Kapitel 46

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Fayris saß in Illachals Quartieren auf dem Sofa und knetete nervös ihre Hände. Die Inquisitorin hatte ihren Beratern Bescheid gegeben, doch das Warten wurde von Minute zu Minute unerträglicher. Als endlich die erlösenden Schritte auf der Treppe zu hören waren, atmete die Dalish auf. Ihr Blick war gehetzt, und sie musste mit Mühe den Fluchtreflex unterdrücken, der immer stärker wurde.
Cullen kam auf seine Gemahlin zu und nahm sie kurz in den Arm, währen Leliana sich an den Kamin lehnte und Josephine auf Illachals Stuhl platznahm. Diese saß auf dem Bett, und Cullen setzte sich nun neben sie. Erwartungsvolle Blicke ruhten auf Fayris, die nun tief Luft holte und zu sprechen begann. "Bitte... hört jetzt einfach zu. Ich weiß, es war ein Fehler, es so lange zu verschweigen, aber damit ihr das alles versteht, muss ich euch Clangeheimnisse offenbaren, die zu schützen ich geschworen habe – trotz meiner Verbannung." Die Anderen nickten einfach und schwiegen. Fayris atmete noch einmal tief durch. Ihr Blick wanderte zu den Flammen im Kamin, und die Flammen warfen Schatten auf ihr Gesicht, während sie erzählte.

"Ihr müsst wissen, mein Clan lebt anders als andere Dalish. Wir sind keine Nomaden, wie ich bereits erwähnte. Auch haben wir keine Halla – warum weiß ich allerdings selbst nicht genau. Unsere Ältesten sagen immer, dass es in der Frostgipfelsenke noch nie Halla gab, und wir deswegen Pferde haben. Meine Vermutung ist jedoch, dass es damit zusammenhängt, dass wir... Nun, wir sind zum großen Teil Halbelfen." Eine kleine Pause machend, schluckte sie. "Dadurch dass wir nicht umherziehen fällt es schwer, frisches Blut in den Clan zu bekommen. Ich weiß nicht wann es anfing, dass haben uns die Geschichtenerzähler nie berichtet, aber schon seit Generationen nehmen wir Menschen bei uns auf, um unsere Blutlinie zu stärken. Anfangs waren es nur Avvar, die sich für uns interessierten oder die verstoßen worden waren. Vor zwei Jahren allerdings..." Illachal traute ihren Ohren nicht. Noch nie hatte sie von einem Clan gehört, der so lebte. "Es war kurz nachdem Illachal die Bresche geschlossen hat. Wir haben nicht viel von den Hintergründen mitbekommen, da wir auf Grund unserer Lebensweise sehr abgeschieden und zurückgezogen leben. Eine Gruppe Menschen hatte unser Lager gefunden. Sie waren schwer verletzt und einige dem Tode näher als dem Leben. Wir fanden erst nachdem wir sie gesund gepflegt hatten heraus, dass sie alle Magier waren. Und... Aus Tevinter kamen." Lelianas Augen verrieten ihre Überraschung, auch wenn ihre Stimme ruhig klang, als sie jetzt ein einziges Wort aussprach. "Venatori." Fayris nickte. "Mein Hüter dachte sich nichts dabei. Es waren erwachsene, gut ausgebildete Menschen, die keinerlei Gefahr darstellen würden, also bot er ihnen an, im Clan zu bleiben." In ihrem Blick war nun Wut und Trauer zu erkennen, als sie die Fäuste ballte. "Die anderen meines Clans folgten unserem Hüter blind. Keiner außer mir schien die Veränderung an ihm wahrzunehmen. Seine Entscheidungen entsprachen immer den Wünschen der Magier, er war kaum noch für Argumente zugänglich, benahm sich völlig entgegen dem, was er uns gelehrt hatte. Plötzlich wurden sinnlos Karawanen angegriffen um an Menschen zu kommen, die nicht lange überlebten, und er wollte uns nicht sagen, warum so viele starben. Er hatte den Magiern etwas abseits unserer Hütten einen Platz zugewiesen, wo diese ebenfalls ein Gebäude errichtet hatten, das aber nur der Hüter betreten durfte. Seine Magie... wurde auch immer mächtiger, und er scheute nicht, sie gegen Unschuldige einzusetzen, um seinen Willen zu bekommen. Er verwandelte sich langsam in einen Tyrannen. Er war nicht mehr der Mann... Den ich einst liebte." Ihre Stimme brach, und sie kämpfte mit den Tränen. "Irgendwann hielt ich es nicht mehr aus und habe mich nachts in das Haus der Magier geschlichen. Was ich dort sah... Ich würde es am Liebsten vergessen, doch es hat sich unwiderruflich in mein Gedächtnis eingebrannt." Nun konnte sie die Tränen nicht mehr zurückhalten, stumm rannen sie ihre Wangen hinab. "Dort waren... So viele Tote... Menschen, sogar Clanmitglieder... Und überall Blut. Ich kannte die Anzeichen, hatte uns doch der Hüter immer wieder davon erzählt. Es war Blutmagie. Mir wurde klar, dass die Magier die Kontrolle über den Clan hatten, und das schon eine ganze Weile. Ich... habe mich weiter umgesehen, wollte Beweise sammeln, damit ich meine Brüder und Schwestern davon überzeugen konnte, etwas dagegen zu unternehmen. Also suchte ich weiter. Ich fand einen versteckten Raum, und in dem saß... Der Reiter, wie ihr ihn nennt. Er war einer der besten Krieger aus dem Steinbärenstamm, den ihr ja kennt, wie ich inzwischen weiß." Ihre Stimme wurde leise, dennoch glaubte Illachal etwas herauszuhören, was sie noch nie bei Fayris bemerkt hatte: eine unglaubliche Wut. "Sie hatten Rituale durchgeführt, um Dämonen an Nichtmagier zu binden. Er war der erste, der überlebt hatte. Sie haben einen Dämon, der an den Magieranführer gebunden ist, in den Krieger gepflanzt und ihn so unter Kontrolle gebracht." Sie schluckte schwer. "Ich... habe mit meinen Clanbrüdern und Schwestern gesprochen. Sie glaubten mir nicht, haben mich beschimpft, ausgelacht und mir Eifersucht unterstellt. Ich weiß nicht wie, aber inzwischen waren sie vollkommen unter der Kontrolle der Magier. Und so... hat mein Hüter mich verbannt. Er hat mir entgegengespuckt, mich eine Verräterin genannt, und mir nur erlaubt meine Waffen und Maric, meinen Hengst, mitzunehmen. Und ihn durfte ich auch nur mitnehmen, weil ihn kein Anderer aus dem Clan ihn gebändigt bekommen hat." Stille breitete sich in den Quartieren aus, und alle tauschten verwirrte Blicke miteinander aus. Niemals hätten sie gedacht, dass es so weitreichende Informationen wären, die Fayris zurückgehalten hatte. Illachal konnte nachvollziehen, warum es ihr so schwergefallen war, darüber zu sprechen, dann sie musste zum Verständnis für sie ihre Lebensweise komplett offenlegen. "Und... wie ist der Reiter nun am Maric gekommen?" Illachal hatte leise gesprochen, doch ihre Stimme klang seltsam. Mitgefühl und auch Angst waren in ihr zu hören. Fayris lachte leise und bitter auf. "Nun, ich war noch nicht lange fort, als sie ihn hinter mir herschickten. Ich hatte ein Lager in einem Sumpfgebiet aufgeschlagen und war gerade auf der Suche nach einigen essbaren Wurzeln gewesen, als ich gehört habe, wie Maric gewiehert hatte. Doch ich kam zu spät... Ich konnte ihn nur noch von hinten sehen, wie er auf ihm davonritt. Also habe ich mir zur Aufgabe gemacht ihn zu verfolgen und ihm mein Pferd wieder abzunehmen." Die Dalish schwieg, schien alles Wichtige erzählt zu haben. Illachal sah zu ihren Beratern, versuchte, in ihren Gesichtern zu lesen. Josephine war geschockt, in Cullens Gesicht war Mitgefühl gemischt mit Wut zu erkennen. Lelianas Miene war wie immer undurchdringlich. Sie war es auch, die nach einiger Zeit das Schweigen durchbrach. "Danke für eure Informationen, auch wenn es uns natürlich eine Menge Ärger erspart hätte diese vorher zu erhalten." Fayris biss sich auf die Unterlippe und sah zu Boden. "Aber", setzte die Meisterspionin an, "ich kann verstehen dass ihr mit euch gehadert habt. Solche Informationen gibt man nicht leichtfertig heraus." Nachdenklich blickte sie nun ins Feuer. "Wir müssen euch allerdings bitten, uns den Weg zu eurem Clan zu zeigen. Die Venatori müssen vernichtet werden, es ist zu gefährlich, sie dort in Ruhe zu lassen." Die schwarzhaarige Dalish wurde blass, nickte jedoch. "Ich... verstehe." Illachal stand auf und trat an sie heran. "Ich werde mit den Anderen sprechen. Wir werden versuchen, euren Clan möglichst zu verschonen, aber wenn sie ebenfalls angreifen, haben wir kaum eine andere Wahl." Jetzt mischte sich Cullen ein. "Wir? Liebste, du wirst sie nicht begleiten können. Das weißt du." Instinktiv legte Illachal ihre Hände auf den Bauch. "Ich weiß." Nun blickte Josephine auf, die die ganze Zeit nur schweigend zugehört hatte. "Wen sollen wir dann mit dieser wichtigen Mission beauftragen?" Leliana überlegte. "Nun, Fayris wird die Gruppe zumindest dort hinführen müssen. Das steht außer Frage. Aber wer soll sie begleiten?" Alle Augen waren nun auf die Inquisitorin gerichtet. "Dorian wird sie auf jeden Fall begleiten müssen, denn er als Magier wird am ehesten erkennen, ob einer der Dalish ebenfalls schon besessen ist. Zudem brauchen wir Cassandra, denn sie kann Magie bannen. Den Bullen brauchen wir ebenfalls, er hat sehr viel Erfahrung im Kampf gegen Magier. Sera und Varric... Fernkämpfer und Schurken sind unerlässlich, zudem hat Varric durch Anders auch Erfahrung mit besessenen Magiern. Ich würde sagen, auch Blackwall sollte sie begleiten. Eigentlich würde ich nur Cole hierlassen, denn ihn... Würde ich gerne mitnehmen, wenn ich die Himmelsfeste verlasse. Er fällt absolut nicht auf, und einen weiteren Beschützer kann ich durchaus gebrauchen." Cullen schien von der Idee nicht begeistert, sagte aber nichts, da er wusste, dass es niemand unauffälligeren gab als den Geist. Wenn er nicht wollte, wurde er einfach nicht gesehen. "Wann sollen sie aufbrechen?" Leliana schüttelte den Kopf. "Die Verhandlungen mit den Magiern gehen gerade in eine entscheidende Phase. Ich denke, in zwei Wochen habe ich sie so weit, dass sie einen ihrer Verzauberer ins Nichts schicken, um den Reiter von dem Dämon zu trennen. Mindestens so lange sollten wir noch warten, denn eventuell bekommen wir so noch Informationen zu dem Ritual selbst." Illachal nickte langsam. Nun stand Josephine auf und trat an ihre Freundin heran. "Illachal, in etwa sechs Wochen wirst du aufbrechen müssen. Bald wird die Reise zu anstrengend und außerdem wird man dann auch nicht mehr übersehen können, was Tatsache ist." Die Elfin grinste schief. "Ich habe ja keine andere Wahl." Sie wollte nicht sagen, dass sie sich dennoch darauf freute. Sie würde nicht nur endlich ihre neue Familie besser kennen lernen, sie würde auch viel Zeit Cullen verbringen können.

DRAGON AGE: INQUISITION - Illachal Lavellan #Wattys2016Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt