"Das spielt keine Rolle für mich" flüsterte ich. George wandte sich von mir ab. Doch ich hatte schon gesehen, dass ihm Tränen in die Augen gestiegen waren.
"Ich kann dir aber nicht dein Leben weg nehmen, das wäre nicht fair..." flüsterte er mit brüchiger Stimme.
"Du nimmst dir mein Leben nicht weg, du bereicherst es. Denn du bist der einzige Mensch, der mich glücklich machen kann." Nun stiegen auch mir Tränen in die Augen. "Darf ich dich küssen?"
"Immer" flüsterte George. Ich beugte mich vor und gab ihm einen vorsichtigen Kuss auf den Mund...Von da an ging es zwischen George und mir wieder aufwärts. Wir verbrachten wieder den ganzen Tag miteinander. Ich las ihm aus unseren Lieblingsbüchern vor, wir gingen zusammen im Park spazieren und unterhielten uns. Natürlich konnte George sich nicht selbstständig fortbewegen. Deshalb schob ich ihn, in seinem Rollstuhl durch den Park. Wenn wir genug hatten setzte ich mich auf eine Bank und George saß in seinem Rollstuhl neben mir.
Wir genossen es, zu beobachten, wie die Natur nach der Winterpause wieder zum Leben erwachte. Die Blumen bekamen jeden Tag dickere Knospen und die Vögel schienen jeden Tag lauter zu singen.
Doch trotz des herrlichsten Frühlingswetters schlichen sich immer wieder trübsinnige Gedanken in unsere Unterhaltungen. George hatte Angst vor der Operation, vor Komplikationen und davor nie wieder ein normales Leben führen zu können. Aber er erwähnte mit keinem einzigen Wort den Krieg. Und ich wollte auch nicht in der Wunde stochern.
***
Der Sonntagnachmittag kam viel zu früh. Ein Automobil des roten Kreuzes fuhr vor dem Haus vor. George wurde in das Auto geladen und auf den Weg nach London geschickt. Auch ich reiste nur in Begleitung des Lords, Mr Greens und Anna nach London.
Wir würden ein paar Tage in unserem Londoner Stadthaus verbringen. Und dann entscheiden, wie wir weiter vorgehen wollten...
Am frühen Abend erreichten wir London nach einer holprigen Fahrt über die schlecht gepflegten Landstraßen Englands... Die Fahrt erschien mir beinahe unendlich lang. Und ich war sehr erleichtert, als wir alle wohlbehalten in unserem Londoner Haus angekommen waren. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie schlecht die Straßen damals waren..."
Charlotte nickte, "mir wird ja heute noch auf manchen Straßen schlecht..."
"Damals wäre dir auf einer Autofahrt dauerhaft schlecht gewesen" bemerkte ich trocken..."Wie ist die Operation verlaufen? Und konnte Grandpa danach seine Beine wieder bewegen?"
Ich lächelte über Charlottes mitgefühl. Ja, ich war gerührt, weil jemand sich so sehr für Georges und meine Geschichte interessierte. Und Tränen traten mir in die Augen als ich daran dachte, dass unsere traurige Geschichte so ein wundervolles Ende gefunden hatte..."Granny?" Fragte Charlotte erschrocken, denn natürlich hatte sie die verräterisch schimmernden Tränen in meinen Augen wahrgenommen. "Ist die Operation schlecht verlaufen?!"
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Lady Bentley von Highclere Castle Teil II
Ficción históricaLady Bentley ist eine reiche alte Lady, doch das war nicht immer so... Kurz vor ihrem 100.Geburtstag beginnt sie ihre Lebensgeschichte zu erzählen und findet in ihrer Enkelin Charlotte eine aufmerksame Zuhörerin. Sie berichtet von ihrem Leben als...