Kapitel 59

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Jess saß am Dorfbrunnen und beobachtete das geschäftige Treiben um sich herum. Langsam fragte sie sich, ob ihr Hass auf dieses rothaarige Klingenohr wirklich gerechtfertigt war. Ja, sie war nicht dabei gewesen, als Ihr Hof überfallen worden war. Es waren keine Dalish anwesend gewesen. Gänsehaut bildete sich in ihrem Nacken und kroch unangenehm ihren Rücken hinunter. Natürlich konnte sie die Elfin nicht verantwortlich machen für das, was ihr passiert war. Warum war sie dann so wütend? Ihr Kopf schmerzte, je mehr sie nachdachte, und seufzend begann sie ihre Schläfen zu massieren. Keiner wusste, was sie wirklich durchgemacht hatte. Sie hatte es niemandem erzählt. Ihre Eltern und auch ihr Verlobter waren getötet worden. Das war es, was alle wussten. Dass sie nur knapp überlebt hatte, wussten auch alle. Das sie geschändet wurde, wieder und wieder, und dadurch ihr ungeborenes Kind verloren hatte, das wusste keiner. Sie trug diese Bürde wie einen Schatz mit sich herum, hütete das Geheimnis wie ihren Augapfel. Warum wusste sie selbst nicht. Maria und Emma waren ihre besten Freundinnen, und selbst sie wussten nicht Bescheid.

Sie blickte auf, als Cullen an ihr vorbeiging. Er erinnerte sie an Samson, ihren Verlobten. Groß, kräftig, ein begnadeter Kämpfer. Und seine Augen... Sie hatten fast den gleichen Braunton. Kurz überlegte sie, ob sie ihn ansprechen sollte, entschied sich aber dagegen. Das er verheiratet war, das wollte sie nicht glauben. Dieser Ring konnte auch einfach nur eine Finte sein. Plötzlich fragte sie sich, ob sie sich da in etwas verrannte. Dieser Krieger war nicht ihre Kragenweite, das wusste sie schon seit sie ihn gesehen hatte. Aber dennoch war sie neugierig, und allein, um Gewissheit zu haben ob er nun log oder nicht wollte sie mehr über ihn herausfinden. Sie erhob sich und ging langsam zum Haus ihres Onkels, der sie nach den Vorfällen aufgenommen hatte. Sie musste sich einen Plan zurechtlegen.

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Fayris stapfte vor den Anderen durch den Sumpf. Sie waren nicht mehr weit von dem Weg entfernt, der zum Lager führte, jedoch sagte sie nichts. Es wurde langsam dunkel, und sie wollten nicht bei Nacht kämpfen. Tagesanbruch war ihrer Meinung nach die bessere Wahl. Aus dem Augenwinkel nahm sie Sera wahr, die ruhig und still neben Blackwall herging. Die beiden verstanden sich auffallend gut, was bei ihr einen kleinen Stich verursachte. Sera war eine seltsame Elfin, benahm sich mehr wie ein Mensch, aber das machte sie nur interessanter. Sie hatte ein einziges Mal versucht, mit ihr ein Gespräch über elfische Geschichte zu führen und es sofort wieder aufgegeben. Sera hatte ihr klar gemacht, dass sie das nicht im Geringsten interessierte, und Fayris akzeptierte das. Allerdings war Seras Wissen über das Leben der Menschen für sie sehr interessant, und so hatten sie einige interessante Gespräche geführt.

Mit einem Mal stolperte die Schwarzhaarige Elfin. Sie strauchelte und wäre beinahe hingefallen, hätte Cassandra nicht nach ihrem Arm gegriffen und sie so vor einem Sturz bewahrt. Fayris blickte irritiert nach unten. Sie kannte diese Vegetation im Schlaf, hätte hier blind langlaufen können – was sie in ihrer Kindheit auch getan hatte – und sie wusste, dass dort keine Wurzel oder ähnliches war, was ihr Stolpern hätte verursachen können. Die Gefährten hatten angehalten und sahen die Dalish neugierig an, als sie sich nun niederkniete und den Boden untersuchte. Sie begann am ganzen Körper zu zittern, als sie etwas vom Boden aufhob. Stumm betrachtete sie das Schmuckstück in ihrer Hand, das sie einem Skelett abgenommen hatte. Tränen verschleierten ihren Blick, den sie nun genauer über den Boden schweifen ließ, und sie die Schädel sah. Sie wusste nicht ob Elfisch oder Menschlich, aber hier lagen etwa zehn Skelette. Das, über das sie gerade fast gefallen war, gehörte ihrer besten Freundin. Das Schmuckstück hatte sie gemacht und ihr zur Hochzeit geschenkt. Ihre Faust schloss sich, Wut schnürte ihr die Kehle zu, als sie sich umdrehte. Sie musste zweimal tief Luft holen, bevor sie ihre Stimme wiederfand. "Wir lagern etwas abseits. Etwa eine halbe Stunde in diese Richtung müsste eine trockene Stelle sein, eine kleine Höhle die recht geschützt liegt. Der Aufstieg zum Lager ist nicht mehr weit, wir sollten im Morgengrauen aufbrechen. Wir werden nicht lange brauchen um es zu erreichen." Ihre Stimme brach, und sie wandte sich ab.

DRAGON AGE: INQUISITION - Illachal Lavellan #Wattys2016Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt