Kapitel 26

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Cullen stand am Schreibtisch in seinem Büro. Er hatte angeordnet nicht gestört zu werden, es sei denn, es kam Nachricht von der Schlacht. Es waren 16 Tage vergangen, seit er die Truppen losgeschickt hatte. Keine Nachricht hatte ihn erreicht, ob und wenn ja was dort an der Front geschah. Seine Laune war im Keller, die Soldaten, die auf der Himmelsfeste geblieben waren, mussten darunter leiden. Er wusste dass es falsch war, aber er sah keine Möglichkeit, seine Laune zu verbessern.
Cullen seufzte frustriert und fuhr sich durch die Haare. Egal was er tat, seine Sorge wurde nicht weniger. Er hatte sich, wie jedes Mal, wenn Illachal unterwegs war, auf seine Arbeit gestürzt, doch das brachte nichts. Seine Konzentration war wie weggeblasen. Die Texte auf den Berichten gaben keinen Sinn, und hätte er sich momentan auf einen Übungskampf eingelassen hätte ihn sogar ein blutiger Anfänger besiegt. Ein wütendes Knurren entfuhr seiner Kehle, und mit einem lauten Knall landete der Bericht, den er gerade versucht hatte durchzulesen auf dem Schreibtisch.

Leise klopfte es an seine Tür, und vorsichtig steckte ein Bote seinen Kopf herein. "Was ist? Ich hatte doch gesagt ich will nicht gestört werden!" knurrte Cullen den jungen Schwarzhaarigen Burschen an, als dieser zögerlich eintrat. "I... Ich weiß, Kommandant, aber die Nachtigall sagte wenn ich euch diese Briefe gebe würdet ihr schon verstehen." Mit zittrigen Händen überreichte er ihm zwei Briefrollen, wie sie immer an den Botenraben befestigt waren. Ein Siegel war gebrochen, das Andere, welches das persönliche des Inquisitors war, war noch geschlossen. Cullens Herz klopfte schneller, und er nickte dem Boten freundlich zu, der sich erleichtert umdrehte und schnell den Raum verlies.
Die Briefrolle mit dem geöffneten Siegel legte er entschlossen beiseite, als er nun mit zittrigen Händen begann, das Siegel der Anderen zu brechen. Langsam rollte er den Brief auseinander, und war froh, als er Illachals Worte las.

"Cullen. Die Schlacht ist geschlagen. Wir haben gesiegt, und unsere Verluste halten sich in Grenzen. Wir haben weit weniger Soldaten verloren, als ich erwartet hatte. Ich bin bis auf einige Kratzer unverletzt. Alle unsere Gefährten haben es ohne ernsthafte Verletzungen überlebt.
Leider ist uns der Reiter entkommen, keiner hat ihn während der Schlacht gesehen. Ich fürchte, ich werde bald mit einigen Spähern in Richtung Ostagar aufbrechen müssen, um nach Spuren zu suchen, denn in eine andere Richtung kann er nicht entkommen sein. Aber wir werden erst zur Himmelsfeste zurückkehren, um uns zu erholen und Vorräte aufzustocken. Ich denke an dich, Vhenan. Ich hoffe auf eine liebevolle Umarmung. Illachal"

Cullen musste bei ihrem letzen Satz schmunzeln. Als ob er ihr das verwehren würde. Er griff nach dem Brief von Harding. Dieser enthielt eine grobe Beschreibung der Schlacht und eine geschätzte Anzahl der Toten. Cullen seufzte. Wieder würde er Nachrichten an Familien schicken müssen, obwohl der Krieg eigentlich vorbei war. An diese Aufgabe würde er sich nie gewöhnen. Trotz der Nachricht, dass seiner Verlobten nichts passiert war, lag die ganze Situation ihm doch schwer im Magen. Je näher er und Illachal sich gekommen waren, um so schwerer fiel es ihm, dass sie sich regelmäßig in Gefahr begab. Und nun war diese ganze Sache trotz des Sieges immer noch nicht vorbei. Wer auch immer dieser Reiter war, sie mussten ihn finden. Ihm gefiel dieser Gedanke nicht, aber Illachal hatte Recht - sie würde sich auf die Suche nach ihm machen müssen. Mit einem kleinen Team von Spähern und einigen ihrer Gefährten war ihre Gruppe klein und sie würden sich in der Wildnis gegen die verderbten Tiere gut wehren können. Sie konnten nur beten, dass sie dort nicht auch noch auf dunkle Brut treffen würden.

Illachal saß mit ihren Gefährten am Lagerfeuer. Sie lachten, alle erleichtert darüber, dass es vorbei war. Die Verluste der Bullen waren ebenfalls niedrig, keiner von ihren Freunden war ernsthaft verletzt. Auch die Wunde die Trace hatte, war nicht lebensbedrohlich. Sie hatte sich, inzwischen wieder etwas kräftiger, zu ihnen ans Feuer gesetzt. Morgen würden sie aufbrechen. Sie hatten die Befestigungen entfernt, die restlichen Aufräumarbeiten würden Arbeiter übernehmen, die nach ihrer Ankunft in der Himmelsfeste losgeschickt werden würden. "Trace, würdet ihr mir eine Frage beantworten?" wandte sich Illachal an die Templerin. "Natürlich euer Gnaden." Die Elfin lächelte. "Bitte. Diese förmliche Anrede könnt ihr gerne nutzen, wenn wir Besprechungen haben. Aber ihr seit eine langjährige Freundin von Cullen. Und da ich ihn bald heiraten werde, würde ich mich freuen, wenn wir uns näher kennen lernen würden." Trace Augen blitzen auf, und ein überraschter Ausdruck huschte über ihr Gesicht. "Nun, fragt." sagte sie mit einem leichten Schmunzeln. Illachal blickte ins Feuer und beobachtete die tanzenden Flammen. "Ihr stammt wie Cullen aus Ferelden, oder?" Trace nickte. "Ja. Ich bin in einem kleinen Ort unweit von Denerim aufgewachsen. Meine Eltern... Sie dienten einer Adligen. Leider hat eine Elfin meiner Mutter einen Diebstahl angehängt. Sie war ein hinterlistiges kleines Biest, die Angst hatte um ihre Stellung, als ich geboren wurde." Illachal legte den Kopf schräg. "Wieso das?" Nun war es Sera, die sich dazu äußerte. "Einige von den Ärschen da oben haben die Angewohnheit, wenn ihre menschlichen Dienerfamilien Kinder bekommen, diese in ihren Dienst zu nehmen." Illachal unterbrach sie. "Aber das ist doch erst mal nichts Schlechtes." Sera schüttelte den Kopf. "Da habt ihr recht, euer Durchleuchtigkeit. Aber irgendjemand muss deswegen gehen. Und das sind meistens die Elfen." Sie spuckte wütend aus. "Was meint ihr warum Briala es geschafft hat, die Elfen von Orlais so zu bequatschen? Die haben Angst." Trace nickte traurig. "Ich wurde gerade dreizehn, als meine Eltern entlassen wurden. Wir zogen weiter, so habe ich dann Flicker kennen gelernt. Zwei Monate später kam ein Brief, dass die Dienstherrin meiner Eltern die Elfin entlassen hatten, nachdem sie herausgefunden hatte, was sie gemacht hatte. Sie bot meinen Eltern an zurückzukommen. Aber sie waren zu stolz." Sie schnaubte. "Ein Jahr lang arbeiteten wir auf den Höfen von so einem ungehobelten Kerl, aber er bezahlte gut. Erst als er sich an mir vergehen wollte, begriffen meine Eltern, was für ein Arsch er war." Trace verstummte, griff nach einem Stock und stocherte in der Glut herum. "Wir zogen weiter. Der nächste Gutbesitzer war netter, doch als meine Eltern... Nun sie fanden heraus, wer meine erste Freundin war. Und sie schickten mich zu den Templern." Sie begann zu kichern. "Es hatte zwar nicht ganz die von ihnen gewünschte Wirkung, aber inzwischen haben sie sich damit abgefunden." Jetzt war es Varric, der sich zu Wort meldete. "Und da habt ihr Löckchen getroffen?" Die schwarzhaarige sah ihn an. "Löckchen?" Sie lachte. "Ja. Da habe ich Cullen kennen gelernt. Er ist ein paar Monate älter als ich, aber wir haben unsere Ausbildung fast zeitgleich abgeschlossen. Ich wurde danach in die Marschen versetzt. Als der Aufstand begann, war ich in Ostwick und habe im Zirkel die Templer geführt. Viele haben sich abgewandt, und ich habe versucht mit dem Rest die Ordnung aufrecht zu erhalten so gut es ging. Tja... Und dann bin ich hier gelandet." Illachal lächelte. "Cullen erzählt sehr wenig von seiner Kindheit und seiner Ausbildung. Selbst mir." Trace grinste. "Oh, ich kann das sogar verstehen. Im Allgemeinen ist die Ausbildung eher langweilig. Die einzige Freude neben der Kampfausbildung waren die Streiche, die wir uns gegenseitig gespielt haben." Varric hielt inne. "Moment. Löckchen hat Streiche gespielt?" Trace lachte. "Nein. Eigentlich war er eher das Opfer. Er war damals sehr schüchtern und zurückhaltend. Das hat viele der Jungs dazu angestiftet, ihm Streiche zu spielen. Bis er sich irgendwann gewehrt hat." Sie schmunzelte. "Streiche waren nicht seine Stärke. Aber er war schon damals schon einer der besten Kämpfer, selbst viele der Älteren hatten Respekt vor seinem Talent. Also hat er sich einmal beim Training den Rädelsführer der Jungs vorgeknöpft." Sie lachte laut. "Der Kerl hatte nachher einen gebrochenen Arm und am ganzen Körper blaue Flecken. Cullen hat eine Strafe für zu hartes Training bekommen, hatte dafür aber den Rest der Ausbildung Ruhe vor ihnen."

Drei Wochen hatte es gedauert, bis sie die Himmelsfeste wieder in erreichbarer Nähe wussten. Durch die Verletzten und die große Truppenstärke kamen sie nur sehr langsam voran. Illachal und ihre Gefährten hätten vorreiten können, aber das lehnte sie ab. Sie war der Meinung, sie hatten den Kampf gemeinsam geschlagen, also sollten sie auch gemeinsam reisen. Trotz allem sah sie sich nicht als etwas Besonderes oder besseres als die anderen Soldaten. "Jeder von ihnen hat ihr Leben riskiert. Ich bin nicht besser als sie. Ich bin sterblich, genau wie jeder andere." Sie wiederholte das immer wieder, wenn sie darauf angesprochen wurde. Es sorgte zwar dafür, dass die Soldaten sie dennoch als etwas Besonderes ansahen, aber Illachal versuchte genauso normal zu sein wie immer. Trace beobachtete das ganze mit Bewunderung. Selbst Gregoir, der Kommandant der Templer von Ferelden während der fünften Verderbnis, hatte sich nicht so nahe gegenüber seinen Unterstellten gezeigt. Und ihn hatte sie als herzlichen und gerechten Mann in Erinnerung.
Zwischen ihr und Illachal hatte sich ein zartes Band der Freundschaft gebildet. Trace beobachtete, wie Illachal bei der Jagd half, um einige hungernde Soldaten zu versorgen, sich nicht zu schade war, Heilkräuter zu sammeln und wie sie mit ihren Freunden umging. Ihre herzliche und offene Art hatte sie überzeugt, dass sie die Richtige für ihren besten Freund war.

DRAGON AGE: INQUISITION - Illachal Lavellan #Wattys2016Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt