sie heraus finden, dass eine Lebende hier ist ...". Doch weiter kam er nicht, weil ihm die Stimme versagte. Doch er brauchte auch nicht weiter zu sprechen, denn ich verstand auch ohne Worte, dass ich bei meiner Entdeckung würde getötet werden. Doch das war mir völlig einerlei. Ich hatte ihn wieder. Ihn, meinen Geliebten, meinen Verbündeten, meinen Henry."Aber", setze ich protestierend an. "Kein Aber! Wenn du hier stirbst wirst du gebunden. Was soll Stellaria dann machen? Ich weiß, dass du sie lieb hast und ich möchte das du auch jemanden anderen findest in DEINER Welt. Einen anderen Mann, den du liebst." ,,Nein", rief ich laut aus. ,,Sieh doch ein meine Geliebte, ich bin tot. Auch wenn ich mir jeden Tag wünschte, es wäre nicht so. Doch du bist noch am Leben. Du bist jung, wunderschön und voller Liebe. Du brauchst an deiner Seite jemanden mit dem du eine Familie gründest. Jemanden Lebendigen, mit dem du "alt" werden kannst!"
Immer wieder meinen Kopf schüttelnd wollte ich erneut protestieren, als wir etwas hinter uns rascheln hörten. Er schob mich rasch hinter sich und flüsterte mit eindringlicher Stimme: ,,Bleib ganz still!" Ich nickte. Wieder das Flüstern. Plötzlich sprang ein riesiger tiefschwarzer Monstereber auf uns zu. Doch anstatt mich von Henry schützen zu lassen, konnte ich nicht länger an mich halten und trat vor. Der Eber blieb abrupt stehen. Er war verwirrt und starrte mich an. Henry ging ein paar Schritte auf ihn zu und Lichter schwebten von überall her und bündelten sich zu einer Masse. Inmitten dieser Masse kam urplötzlich ein Schwert zum Vorschein. Gerade noch rechtzeitig konnte Henry das Schwert am Griff packen, als der Eber auch schon angriff. Henry versuchte sich zu verteidigen, doch er konnte nur parieren und nie einen Gegenangriff starten. Das einzig Interessante war die Tatsache, dass Henry nie die Puste ausging. Er kämpfte unerbittlich weiter.
Doch plötzlich wurde Henry weg geschleudert und krachte unsanft gegen einen Baum, wo ihm kurz schwarz vor Augen wurde, er jedoch gleich wieder zu sich kam. Der Eber hatte nun mich im Visier. Doch bevor er mich angreifen konnte, kamen wieder diese goldenen Schmetterlinge und meine Haare fingen an zu leuchten und ein Licht umhüllte mich. Es war so hell, dass ich geblendet die Augen schließen musste.Als ich sie wieder öffnete, lag ich wieder in meinem Bett und rechts von mir saß Jack. Er hielt eine blaue Rose in seiner Hand. Als er sah, das ich wach war, leuchteten seine Augen und er legte mir die Rose neben meinen rechten Arm. ,,Wir müssen später reden...", flüsterte er mir noch zu und sprang dann aus den Fenster. Zum gleichen Zeitpunkt flog die Tür auf und eine aufgelöste Stellaria kam herein gewirbelt.
DU LIEST GERADE
Nördlich des Eismondes
Paranormal#1 Book Ein kleines Stück tief in einem Wald. Keiner weiß das dieses Teil des Waldes bewacht wird. Doch von was? Valeria und Stellaria wissen es. Sie sind zwei Schwestern im Geiste, spüren einander, egal wo sie sich befinden. Doch die Beiden sind ni...