"Ich versuchte möglichst gefasst zu wirken, während Evelyn meine Sachen packte. Evelyn erledigte alles. Ich saß nur dabei damit ich mich nicht allzu nutzlos fühlte.
Als wir endlich die Koffer ins Auto packten und uns auf den Weg zum Bahnhof machten, wuchs meine Nervosität noch weiter an. In meinem Kopf malte ich mir alle möglichen Szenarien aus. Körper voller Blut und Menschen die vor schmerzen schrien...
Während der Zugfahrt sprach ich wenig und auch die anderen waren schweigsamer als gewöhnlich.
Als wir endlich ankamen, holte uns ein Wagen vom Bahnhof ab und brachte uns zu einem eher schlechten Hotel. Unser Personal hatte einige der billigeren Zimmer bekommen, während wir in für mich luxuriösen Suiten schliefen.
Der Lord und Catherine hatten beschlossen dass wir erst zwei Stunden nach unserer Ankunft zum Lazarett aufbrechen würden. Die Zeit schien stehen geblieben zu sein. Als ich wartete beobachtete ich die Zeiger meines Weckers, den ich auf die Marmorne Platte des Nachtschrankes gestellt hatte.
***
Das Lazarett befand sich in einem Herrenhaus, das eine ähnliche Größe wie Highclere Castle hatte. Und wahrscheinlich bis zum Beginn des Krieges ebenfalls bewohnt worden war.
Als ich in die Gesichter der Herrschaften blickte, sah ich dass sie über diesen Anblick bestürzt waren...."
"Wieso waren die denn bestürzt?" Fragte der Junge neugierig. "Nunja" antwortete ich, "sie hätten nicht für möglich gehalten, dass der Adel einmal so geschwächt sein würde, dass sie ihre Anwesen verkaufen mussten."
Stumm nickte der Junge und er sah so aus, als sei es ihm nun peinlich gefragt zu haben."Wie sah denn das Lazarett aus?" Charlotte blickte mich neugierig an.
"Auf dem Hof vor dem Anwesen parkten einige Lastwagen der Armee von denen Verwundete geladen wurden. Einige wenige Männer waren im Stande zu laufen, doch die meisten wurden auf Tragen transport. Sie hatten Blutverschmierte Binden um Arme, Beine oder Köpfe gewickelt. Die Kleidung wurde von einer Kruste aus Schmutz und Blut verklebt. Und die Schmerzensschreie und das Stöhnen der Verwundeten hallte über den ganzen Hof.
Krankenschwestern in grauen Kleidern und weißen Schürzen koordinierten die Männer und wiesen den Patienten Betten zu. Alles wirkte sehr hektisch, beinahe einschüchternd auf mich.
Und sämtliche Schwestern wirkten auf mich gestresst und erschöpft. Ihre Haut war bleich, mit schwarzen Schatten unter den Augen und ausgemerkelten Gesichtern.Die Lady, sowie die jungen Damen wirkten von diesem Anblick regelrecht bestürzt. Nur Anna beobachtete gespannt und neugierig das Treiben um sie herum. Vielleicht war sie damals auf die Idee gekommen die Arbeit als Krankenschwester zu beginnen...
Innen sah es noch schauriger aus als draußen. Die Wände waren in sterilem Weiß gestrichen und die wenigen Lampen verbreiteten nur diffuses Licht. Überall hatte man schmale Metallbetten dicht an dicht gestellt, um Platz für möglichst viele Männer zu schaffen. Auf den Peitschen lagen Männer, teilweise noch mit Blut und Schmutz bedeckt. Andere die schon länger da waren sahen sauber aus. Der Geruch der in den Räumen hing war kaum zu ertragen. Es roch nach Blut, Dreck und Ausscheidungen. Doch am schlimmsten waren die Schreie, das Schluchzen und das Stöhnen.
Schwestern eilten zwischen den Betten umher und begannen die neuen zu säubern. Ich mochte mir all die Verletzungen und das Leid welches sie täglich sahen gar nicht ausmalen.
Wir fragten eine der Schwestern, die an uns vorbeirannte nach George, doch sie konnte uns nicht helfen und eilte einfach weiter. Nie zuvor hatte ich mich so verloren gefühlt wie in diesem Moment.
Nach einigen Minuten fanden wir eine Schwester, die uns zum leitenden Arzt schickte....Der leitende Arzt, Dr Ashcroft befand sich in seinem kleinen Büro. "Wie kann ich ihnen helfen?" Während er fragte flatterte sein dichter, grauer Schnurrbart. "Wir suchen nach Offizier George Bentley. Der vor einigen Tagen eingetroffen ist..." Antwortete der Lord höflich doch da ich genau hinhörte bemerkte ich dass auch er besorgt und nervös war.
Der Arzt blätterte in einigen Notizen, bis er fand wonach er suchte.
Mit einer flinken Bewegung stand er auf. Flinker, als ich es ihm aufgrund seiner Leibesfülle zugetraut hätte.
"Wenn sie mir bitte folgen würden..."
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Lady Bentley von Highclere Castle Teil II
Historical FictionLady Bentley ist eine reiche alte Lady, doch das war nicht immer so... Kurz vor ihrem 100.Geburtstag beginnt sie ihre Lebensgeschichte zu erzählen und findet in ihrer Enkelin Charlotte eine aufmerksame Zuhörerin. Sie berichtet von ihrem Leben als...