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F L O R A || 2 5 . 0 3 . 2 0 1 6

Flora Fanning. Damit hatte ich den Vertrag in mein neues Leben unterschrieben, einen Job als Pfleger bei einem der besten Reiter Europas, möglicherweise war das der Grund, weshalb ich ein bisschen nervös am Abend vor meinem ersten Arbeitstag mit dem Auto auf den Hof fuhr. Freundlich wurde ich von einem blonden Mädchen empfangen, das ich etwas Jünger als mich schätzte. Sie stellte sich mir als Lexy vor und führte mich sogleich in die Wohnung, die wir uns ab sofort teilten. Ein gepflasterter Weg, an dem links und rechts die ersten Rosenblüten sprießten, leitete uns zu den Gebäuden der Pfleger. Vier kleine, jedoch ziemlich edle Häuser standen in reih und Glied, die insgesamt sechs Pfleger beheimateten. Lexy und ich waren in dem kleinsten untergebracht, mit der Begründung, als Turnierpfleger sowieso die meiste Zeit auf Turnieren verbrachte.

Sie öffnete die Türe und zeigte mir meine Zimmer, jede hatte ein Zimmer und ein Bad für sich, Küche und Wohnzimmer waren praktisch ein Raum, den wir uns teilten. Von meinem Zimmer aus hatte ich direkten Ausblick zu einem der Springplätzen. Gerade ritt dort jemand auf einem dunkeln Fuchs bei Flutlicht.

„Das ist er, das ist James Casey.", stellte mir Lexy den Jungen vor. Die Art, wie sie seinen Namen aussprach, irgendwie gab es mir das Gefühl, dass er mehr für sie war, als nur ihr Chef.

„Wie ist er so? Also als Chef?", fragte ich neugierig, denn als ich zum Probearbeiten hier her gekommen war, war er gerade auf einem Turnier gewesen.

„Ehrlich gesagt, er ist ziemlich launisch, wenn er schlechte Laune hat, nörgelt er an allem herum. Wenn er aber gut drauf ist, habe ich ab und zu sogar das Gefühl, er würde mich so gerne mögen, wie ich ihn.", erzählte sie mir, „aber ich glaube, er meint es nicht böse, er ist nur manchmal ein bisschen unsicher.", verteidigte sie ihn gleich wieder. Was ich bisher an Interviews von ihm gesehen hatte, konnte ich sagen, er war alles andere als unsicher, aber mit einer rosaroten Brille auf der Nase sah jeder die Welt ein bisschen anders.

Wir beschlossen, dass ich später noch genug Zeit hatte um meine Sachen auszupacken, jetzt wollte sie mir erst einmal den Hof zeigen, zumindest die Ecken, die ich noch nicht kannte, vorweg aber wollte sie mir James vorstellen. Der Hof besaß, dafür, dass er nur für eine Person gedacht war, eine gigantische Größe. Es gab zwei Longierzirkel, eine große Halle, an die Links und rechts zwei Stalltrakte angereiht waren, sowie eine kleine Halle. Dann gab es noch den Hauptstall, in dem größtenteils James Turnierpferde untergebracht waren. Zusätzlich dazu, gab es noch zwei Springplätze mit Flutlicht, einen Parkplatz und große Weiden. Auf einer war zusätzlich ein kleiner See, angrenzend an all dies stand das Herrenhaus der Familie Casey.

Gleich, als wir den ersten Stall betraten, begegneten wir James, den wir gerade mit ziemlich mieser Laune erwischten. Er musterte uns abfällig um dann zu sagen, „ob du es länger aushältst, als die Pflegerin vor dir wage ich zu bezweifeln." Ein weiterer Grund es länger auszuhalten, nur um ihn zu provozieren, „mein Vertrag geht bis Ende März 2017, eher wirst du mich, von meiner Seite aus, nicht los." Gegen eine Kündigung war ich machtlos, wenigstens hatte ich den Vertrag mit seinen Eltern geschlossen.

„Ist das eine Drohung oder ein Versprechen?" In seinen Augen war deutlich zu lesen, dass er mir kein Wort glaubte.

„Beides." Sein großes Glück bestand darin, dass er Geld hatte, zugegeben, gut reiten konnte er auch, unter normalen Umständen hätte er es sich nicht erlauben dürfen, so mit seinem Personal umzugehen. Ehrlich gesagt, verstand ich auch nicht wirklich, was Lexy an ihm fand, er war weder besonders hübsch noch besonders nett. Er sah fast ein bisschen britisch aus, hatte leichte Sommersprossen auf dem Gesicht und ziemlich blaue Augen, seine Lippen waren relativ schmal, wobei seine Unterlippe etwas dicker war, entweder kaute er oft darauf herum, oder er hatte eine verpasst bekommen, seine Nase war eigentlich ganz okay, zumindest passte sie in sein schmales Gesicht, das umrahmt von leichten Segelohren war.

Ohne ein weiteres Wort an uns zu verlieren, ließ er uns stehen, ungläubig sah Lexy ihm hinter her, „er hat es bestimmt nicht so gemeint.", versuchte sie ihn gleich wieder in Schutz zu nehmen.

„Ich habe es aber erst gemeint, du wirst mich auch so schnell nicht wieder los.", grinste ich, doch wurde mir durchaus bewusst, was für ein hartes Jahr dieses werden würde.

„Hoffentlich, die letzten drei haben es nicht mal zwei Monate hier ausgehalten.", seufzte sie und führte mich zu einem Pferd, an dessen Box ein Namensschild angebracht war auf dem C'est Party stand. Ein hübscher dunkler Fuchs streckte uns seinen Kopf entgegen, ich nahm an, es war der Fuchs, den wir vorhin durch mein Fenster beobachteten, ich streichelte ihm sanft über seine Nüstern, „das ist James bestes Pferd.", erklärte mir Lexy.

„Genau deshalb lässt du auch die Finger von ihm." James war wieder hinter uns aufgetaucht, erschrocken zog ich meine Hand zurück.

„Und wie soll das bitte gehen? Ich bin dein Pfleger?", konterte ich, nachdem ich den Schock überwunden hatte.

„Um meine zwei besten Pferde kümmert sich Lexy, damit das klar ist, du kümmerst dich um den Rest." Herrje, was war den nur mit diesem Menschen los? Wenn er keinen anderen Pfleger als seine Lexy will, warum stellen seine Eltern dann einen Weiteren ein?

„Und dann Lexy mal krank ist, machst du dir dein Pferd selber fertig?" Aus irgendeinem Grund, konnte ich mir nicht vorstellen, dass James sich seine Pferde selbst fertig machen konnte, ob er wohl wusste, wie man ein Pferd sattelt, oder gar bandagiert, oder trenst? Damit hatte ich ihn ein bisschen aus seinem Konzept gebracht, nach kurzem stocken antwortete er mir, ‚‚ Lexy wird nicht krank!" Na dann hofften wir mal das Beste für ihn. Und schon war er wieder verschwunden.

Reiter hatten im Allgemeinen alle einen an der Klatsche, aber dieser übertraf sämtliche bei weitem. Seitdem ich 16 war, half ich schon in verschiedenen Ställen, aber so etwas ist mir mit meinen nun 19 Jahren auch noch nicht passiert, dass ich als Pflegerin einige Pferde nicht anfassen durfte. Nachdem Lexy mir gezeigt hatte, welche Pferde ich betreuen sollte und wo ich alles für diese Pferde fand, gingen wir zurück in unser Häuschen. Ich hatte sie nicht mehr weiter nach James gefragt, da ich befürchtete er würde wieder einfach so hinter uns auftauchen. Erst als die Türe hinter mir ins Schloss gefallen war, fragte ich sie, ist der zu allen neuen Pflegern so?" Lexy schüttelte energisch den Kopf, „den ersten Tag ist er eigentlich immer nett zu allen geworden, blöde Kommentare gab er erst, wenn sie Fehler gemacht haben." Sehr gut, ich war schon vor meinem ersten Arbeitstag unbeliebt.

Wir aßen gemeinsam zu Abend, bis ich mich zurück in mein Zimmer zog um meine restlichen Sachen auszupacken und einzuräumen. Außerdem musste ich meiner besten Freundin schreiben, was für ein Ekelpaket dieser James war, sie antwortete prompt, dass ich gleich wieder kündigen sollte und zurück in ihren Stall kommen sollte. Aber das wollte ich auf keinen Fall, ich wollte all die großen Turnier besuchen, die ich bisher nur im Fernsehen gesehen hatte, nicht nur auf ein internationales Turnier im Jahr fahren, so wie es mein vorheriger Chef getan hatte. Jedes Wochenende woanders sein, auch wenn es anstrengend werden würde, aber genau das wollte ich.

Wer braucht schon einen Springreiter?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt