29.Kapitel

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Am nächsten Morgen betrat Charlotte schüchtern mein Zimmer. Ich hatte gerade mein Frühstück ans Bett bekommen und genoss eine schöne heiße Tasse Tee und wie es britische Art war natürlich mit Milch.

Da sie mein Frühstück unterbrochen hatte sah sie mich ein wenig verlegen an und stammelte: "kann ich rein kommen? Oder soll ich später noch wieder her kommen?"

"Natürlich kannst du rein kommen" flüsterte ich mit immer noch kratziger Stimme, "doch ich kann dir heute leider auch nicht viel erzählen..."

"Das ist schade" murmelte Charlotte, doch ich war mir nicht so ganz sicher, da meine Ohren leider auch nicht mehr die besten waren...

***

Nachdem meine neue Zofe mein noch gut gefülltes Frühstückstablet abgeräumt hatte, machte ich es mir auf meinem Sessel gemütlich. Und blickte in den Garten...

Die Blätter begannen sich rot zu Färben und das Wetter war kalt und ungemütlich geworden. Doch dank der modernen Heizung, wurde es im Winter nicht mehr so unerträglich kalt, sondern angenehm warm. Aber diese grässlichen gusseisernen Heizkörper verschandelten die wundervollen Räume. Sie passten einfach nicht ins Bild von Highclere Castle.

"Charlotte, Liebes. Würdest du die Fotoalben aus meinem Regal holen?" Bat ich meine Enkelin nach einer langen Phase des Schweigens.
Ohne zu zögern sprang sie auf und kehrte mit den dicken, schweren Alben zu mir zurück.

Den Tag verbrachten wir mit dem Blättern in Erinnerungen an alte Zeiten. Bilder von meinen Eltern, Geschwistern und natürlich von George und mir. Wie Jung wir damals aussahen... Doch immer wenn ich an George zurück dachte, hatte ich ihn als den jungen gesunden und Gutaussehenden Mann den ich vor so vielen, vielen Jahren kennen gelernt hatte in Erinnerung.

"Wer ist das?" Wollte Charlotte wissen und deutete auf das Bild eines Kindes. Ohne dass ich etwas dagegen tun konnte, stiegen mir die Tränen in die Augen.
"Das ist Rosalie" flüsterte ich mit brüchiger Stimme. "Sie war unsere erste Tochter..."

"Warum wird nie über sie gesprochen" fragte Charlotte verwirrt, "und warum habe ich noch nie etwas von ihr gehört?"

"Rosalie ist gestorben" flüsterte ich, "als sie neun Jahre alt war..."

"Sie hatte das Down Syndorm, richtig" fragte Charlotte und blickte mit Tränen in den Augen auf das Bild des glücklich strahlenden Mädchens.

Geistesabwesend nickte ich und in diesem Moment viel es mir schwer meine Gedanken in Worte zu fassen. "Heute weiß man, was sie hatte. Doch früher sagte man uns nur, dass unsere Tochter Schwachsinnig wäre... Das war damals der Fachbegriff dafür. Natürlich konnte man ihr damals nicht wirklich helfen.

Doch wir haben sie sehr geliebt. Sie war der kleine Sonnenschein in unserer Familie..."

Charlotte war so gerührt, dass sie in Tränen ausbrach und auch ich konnte die Tränen nicht mehr länger zurück halten. Nach einer Weile fragte Charlotte: "erzählst du mir morgen, wie es weiter ging nachdem du deine Eltern besucht hast?"

"Natürlich" flüsterte ich, und war froh, dass Charlotte mich mit meinen Gedanken und Gefühlen in Ruhe ließ.

Lady Bentley von Highclere Castle Teil IIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt