Epilog: Der rote Milan

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P.o.V Erzähler:

Ein lautes Kläffen ließ sie aus ihrem Tagtraum aufwachen. Sie sah in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war. Der ihr bekannte Rotschopf hatte seinen Labrador Rüden von der Leine genommen, welcher nun durch den weißen Schnee auf sie zu gerannt kam. Glücklich streichelte sie ihm durchs Fell, bis Vincent im Schritttempo bei ihnen ankam. Lia erhob sich aus der Hocke um ihrem Freund einen Kuss zu geben. Dieser lächelte zufrieden und umarmte die Brünette. "Schön dich zu sehen.", sagte er. "Auch schön dich zu sehen.", lächelte Lia im entgegen. Der Einzige, dem diese Szene nicht so sehr gefiel, war Buddy. Dieser stupste als die Beiden vorsichtig mit der Nase an. "Besser wir gehen mal los, bevor er noch eifersüchtiger wird.", kommentierte Vincent. Ein wenig kichernd begannen sie ihren Spaziergang mit dem Labrador Rüden, welcher fröhlich durch den Schnee tollte. Einen schöneren Wintertag hätten sie nicht erwischen können. Der frisch gefallene Schnee glitzerte im Sonnenlicht bei den eisigen Temperaturen mit den Eiszapfen an den verschiedensten Objekten um die Wette. Hin und wieder hörte man Krähen rufen. Aber auch Meisen zwitscherten hin und wieder ihre Lieder. Lia umklammerte Vincents Hand und legte ihren Kopf beim langsamen Laufen auf seine Schulter. Nach einer Weile seufzte er. "Schade, dass du an Silvester nicht mit uns feiern kannst." Lia erhob ihren Kopf und nickte. "Ja, schon. Aber ich habe Marie seit Monaten nicht mehr gesehen. Dafür bin ich über Weihnachten ja noch da.", antwortete sie lächelnd. "Apropos!", sagte Vincent auf einmal. "Hast du dir meine Filmidee nochmal durch den Kopf gehen lassen?" Erneut lachte die Brünette. "Ja, das habe ich." "Und?", fragte er gespannt. "Ja, wir können mit den Anderen einen Horror-Weihnachtsfilm drehen." Ein kurzes Jubeln entwich dem Brillenträger. Auch Buddy kläffte fröhlich mit. "Unter einer Bedingung!", ergänzte sie noch schelmisch. Vincents kleine Jubelrufe verstummten kurz. "Und die wäre?" Lias Grinsen wurde noch breiter. "Wenn du den Weihnachtsmann spielst!" Vincent gab der Grünäugigen einen Kuss auf die Stirn. "Für dich mache ich das gern, meine kleine Weihnachtselfe!" Lia schmunzelte. Der Rotschopf nannte sie immer klein, obwohl er selbst nicht einmal der Größte war. Drei bis maximal fünf Zentimeter überragte er sie vielleicht. "Hast du dich jetzt eigentlich für eine Schule entschieden?", fragte sie ihn. Er nickte. Vincent hatte schon seit längerem den Wunsch später einmal Deutschlehrer zu werden. Es war mit unter eines seiner Lieblingsfächer und er half so schon ständig seinen Freunden bei den Hausaufgaben, da er einem gut Dinge erklären und verständlich machen konnte. Doch zum Studieren brauchte er Abi und nun stand schon seit längerem die Frage im Raum, ob er jetzt wie Lia, Abby und Alex nur Fachabitur mit Jahrespraktikum macht, oder doch eher das 'vollständige' Abitur auf dem Berufs Gymnasium abschließt. "Ich gehe mit euch auf die FOS. Nur für eine Fachrichtung muss ich mich noch entscheiden. Entweder Wirtschaft oder Sozialwesen." "Sozialwesen klingt für mich etwas passender.", grinste Lia ihm entgegen, woraufhin Vincent lachen musste. "Na, dann nehme ich wohl besser Sozialwesen!"
So setzten sie ihren Weg fort und redeten über alles Mögliche. Über den ganzen Weihnachtsstress der noch bevor stand, über die Verwandten, die man am liebsten nicht besuchen wollte. Buddy kam auch voll auf seine Kosten. Auf einer großen freien Hundewiese durfte er immer wieder seinem Lieblingsball hinterher jagen, welcher entweder von Vincent oder Lia geworfen wurde. Ersterer machte sich ein wenig darüber lustig, wenn seine Freundin sich vor dem mit Speichel triefenden Ball ekelte. Die lies es manchmal nicht auf sich sitzen und hielt dem Blauäugigen den Spuckeball vors Gesicht. Natürlich schreckte auch er dabei zurück. Buddy saß einfach nur verwirrt neben der ganzen Szenerie und wartete gespannt darauf, dass sein Ball wieder flog.
Nach fast zwei Stunden, in denen die Drei schon durch die Kälte stiefelten und gespielt hatten, wurde es langsam zeit sich wieder aufzuwärmen. In der Nähe des Parks gab es einige nette Cafés, die auch gut besucht waren. Doch Vincent wollte lieber mit Lia in eines gehen, was noch eine Straße weiter seinen Platz hatte. Seiner Meinung nach gab es in ganz Berlin kein Café, das einen besseren Kaffee kochte. Aus neugier ließ sich die Brünette dorthin führen.


"Und? Wie findest du's?", fragte der Rotschopf lächelnd, nachdem die Zwei an einem freien Tisch am Fenster Platz genommen hatten. Der Labrador Rüde machte es sich derweil unter dem Tisch gemütlich. Die Grünäugige erwiderte das Lächeln. "Es ist wirklich sehr schön hier." Das kleine Café schien relativ unbekannt zu sein, da es keinen großen Trubel gab. Im Gegenteil. Es war angenehm ruhig. Die Gespräche der wenigen Gäste hatten mit der leisen Musik im Hintergrund, die spielte, etwas sehr Beruhigendes.
"Was darf ich Ihnen bringen?", fragte eine junge Kellnerin, die gerade auf das Pärchen zugekommen war. "Zwei Latte Macchiatos, bitte.", antwortete Vincent freundlich. Sie notierte es sich schnell und verschwand mit einem "Dankeschön!" wieder. Daraufhin widmete sich der Brillenträger wieder seiner Begleitung, die gerade verträumt aus dem Fenster sah. Draußen stapften die Menschen in einer leichten Hektik durch die Straßen. Der Schnee war, anders als im Park, grau, matschig und klumpig. Die Schnelllebigkeit der Stadt war jedoch in diesem Café kaum zu bemerken. Es war, als ob hier die Zeit stehen blieb...   

Währenddessen...
Auf einer der vielen Holzbänke im Park, durch den bis vor kurzem noch Vincent, Lia und Buddy gelaufen sind, hatte sich ein junges Mädchen nieder gelassen. Anders als es eigentlich üblich war, saß sie auf der Lehne der Bank, sodass ihre Füße in den schwarzen Boots auf der eigentlichen Sitzfläche Halt fanden. Im warmen Sonnenschein konnte man gut aus den braun wirkenden Haaren die lila Färbung erkennen, die bereits etwas raus gewaschen war. Neben sich hatte sie eine kleine Packung Vogelfutter, aus der sie auch die an ihrem Platz versammelten Tauben, Meisen und Spatzen fütterte. Friedlich sah sie den gefiederten Flugkünstlern dabei zu, wie diese genüsslich die verstreuten Körner aufpickten. Zwischen den Baumkronen kam noch ein weiterer Vogel hervor und gesellte sich nun auch dazu. Mit seinen kleinen, blauen Flügeln landete er auf dem rechten Bein der Sechzehnjährigen. Lächelnd holte diese ein paar weitere Körner aus der Packung und hielt sie dem Berghüttensänger unter den Schnabel. Zuerst etwas zögerlich und dann doch hungrig hopste er auf ihre Handfläche und bediente sich. Mit ihren ruhigen, grünen Augen sah das Mädchen nun gen Himmel und in deine Augen. "Tja, hiermit ist dieser Teil von Lias Geschichte an sein Ende gekommen. Ihr Leben und ihre Geschichte geht weiter. Doch wie und mit wem, entscheidet sie selbst. Trotz eines Tiefpunktes im Leben, sollte man bedenken, dass es immer noch weiter geht. Viel weiter." Mit diesen an dich gerichteten Worten, schloss sie die Augen. Der kleine blaue Vogel hatte inzwischen genug Leckereien gegessen und breitete nun erneut seine Flügel aus, um wieder hinauf in die Lüfte zu steigen.

-TBC- 

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