Kapitel 9

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Die kleine Gruppe hätte die Himmelsfeste sicherlich früher erreicht, hätten sie nicht diesen Gefangenen gehabt. Die Verletzung war nicht das Problem. Gefesselt auf einem Pferd war er überhaupt kein Hindernis, der Punkt war eher, dass er, sobald man ihm zu nahe kam, um sich biss. Das Fluchen, Kratzen und Spucken hätte man auch ignorieren können, leider wurde mehr als ein Späher bei dem Transport verletzt. Noch nie war Illachal so erfreut gewesen, in der Ferne die Himmelsfeste zu erblicken, und sie wusste, dass es allen Anderen ebenfalls so ging. Dorian hatte mehr als einmal darum gebeten, dem Venatori die Lippen zusammen frieren zu dürfen. "Schreiben kann er auch so noch." Selbst der sonst so ruhige Blackwall hatte geäußert, dass er ihrem Gefangenen gerne die Zähne ziehen würde. Und obwohl Illachal eines der Opfer gewesen war hatte sie immer verneint. Trotz der Bisswunde an ihrem Arm hatte sie sich zum Ziel gemacht, den Magier nicht noch mehr zu verletzen als sie es schon getan hatte.

Normalerweise kümmerte sich Illachal selbst um ihr Pferd, doch dieses Mal hatte sie wie alle Anderen dankbar den Stallburschen die Zügel in die Hand gegeben. Genervt und von der Reise sichtlich erschöpft, freute sie sich auf ein ausgiebiges Bad. Glücklicherweise hatte Josephine ihre Ankunft bereits bemerkt. Sie kannte die Elfin inzwischen so gut, dass das heiß ersehnte Bad Illachal bereits erwartete.

Sie war gerade dabei den Bericht zu schreiben, als Cullen ihre Quartiere betrat. Vertieft in ihre Arbeit zuckte Illachal zusammen, als sie ihn bemerkte. Er kam auf sie zu und begann ihre Schultern zu massieren. "Ich bin's doch nur, ma vhenan." Sie lies sich mit einem wohligen Seufzer zurücksinken und genoss es, wie seine kräftigen Hände ihre Muskulatur durchkneteten. "Ma'arlath. Du hast mir gefehlt." Sie schloss die Augen. Cullen beugte sich nach vorne und küsste sie. "Liebes, wir waren schon viel länger voneinander getrennt." Illachal erhob sich und lächelte. "Das mag stimmen, aber damals gab es genügend Feinde, die erschlagen werden mussten. Zudem waren andere für den Gefangenentransport zuständig. Wirklich, ich habe großen Respekt vor denen, die so etwas regelmäßiger gemacht haben." Cullen schloss sie in seine Arme. "So schlimm?" flüsterte er und fuhr ihr durchs Haar. Sie löste sich von ihm und blickte verbittert auf ihren Bericht. "Liebster, ich bin einiges gewöhnt. Gerade zu meiner Anfangszeit bei der Inquisition habe ich keinen Unterschied gemerkt zu dem, wie ich in der Stadt von den Menschen behandelt wurde. Ich wurde beschimpft, bespuckt und es wurde durchaus auch mit Steinen nach mir geworden. Das war nichts Neues. Aber - dieser Venatori hat nach mir geschnappt. Wie ein tollwütiger Fen... Ähm, Wolf." Cullens Augen wurden groß. "Moment, dich hat er auch gebissen? Ich habe davon gehört, wusste aber nicht, dass du zu seinen Opfern gehörst." Illachal krempelte den rechten Ärmel hoch und zeigte ihm die Bisswunde auf ihrem Arm. "Sie haben die Wunde mit Blutlotus und Elfenwurzel behandelt. Ich hatte noch Glück. Einem von Lelianas Spähern hat er ein Stück Fleisch aus dem Arm gerissen, bevor wir eingreifen konnten." Cullen war entsetzt. "Das ist doch nicht dein Ernst. Hast du eine Ahnung, warum er sich so verhalten hat?" Illachal schüttelte erschöpft den Kopf. "Dorian vermutet, dass er ein Gift geschluckt hat, aber die Dosis nicht hoch genug war, so dass es ihn verrückt gemacht hat statt zu ihn töten. Der Venatori hat nur wirr geredet, kaum einen zusammenhängenden Satz hat er zustande gebracht, selbst auf Thevene nicht." Sie seufzte müde. "Nun heißt es warten, ob unsere Heiler es schaffen, ihn durchzubringen und seinen Verstand wieder herzustellen. Das Einzige was der Kerl momentan vernünftig hinbekommt ist fluchen." Cullen zog sie zu sich. "Nun. Dann warten wir mal ab."

Illachal legte einen Pfeil an die Sehne und zielte. Mit einer unglaublichen Ruhe blendete sie Alles um sich herum aus. Sie lies los und der Pfeil traf das Schwarze der Zielscheibe. Eine Woche war vergangen, seit sie wieder auf der Himmelsfeste war. Ihr Tagesablauf hatte sich normalisiert.

Wie jedes Mal wenn sie trainierte hatte sich eine Traube an Schaulustigen um den Platz gebildet. Sie holte tief Luft, atmete aus. In schneller Folge verschoss sie vier Pfeile. Dabei bewegte sie sich rückwärts. Jeder Pfeil ein Volltreffer. Zufrieden lächelte sie, setzte noch zu einem Sprungschuss an und ließ einen gezielten Schuss folgen. In den letzten Schuss hatte sie so viel Kraft gelegt, dass der Pfeil die Zielscheibe durchschlug und im Baum dahinter stecken blieb. Sie wollte geraden den Platz verlassen, als ein blonder, junger Mann wie aus dem Nichts vor ihr auftauchte. Außer ihr schien ihn keiner wahrzunehmen. Illachal lächelte. "Hallo, Cole. Kann ich dir helfen?" Der Geist lächelte sie an. "Das solltet ihr wissen. Es ist Neid, der ihn zerfrisst. Er ist eifersüchtig. Sie frisst in ihm, verknotet sich, und er leidet. Er ruft nach mir. Doch ich kann ihm nicht helfen." Illachal blickte ihr Gegenüber verwirrt an. "Cole, meistens kann ich euch folgen. Aber heute nicht. Von wem sprecht ihr, und wieso könnt ihr nicht helfen?" Cole schüttelte den Kopf und deutete in die Menge an Schaulustigen. "Er war vorhin noch hier und hat euch beobachtet. Eifersucht, Neid, Missgunst. Es schreit in ihm. Ich kann nicht helfen. Denn er ist eifersüchtig auf den Kommandanten. Er will euch. Und kann euch nicht haben. Es beißt in ihm, tut ihm weh, aber dass ist etwas was ich ihm nicht nehmen kann." Cole wollte gehen, doch die Elfin hielt ihn zurück. "Cole, könnt ihr mir nicht etwas mehr über ihn sagen?" Der Angesprochene hielt inne. "Er ist noch nicht lange hier. Und er plant. Plant, wie er doch bekommen kann, was er will. Euch." Damit war er verschwunden.

DRAGON AGE: INQUISITION - Illachal Lavellan #Wattys2016Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt