Die Familie verließ kurz nach der Unterhaltung das Lazarett. Doch ich blieb um da zu sein, falls George aufwachen würde.
Während ich bei ihm saß, eilten dutzende Krankenschwestern an mir vorbei. Ohne überhaupt Notiz von mir zu nehmen. Doch auch ich interessierte mich nicht wirklich für das, was um mich herum passierte. Das einzige was meine Gedanken beschäftigte war George. Ich hielt während der ganzen Zeit seine Hand und beobachtete sein Gesicht. Er sah so friedlich aus.
Ich weiß nicht mehr wie lange ich gewartet hatte, ob nur einige Minuten oder ganze Stunden. Ich spürte weder Hunger oder Durst noch Müdigkeit.
Als George die Augen langsam öffnete dachte ich zuerst, ich würde träumen. Müde starrte George mich aus seinen Blutunterlaufenen Augen an....Später hat er mir erzählt, dass er ebenfalls dachte er träume.
Zunächst sagte George nichts und auch mir hatte es die Sprache verschlagen. Als ich spürte dass mir schon wieder Tränen in die Augen traten, wischte ich sie hastig mit dem Ärmel weg."Was machst du hier?" Fragte George mich nach einer Weile mit heiserer Stimme. Ich schluckte, "als wir hörten, dass du zurück nach England gekommen bist haben deine Eltern beschlossen dass wir alle her fahren..."
George nickte schwach.
"Wie geht es dir?"
"Ganz gut" flüsterte er, "ich fühle mich nur schrecklich erschöpft." "Du musst dich nur etwas ausruhen..." mir war bewusst, dass damit nicht alle Folgen des Krieges beseitigt werden konnten. Doch ich wusste, dass ich George noch nicht sagen konnte was noch alles auf ihn zu kommen würde."Geht es dir gut" krächzte George. Als wäre das im Augenblick von Bedeutung. "Ja" murmelte ich abwesend. "Und meiner Familie?"
"Die sind alle wohl auf" antwortete ich.George war so erschöpft, dass er kurz nach diesem kurzen Gespräch wieder in festen schlaf versank. Und ich blieb bis zum nächsten Morgen an seiner Seite.
***
Unsanft rüttelte jemand an meiner Schulter. Als ich verschlafen aufsah, blickte ich in das müde Gesicht einer Krankenschwester. Sie war sehr jung, wahrscheinlich kaum älter als ich. "Der Patient wird jetzt verlegt" sagte sie mir. Und noch ehe ich mich versah, hatten zwei Schwestern George auf eine Trage gehoben und trugen ihn die Treppen hinunter.
Im Nachhinein fragte ich mich, wie sie es die schmale Treppe hinunter geschafft hatten. Doch an diesem Morgen dachte ich nicht darüber nach.
Als ich auf den Hof trat, sah ich das gemietete Auto des Lords auf der anderen Seite des Hofes stehen. Es war ein regnerischer und trüber Morgen. Aber es störte mich nicht im geringsten dass meine Haare und Kleider durchnässt wurden.
Von der Treppe des Hauses aus beobachtete ich, wie George in eines der Autos des Roten Kreuzes geladen wurde.Hinter mir ertönte die Stimme des Lords. "Guten Morgen Clara." "Hast du die ganze Nach hier verbracht?" Fragte Catherine und musterte mich besorgt. Erst da bemerkte ich, was für ein schreckliches Bild ich abgeben musste. Ich nickte und starrte verlegen zu Boden. "Hast du schon mit George gesprochen?" "Ja, habe ich... Er meinte, dass es ihm gut geht." Meine zukünftige Schwiegermutter lächelte mich glücklich an und fragte ihren Mann: "hast du schon das Telegramm an Dr. Perry geschickt?"
"Natürlich. Das war das erste, was ich heute morgen erledigte. Ich hoffe, dass er zu unserer Verfügung steht sobald wir auf Highclere eintreffen. Außerdem habe ich ihn gebeten eine gute Schwester mitzubringen... Ich hoffe, dass wir möglichst rasch eine einstellen können."
Als ich dies hörte, war ich ein wenig erleichtert und das ganze Unterfangen kam mir gleich weniger gefährlich vor.
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Lady Bentley von Highclere Castle Teil II
Ficción históricaLady Bentley ist eine reiche alte Lady, doch das war nicht immer so... Kurz vor ihrem 100.Geburtstag beginnt sie ihre Lebensgeschichte zu erzählen und findet in ihrer Enkelin Charlotte eine aufmerksame Zuhörerin. Sie berichtet von ihrem Leben als...