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F L O R A | 0 3 . 0 5 . 2 0 1 6

Heute bekamen wir Besuch von Blondis Bruder. Mittlerweile hatte man mir ihren Namen verraten, er lautete Nici, trotzdem für mich war sie weiterhin Blondi.

Ich musste zugeben, dass Greg - er hatte sich wenigstens gleich vorgestellt - wirklich ein hübsches Bürschchen war. Seidig glänzendes blondes Haar, intensive smaragdgrüne Augen, schmale Lippen, muskulös gebaut, leider mit der Intelligenz einer Tomate ausgestattet, mit schlechten Sprüchen à la ich habe Hunger, darf ich dich vernaschen? Oder ich bin vom TÜV, darf ich deine Hupen testen? Als ich auf keine seiner Aussagen reagierte, probierte er das gleiche bei den anderen Pflegerinnen.

Die Suche nach einem Nachwuchspferd war der Grund für sein Kommen. Nachdem er das Pferd erst in der Box begutachtet hatte, holte ich die Stute zum putzen heraus, „muss die das Pferd fertig machen, hast du nicht noch eine andere Pflegerin?", maulte Greg. Noch bevor irgendeiner antworten konnte, lächelte ich ihn an und drückte ihm die Bürste in die Hand, „tu dir keinen Zwang an, du darfst das gerne selbst machen, leider sind die anderen alle beschäftigt."

Greg war so perplex, dass er nach der Bürste griff und anfing das Pferd zu putzen. Was er nicht wusste, dass Darina an manchen Stellen kitzelig war. Er fing genau an einer dieser Stellen an zu bürsten. Nur um ein Haar verpasste sie ihn, als sie herumfuhr um ihn zu zwicken.

„Ist die beim reiten auch so blöd?" Ohne mich direkt anzuschauen, gab er mir die Bürste zurück und wand sich wieder an James.

„Wenn du sie richtig reitest, nicht.", antwortete James ernst, oh oh, ich glaubte, es war ein Fehler, was ich da eben tat, jetzt war James ein weiteres Mal stinkig.

„Dann habe ich nichts zu befürchten.", erklärte Greg großkotzig. An Selbstbewusstsein fehlte es ihm bestimmt nicht. Schweigend machte ich die Stute fertig, um sie auf den Springplatz zu bringen.

„Meinst du, ich könnte James mit Greg eifersüchtig machen?" Lexy war neben mich getreten. Hm, konnte sie das? Soweit ich das beurteilen konnte, war James glücklich mit seiner Blondine.

„Ich an deiner Stelle würde mich gar nicht erst auf Greg einlassen.", versuchte ich das Ganze schön zu umschreiben.

„Hm... Da hast du auch wieder recht.", überlegte sie laut.

Als wir Greg zuschauten, wie er seine Runden drehte, wurde mir wieder bewusst, wie gut James eigentlich ritt. Zugleich wie selten er damit angab, im Gegensatz zu Greg, der um Klassen schlechter ritt, aber sich in den Himmel lobte.

Es kam, wie es kommen musste, Greg kam ganz und gar nicht mit dem Pferd zurecht. Zum Schluss musste James sich nochmal auf sie setzten, da sie so durch den Wind war. James lobte die Stute ein letztes Mal, beendete die Korrektur und gab uns ein Zeichen, dass wir sie mitnehmen konnten.

„Das liegt nur an deiner Unfähigen Pflegerin.", maulte Greg.

„Rede nicht so über sie! Nur weil du Unfähig bist richtig zu reiten." Ich konnte nicht sagen, wer von uns verdutzter schaute, „wenn einer sie schlecht macht, dann bin ich das!", fügte er noch mit Nachdruck hinzu. Da bin ich beruhigt, für einen Moment dachte ich schon, er würde mich tatsächlich verteidigen.

Die anderen sahen ihn fassungslos an, „hörst du dir eigentlich zu, wenn du sprichst?" Greg hatte als erstes seine Stimme wieder gefunden.

„Schatz, du weißt doch, Flora hat manchmal eine schlechte Einwirkung auf die Pferde. Deswegen darf sie doch nicht deine besten Pferde anfassen, hast du das schon vergessen?", säuselte Blondi.

„Ich glaube deine hohe Stimme ist schädlicher für die Pferde." Endlich konnte Lexy das tuten, was sie schon immer machen wollte, etwas gegen Blondi sagen.

„Pff, ihr seid doch beide bloß eifersüchtig." Sollte ich ihr darauf wirklich wieder eine Antwort geben? Das Thema hatten wir doch erst.

„Ich bin weder auf dich eifersüchtig, noch auf Greg neidisch.", erklärte ich lahm, auch um ein bisschen von Lexy abzulenken.

„Du vielleicht nicht, aber Lexy." Damit hatte Blondi einen wunden Punkt bei Lexy getroffen. Eigentlich wollte ich gerade Lexy verteidigen. Doch James kam mir zuvor, „wie dem auch sei, ihr zwei bringt jetzt Darina zurück und wir machen uns einen schönen Nachmittag.", gab uns James die Anweisung, legte Blondi den Arm um die Schulter und zu dritt liefen sie in Richtung Haupthaus.

Schweigend schlenderten Lexy und ich zurück in den Stall, „ist es wirklich für jeden so offensichtlich, wie gerne ich James mag?", fragte sie mich, während sie der Stute das Halfter anlegte.

„Ich würde dir gerne etwas anderes sagen, aber ja." Sie tat mir wirklich Leid, es ist nie schön in den Falschen verliebt zu sein, hingegen in Jemanden verliebt zu sein, der bereits glücklich vergeben ist, war die reinste Katastrophe.

„Mist!", fluchte sie.

„Weißt du was, am Nächsten Turnier suchen wir dir einen neuen, irgendeiner wird dir schon gefallen.", grinste ich, „jemand der nicht so einen Miesepeter ist wie James.", fügte ich hinzu. Wirklich in der vergangenen Zeit hatte ich Lexy ziemlich lieb gewonnen und wünschte ihr jemanden, der nur Augen für sie hatte.

„Aber keiner ist so wie James.", jammerte sie. Stimmt, andere waren weniger launisch.

„Da hast du recht, die sind bestimmt besser als er.", stimmte ich ihr zu, leider schien sie davon wenig überzeugt zu sein. Sie wollte ihn und keinen Anderen. Da stand uns noch ein schweres Stück arbeit bevor.

„Hast du eigentlich einen Freund oder bist du verliebt?", frage sie mich, unterdessen wir alles aufräumten und uns beide die letzten Pferde zum Longieren holten.

„Weder noch, ein Freund passt nicht in meine aktuelle Lebensplanung, genauso wie mich zu verlieben." Das ich mich einmal Hals über Kopf in jemanden verlieben würde, von dem ich es am wenigsten gedacht hatte, konnte ich zu diesem Zeitpunkt nicht ahnen.

„Du hast gut reden, meinst du, ich habe mich mit Absicht in ihn verliebt?" Mir war es schleierhaft, wie man sich überhaupt in einen wie James verlieben konnte.

„Natürlich glaube ich das, deine Hormone hatten das von Anfang an geplant.", grinste ich sie über mein Pferd hinweg an.

„Du hast es erfasst, ich habe schon probiert sie in Alkohol zu ertränken, aber diese Idioten können schwimmen.", seufzte sie theatralisch, worüber wir beide lachen mussten.

Am Abend, nachdem wir alle Pferde versorgt hatten und auf dem Weg zurück zu unserem Häuschen waren erwartete uns eine Überraschung: James stand vor unserer Tür. Schlagartig verschwand meine gute Laune, die ich eben noch hatte.

„Was machst du hier?", fragte Lexy freundlich.

„Rettest du dich etwa vor Nici und ihrem Bruder?", neckte ich ihn. Er ignorierte mich und bat Lexy auf ein Gespräch mit herein zukommen. Mich ließen die beiden eiskalt stehen, ich schafft es gerade noch, durch die Türe zu schlüpfen, bevor sie geschlossen wurde. Da es mich nicht sonderlich interessierte und Lexy mir sowieso nachher alles erzählte, ging ich in mein Zimmer. Leider waren die Wände so dünn, dass ich jedes einzelne Wort klar und deutlich verstand.

„Ich wollte mich eigentlich nur kurz für Nici entschuldigen!" Ich fasse es nicht, mich macht ihr blöder Bruder rund und sie bekommt eine Entschuldigung, nur weil Nici gesagt hatte, sie wäre eifersüchtig?

„Ach, das macht doch nichts." Ihre Unsicherheit überspielte sie mit einem leichten kichern. War sie immer so, wenn sie mit ihm alleine war? Schrecklich, dagegen mussten wir dringend etwas unternehmen, entweder die beiden nicht mehr alleine lassen, oder ihr ein bisschen mehr Selbstbewusstsein geben.

Eigentlich wollte ich ihr jemand anderen Suchen gehen, aber die Idee die beiden miteinander zu verkuppeln klang irgendwie auch nicht ganz schlecht. Vielleicht würde seine ewige schlechte Laune endlich ein Ende haben.

Wer braucht schon einen Springreiter?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt