Kapitel 2: Kennenlernen

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P.o.V Floid:

Name: Lia Gintz. Alter : 16 Jahre. Der Grund warum ich hier bin: als Psychologischer-Betreuer für dieses traumatisierte Mädchen. Warum traumatisiert: Ihre Eltern und ihre kleinen Schwestern sind vor einem Monat bei einem Autounfall gestorben. Lia wollte nicht mit in den Urlaub fahren, sondern bei ihrer Tante über die zwei Wochen übernachten. Auf dem Weg zum Urlaubsort geschah der Unfall. Wo wohnt sie jetzt: Sie wurde von einer alten Klassenkameradin ihrer Mutter adoptiert und wohnt nun hier in Berlin.

Ich las mir meinen Auftrag immer und immer wieder durch. Die Welt konnte wirklich grausam sein. Erst der Tod ihrer Eltern und dann wurde sie auch noch aus dem gewohnten Umfeld gerissen. Das dieses Mädchen noch lebte, grenzte schon fast ein Wunder. Die psychische Belastung musste enorm sein. Man hatte mich gebeten für zwei Monate als vierundzwanzig Stunden Betreuer für sie zuständig zu sein. Ob sie Kooperativ sein würde, war eine Frage. Ob ich es hin bekommen würde, eine andere. Natürlich hatte ich angenommen und bereits mit der neuen Mutter von Lia, Frau Hansen, gesprochen. Nun saß ich hier. Im Büro des Direktors von Lias neuer Schule, welche sie auch bereits besuchte. Schon als ich über den Schulhof gelaufen war, hatten mich einige Schüler verwundert angesehen. Daher hatte ich die gesamten sechs Schulstunden überwiegend im Lehrerzimmer verbracht um nicht noch mehr Unruhe unter den Schülern zu strapazieren. Ich fragte mich, ob Lia mich auch bereits kennen würde. Natürlich änderte es nichts an der Tatsache, dass ich sie für die nächsten Monate unterstützen würde, aber mit einer Person, welche mich nicht als 'LeFloid' kennt, konnte man wesentlich besser arbeiten. 

Die Tür ging auf und ich drehte mich um. Der glatzköpfige, leicht pummelige Direktor, Herr Bach, trat ein. Hinter ihm konnte ich ein junges Mädchen erkennen, das ebenfalls herein kam. Das musste somit wohl Lia sein. Sie hatte kupferbraune, schulterlange Haare. Ihre Augenfarbe war ein sehr eigenartiger Mix aus Braun und einem dunklen Grün, soweit ich es erkennen konnte. Sie sah mich immerhin nicht direkt an, sondern hatte ihren Kopf gesenkt. Ihre Figur war sehr zierlich, klein und gebrechlich. Wenn ich mich nicht irrte war sie sogar etwas zu dünn, aber es fiel nicht wirklich auf. An Klamotten trug sie eine dunkelblaue Jeans, eine weiße, ärmellose Bluse, schwarze Straßenschuhe und bis auf einen kleinen silbernen Ring am Ringfinger der linken Hand keinen Schmuck. Über ihrer linke Schulter hing ihr Rucksack, welcher aus einem dunkelgrauen Jeans-Stoff zu bestehen schien. Schüchtern und etwas zögerlich nahm sie diesen ab, setzte sich vorsichtig auf den Stuhl neben mich und stellte ihren Rucksack vor sich auf den Boden. Ich konnte jetzt schon anhand ihrer Körperhaltung feststellen, dass ihr Selbstvertrauen im Keller war.

Nun setzte sich auch der Direktor vor uns hinter seinen Schreibtisch und lehnte sich zu uns nach vorne. "Lia, das ist Herr Mundt. Er wird dich für die nächsten Monate unterstützen. Keine Sorge, er beißt nicht.", stellte er mich daraufhin vor. Ich sah kurz zu Lia und sie ebenso zu mir. Ich lächelte sie an und reichte ihr meine Hand. Als sie mir ins Gesicht sah konnte ich erkennen wie sich ihre Pupillen verkleinerten und sie mich überrascht anstarrte. Scheinbar kannte sie mich doch. Unsicher schüttelte sie meine Hand. "Hi, Lia. Wenn du willst kannst du mich auch Florian oder Flo nennen!", versuchte ich einen ersten Schritt zu machen. "Ich bin wie gesagt Lia.", antwortete sie nur knapp.

Nach einer gefühlten Ewigkeit, wegen der Besprechung mit dem Direktor, konnten ich und Lia das Schulgebäude endlich verlassen. Während dieser Besprechung war Lia in ein Schweigen verfallen, als ob sie nicht da wäre. Auch jetzt lief sie wie ein unauffälliger Schatten unsicher neben mir. "Mist...", kam es leise aus Lias Richtung. Ich drehte mich zu ihr und sah, dass sie auf das Display ihres Handys starrte. "Ist was?", fragte ich. Sie zuckte zusammen. Scheinbar hatte sie meine Anwesenheit schon wieder vergessen. "I- Ich äh... Nein, nur ich hab meinen Bus durch das lange Gespräch verpasst und muss jetzt laufen.", stotterte sie vor sich hin. "Nicht schlimm. Wir wohnen für zwei Monate schließlich unter einem Dach und ich bin mit dem Auto hier.", antwortete ich wahrheitsgemäß. Sie wurde leicht rot, nuschelte ein "Okay" und trottete hinter mir her. Auf dem Weg zu meinem Auto kamen uns keine anderen Schüler entgegen, was scheinbar sehr zu Lias Beruhigung beisteuerte. Damit ich während der Fahrt mit ihr reden konnte, öffnete ich ihr wie ein Gentleman die Beifahrertür. Zögerlich setzte sie sich auf den Sitz. Ich schloss die Tür wieder und setzte mich ans Steuer.

Lia sah nachdenklich aus dem Fenster. Da noch zehn Minuten Fahrt anstanden, versuchte ich ein Gespräch anzukurbeln. "Und, wie findest du Berlin?" "Ganz okay.", antwortete sie knapp. Somit ging Versuch eins schon mal in die Hose und ich startete Versuch Nummer zwei. "Du redest nicht gerne, oder?" Sie ließ vom Fenster ab und sah mir beim Fahren zu. "Das ist es nicht.", meinte sie wieder knapp. Versuch zwei klappte scheinbar besser. "Und woran liegt es dann?" "Ich halte nur nicht viel von Smalltalk. Es ist sinnlos über offensichtliche und unwichtige Dinge zu reden." Ich runzelte die Stirn. "Ist es denn sinnlos zu fragen, wie du Berlin findest?" Wieder wurde sie kurz rot und sah nach vorne. "Ja ist es. Ich nehme an, du weißt was meiner Familie... passiert ist?" Ich nickte skeptisch. "Es ist eigentlich klar, dass ich im Moment nicht wirklich von einem neuen Leben in einer neuen Stadt begeistert bin.", antwortete sie mit einem traurigem Unterton. "Entschuldigung, ich wollte dich nicht kränken.", sagte ich zu ihr. Sie drehte sich wieder zum Autofenster und blickte nach draußen. "Tust du nicht. Und das könntest du auch nicht.", nuschelte sie leise. Die restliche Autofahrt verlief ohne Unterhaltung.

Ich parkte vor einem Mehrfamilienhaus und stellte den Motor ab. "Da wären wir!", meinte ich lächelnd zu Lia. Diese wiederum lächelte nur gequält und stieg vorsichtig aus. Ihre schüchterne und unsichere Haltung war bis jetzt unverändert. Bevor wir aber in Richtung Haus gingen, holte ich noch meinen Koffer aus dem Kofferraum. Wir liefen die Treppen bis in den dritten Stock hinauf, wo Lia dann ihren Schlüssel aus der Hosentasche holte und aufschloss. Während sie den Schlüssel im Schloss drehte, fiel mein Blick auf die ganzen Buttons die an ihrem Rucksack befestigt waren. Ich zählte etwa zwanzig Stück. Auf den Buttons waren Motive von Zelda, Pokémon, Super Mario, InFamous, Sims 3, Black Rock Shooter, Black Butler und Attack on Titan. Auch Motive von YouTubern wie AWP, DarkViktory, Gronkh, Fewjar, iBlali, Kelly und Suishomaru waren unter ihnen. Sogar ein LeFloid Army Button hatte seinen Platz zwischen ihnen gefunden. Nur auf wenigen Buttons waren Symbole zu sehen, welche mir nichts sagten. Auf einem war beispielsweise ein braunes Kaninchen abgebildet. Auf dem anderen ein blauer Vogel.


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