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F L O R A | 1 2 . 0 5 . 2 0 1 6

Nachdem wir die letzten Wochenenden alle samt im Ausland verbrachten, sollten wir heute zu einem großen Turnier in Deutschland fahren. Diesmal saß James persönlich am Steuer. Was mich davon abhielt mit Lexy das Projekt ‚Lexy mit James verkuppeln' zu besprechen.

„Warum fährst du nicht wie sonst mit deiner Freundin und deinen Eltern?", fragte ich ihn, als es anfing mir langweilig zu werden.

„Darum.", antwortete er und sah weiterhin stur gerade aus, obwohl ich meinte, dass sich seine Hände fester um das Lenkrad klammerten. Da hatte heute mal wieder jemand unglaublich gute Laune. Hoffentlich zog sie sich nicht das ganze Turnier über durch.

Per WhatsApp schrieb mir Lexy, dass sie glaubte ihn bedrückt irgendetwas. Möglicherweise hatte ihn Nici heute Nacht nicht ran gelassen. Dennoch antwortete ich ihr mit einem Smiley, dass ich ihr Recht gab. Schon die Tatsache, dass er sich freiwillig mit mir in einen LKW setzte, ließ mich stutzig werden.

„Hasilein, was ist denn los?", veräppelte ich ihn in einer ziemlich hohen Stimme, doch er gab keine Antwort auf meine Frage. Oje, da musste der Haussegen wirklich schief hängen, wenn er sich nicht mal mehr mit mir anlegte. Das war fast ein bisschen beängstigend.

Nach gut drei Stunden fahrt waren wir an unserem Zielort angelangt, dort überraschte mich James erneut, er half uns die Pferde auszuladen und fuhr seinen Sattelschrank persönlich vor die Box. Nun machte ich mir fast schon Sorgen. Ich erleichtert durch, als ich bewusst Party streichelte und er mich gleich anschmutzte, weshalb ich das Pferd anfassen musste.

James wollte heute keines der Pferde mehr reiten, deswegen hatten Lexy und ich Zeit uns umzusehen, bevor wir die Tiere am Abend eine Runde spazieren führten. Wir trafen auf einige bekannte Gesichter, mit denen wir uns kurz unterhielten. Bis mir eine Blondine auffiel, die über einen der Springreiter herfiel.

„Schau mal, ist das nicht Blondi.", fragte ich Lexy, die mit dem Rücken zu den beiden stand. Sie drehte sich um und brauchte einen Moment um zu begreifen was da vor sich ging, „sieht so aus, meinst du James hatte deshalb schlechte Laune?"

„Wahrscheinlich! Aber das ist doch perfekt, jetzt kannst du ihn darüber hinweg trösten.", freute ich mich für sie. Niemals hätte ich gedacht, dass es mit den beiden so schnell Berg ab ging, wo sie sich überall auffraßen. Ich hätte bereits stutzig werden müssen, als James bei uns vor der Haustüre stand, anstatt bei seiner Freundin zu sein.

„Wer hätte gedacht, dass das Glück auf meiner Seite ist, ich werde ihn sofort suchen gehen." Sie wollte los laufen, doch ich hielt sie zurück, „stop, stop, stop, du kannst doch jetzt nicht auf ihn zu laufen und ihn direkt darauf ansprechen, du musst das heute Abend machen, wenn er alleine oder betrunken ist." Ich glaubte kaum, dass er sich alleine in seinen LKW zurück ziehen würde, wenn all seine Freunde hier waren.

„Hm, da könntest du recht haben.", überlegte sie, „wollen wir ihn trotzdem suchen gehen?" Bitte nicht, ich wollte so wenig Zeit wie möglich mit ihm verbringen, gerade jetzt wo er so schlechte Laune hatte, trotzdem gab ich nach, „von mir aus."

Als wir los laufen wollten, watschelte Blondi zu uns herüber, „Lexy, von mir aus kannst du James jetzt haben, er ist frei wie ein Vogel. Aber freu dich nicht zu früh auf ihn, so toll ist er nun wirklich nicht."

„Das ist ja nett, dass du ihr die Erlaubnis gibst, James besitzen zu dürfen." Was bildete die sich eigentlich ein, als wäre James ihr persönlicher Besitz gewesen.

Doch sie grinste nur herrisch, „ja, so bin ich nun mal, ich teile gerne Dinge, die ich nicht mehr brauche." Himmel, so eine wie sie hatte nicht einmal James verdient. Lexy konnte gar nichts dazu sagen, ihr Mund stand zwar offen, aber es kam nichts heraus.

„Pff, wie kann sie nur so dumm sein und ihn gehen lassen? Mit ihm hatte sie das große los gezogen." Nachdem uns Blondi wieder verlassen hatte, fand Lexy ihre Stimme wieder. Na ja, ob man mit ihm wirklich das große los zog, wagte ich zu bezweifeln, aber solange Lexy glücklich mit ihm wurde, war mir das nur recht.

Als wir das Stallzelt betraten, stand James bei Party und er sah nicht gut aus, sicherlich hatte er dasselbe gesehen wie wir. Erst überlegte ich mir ihm einen blöden Spruch zu sagen, ließ es lieber bleiben und schob stattdessen Lexy vor, die erst einmal vollkommen überfordert schien mit dieser Situation.

„Ich weiß James, normalerweise führst du deine Pferde nicht spazieren, aber vielleicht gehst du zusammen mit Lexy die Führen, die ich nicht anfassen darf.", schlug ich den beiden vor. Er war so niedergeschlagen, dass er tatsächlich das machte, was ich ihm sagte, eine ganz neue Erfahrung für mich.

Die beiden waren ziemlich lange unterwegs gewesen, was mich für Lexy sehr freute, auch wenn ich mich dadurch nun etwas langweilte. Es gab noch nicht viel zu misten. Dennoch lag nicht das erwartete strahlen auf ihrem Gesicht, nachdem die zwei zurückkamen.

„Was ist los? Warum schaut ihr jetzt beide so bedrückt?", fragte ich und zog das Pferd heraus, welches ich anfassen durfte, damit es ebenfalls etwas Schritt gehen konnte. James drehte sich zu Lexy um, als hätte er nicht mitbekommen, dass sie ebenfalls bedrückt war. Hatte er wahrscheinlich auch nicht.

Da sich Lexy umdrehte und James zu mir sah, gab ich ihm mit meinen Augen und einer Kopfbewegung in ihre Richtung, ein Zeichen, dass er sich gefälligst um sie kümmern sollte. Er riss die Augen auf und tippte sich mit dem Finger an den Kopf, um mir den Vogel zu zeigen.

„Warum nicht?", formte ich lautlos mit meinen Lippen. Sicherlich konnte man Lexy nicht mit dem Blondi vergleichen, aber Lexy besaß einen guten Charakter. Er kam nicht mehr dazu, mir zu antworten, denn Lexy hatte sich wieder umgedreht.

„Ihr verderbt mir jetzt aber bitte nicht das Wochenende mit euer schlechten Laune." Ich hatte keine Lust mir von zwei Seiten Gejammer anzuhören, wenn ich mir nicht mit Lexy den Anhänger teilen müsste, wäre ich den beiden einfach weiträumig aus dem Weg gegangen.

Lexy zog beleidigt davon, James murmelte etwas Unverständliches und haute ebenfalls ab. So waren Kiwi und ich alleine, was aber besser war als zwei schlecht gelaunte spätpubertierende Halberwachsene. Langsam begann die Sonne unter zu gehen, trotzdem genoss ich die letzten warmen Abendstunden mit dem Pferd an meiner Seite. Es könnte alles so schön sein, wenn alles beim alten geblieben wäre, Lexy hätte weiterhin für James geschwärmt und James wäre wie auf jeden Turnier kaum zu sehen gewesen.

Wer braucht schon einen Springreiter?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt