Kapitel 17: Die Berliner YouTuber

777 44 3
                                    

Mein Herz schlug mehr als nur unruhig, als ich aufwachte. Viel zu unruhig. Dennoch realisierte ich, dass ich nicht in meinem Zimmer, sondern wiedermal auf der Couch geschlafen hatte. Zudem musste Flo mich zugedeckt haben, da ich mich nicht daran erinnern konnte, es selbst getan zu haben. Doch hörte mein Herz noch immer nicht auf, gegen meine Brust zu hämmern. Nicht schon wieder... So gut ich es konnte, stand ich mit meinen wackeligen Beinen auf und bewegte mich in die Küche. Dort in einer der Schubladen kramte ich meine Tabletten hervor, nahm eine und spülte sie mit einem Glas Wasser herunter. Wenige Minuten später, normalisierte sich mein Herzschlag wieder und ich räumte die Tabletten Packung wieder zurück. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass wir bereits halb neun hatten. Auch wenn es Samstag war, hatte ich keine große Lust darauf, mich in den nächsten Traum zu stürzen. Außerdem wusste ich nicht, ob Tanja und Tobias gestern Abend vielleicht doch noch angerufen hatten oder nicht. Ich schüttelte reflexartig meinen Kopf, um die langsam wieder aufschäumenden Ängste zu verwerfen. Eine Dusche würde mich sicher auf andere Gedanken bringen.

Das warme Wasser am Morgen tat unglaublich gut. Die Muskeln entspannten sich und das Wasser war wie eine wärmende Umarmung. Es erinnerte mich irgendwie an gestern Abend. An die Umarmung von Flo. So viel Angst und Trauer hatte ich zuvor empfunden. Sie hatten mich quasi eingenommen und es war, als würde ich in ein tiefes Loch fallen.
Wie viel eine einzige Umarmung doch verändern konnte, dachte ich. Das tiefe Loch ist langsam aber sicher verschwunden.
Zum zweiten Mal an diesem Morgen schüttelte ich meinen Kopf um meine, wie ich fand, merkwürdigen Gedankengänge zu verwerfen. Zum Glück konnte niemand meine Gedanken lesen...
Nach der Dusche trocknete ich mich ab und föhnte mir ein wenig die Haare, bevor ich mir ein Handtuch umwickelte und zu meinem Kleiderschrank in mein Zimmer wanderte. Aus diesem wühlte ich mir frische Unterwäsche, eine Haushose und mein Lieblings Shirt mit dem Batman-Aufdruck. Im Badezimmer zog ich mich daraufhin um und Klemmte mir meine halb trockenen Haare zusammen. Auf dem Weg in die Küche kam mir Flo entgegen, welcher mich mit einem verschlafenen "Morgen.", grüßte. In der Küche angekommen machte ich für uns Kaffee und für mich füllte ich eine Schüssel mit Cornflakes. Gerade als die zweite Tasse mit frischem Kaffee fertig war, betrat auch der Psychologie-Student die Küche. "Ich hab dir auch einen gemacht.", sagte ich und überreichte ihm die Tasse. Seine Augen weiteten sich fröhlich. "Oh, vielen Dank!", antwortete er lächelnd und wir setzten uns an den Tisch. "Geht's dir wieder besser?", fragte er dann nach einer Weile vorsichtig. Ich nickte und lächelte ihm entgegen. "Ja, es geht wieder. Danke nochmal.", bedankte ich mich. "Dafür bin doch da.", antwortete er darauf. "Übrigens, nachdem du eingeschlafen bist, hat Tobias etwas später angerufen. Das Meeting hatte kurz nach ihrer Ankunft sofort angefangen und die Zwei kamen erst später dazu, anzurufen." Erleichtert atmete ich auf. Sie waren immer noch am Leben. Florian grinste kurz und trank einen Schluck von seinem Kaffee.

Nach einer kleinen Unterhaltung, schien ihm aber etwas wieder einzufallen, als er auf die Uhr sah. "Lia, wäre es okay für dich mit in's 'Büro' zu kommen? Ich und Frodo müssen noch unbedingt was drehen." Bei dem Wort Büro, machte er kleine Gänsefüßchen. Kurz überlegte ich, hatte jedoch keine Einwände. Außerdem würde ich mal die Chance bekommen, Frodo kennen zu lernen. "Klar, warum eigentlich nicht?" Also zog ich mir gleich nach dem Frühstück eine Jeans und meine schwarze Sweat-Jacke an. Danach schminkte ich mich und packte noch meine Kamera, mit der man wunderbar vloggen konnte, und meinen Haustürschlüssel in meine Umhängetasche. "Fahren wir mit den Boards oder dem Auto?", rief ich an Flo gerichtet durch die Wohnung. "Longboards!", rief er zurück.

~

Auf dem Weg zum Gemeinschafts-Büro von Flo und seinen Freunden, hatte ich schon ein wenig Videomaterial sammeln können, doch ich wurde auch ein wenig unsicher, ob mich die Jungs auch mögen würden. Schließlich war ich genau genommen ein zur Depression veranlagtes, FanFiction lesendes YouTube Fangirl, das nebenbei auch noch YouTuberin ist. Tolle Aussichten waren das nicht gerade. Zudem wusste ich nicht, was genau der Braunhaarige so über mich erzählt hat, falls er es getan haben sollte. Genau das, so hoffte ich, hat er nicht getan.
Flo schloss nun gerade die Tür auf und wir marschierten hinein. Direkt wurde man von einem kräftigen Kaffee Geruch empfangen. Der Braunäugige schloss gerade die Tür hinter sich, als Frodo schon aus einem der Räume trat. "Na, Flo? Auch endlich da?", fragte er grinsend. Dann bemerkte er mich. "Und du bist wahrscheinlich Lia, oder?", fragte er mit einem breiten Lächeln und reichte mir seine Hand. Etwas zögerlich schüttelte sie. "Ja, die bin ich!" "Cool! Ick bin der Frodo! Freut mich!", stellte er sich mir vor. Danach gab Frodo noch seinem besten Freund eine Männer-Umarmung. Langsam bekam ich eine Ahnung, wie Abby sich gegenüber von Flo gefühlt haben muss, als sie vor ihm gestanden hat. Tatsächlich war es Schüchternheit, die einen dazu veranlasste, nicht völlig durch zu drehen. Bei mir jedenfalls. Es gab da immerhin noch ganz andere Fans, die keine Hämmungen mehr zeigen und drauf los kreischen. "Sacht am besten noch mal Steve und Rick hallo, bevor die sich noch wundern.", riet er uns und marschierte zurück in das Zimmer, aus dem er gekommen war. Verwundert sah ich zu Flo. "Ich dachte nur Frodo wäre hier.", sagte ich. "Dachte ich auch.", antwortete er leicht lachend zurück. Ich folgte ihm daraufhin durch den Flur zu einem anderen Zimmer. Er klopfte kurz und trat in dem Raum, in dem in der Tat die beiden Frösche an ihren PCs saßen und anscheinend an ihren Videos schnitten. "Na, Jungs?", grüßte Flo die Beiden, welche uns nun bemerkten. "Hi.", antworteten die Zwei gleichzeitig. "Wie ich sehe hast du deine kleine Patientin mitgebracht!", stellte Rick fest und lächelte freundlich in meine Richtung.

Nachdem wir uns endlich alle einander vorgestellt hatten, ging Flo auch schon zu Frodo in den Nebenraum, um mit ihm ein neues 'Nerd Ranking' aufzunehmen. Somit blieb mir genug Zeit, mich noch ein wenig genauer mit den anderen Zweien zu unterhalten. Mein innerliches Fangirl kreischte zwar anfangs durchgehend, doch mit der Zeit verstummte ihr Schrei und meine anfängliche Schüchternheit verflog langsam aber sicher. Dennoch kam ich mir eher etwas fehl am Platz vor, da ich Steve und Rick ein wenig von ihrer Arbeit abhielt, doch die Beiden sagten, sie seien eh fast fertig. Daher filmte ich noch ein wenig mit den Beiden und holte mir zwischendurch einen Kaffee aus der Küche. Etwa ein bis zwei Stunden später, tauchten auch Flo und Frodo bei uns auf, da sie nun alles abgedreht hatten. Wir unterhielten uns noch eine ganze Weile, bis es für mich und Flo zeit war, nach hause zu fahren.

Ich folgte dem Raben bei seinem Flug durch den dichten Wald. Es wirkte wie ein Kunstflug, so gut wie er den Bäumen und Ästen auswich. Einige Male dachte ich kurz darüber nach, erneut hoch hinaus und über dem Wald zu fliegen. Dort fühlte sich das Fliegen bestimmt noch viel besser an. Doch die Angst vor dem Raubvogel war zu groß als der Drang nach Freiheit. Ich blieb daher lieber in der Nähe des schwarzen Vogels. Aber in einiger Entfernung konnte ich auch noch einen anderen Vogel erkennen. Es war der Rotmilan. Verfolgte er uns? Es wirkte so. Doch obwohl er ebenfalls zu den Raubvögeln zählte, war er nicht derjenige, welcher noch immer über den Bäumen lauerte...

BlueBirdWo Geschichten leben. Entdecke jetzt