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F L O R A | 1 3 . 0 5 . 2 0 1 6

„Flora! Lexy! Wacht auf! Ihr habt verschlafen!", hämmerte jemand gegen die Türe unseres Anhängers. Müde nahm ich mein Handy in die Hand und überprüfte die Uhrzeit 04:30 standen die weißen Ziffern über meinem Hintergrundbild, das Kiwi und mich zeigte. „Nein, du hast dich um eine Stunde vertan, wir haben erst vier Uhr dreißig.", rief ich nach draußen zurück. James allerdings glaubte mir das nicht, er schloss mit seinem Hauptschlüssel die Türe von außen auf und knipste das Licht an. „Aufstehen habe ich gesagt!" Lexy die über mir lag, warf ein Kissen nach ihm, er fing es auf und pfefferte zurück.

„James, was ist den los? Kannst du nicht bitte wieder in dein Bett gehen?" Es wurde Zeit, dass er wieder eine Freundin hatte oder sich mit Lexy vergnügte, dieden ganzen Abend nicht mehr mit mir gesprochen hatte, warum wusste ich leider nicht.

„Nein, jetzt bin ich eh wach, da kann ich auch bei euch bleiben, Lexy, erzähle mir doch was Schönes." Ich drehte mich um und beschloss alles, um mich herum, zu ignorieren.

Als Lexy ihm nicht antwortete, setzte er sich frech neben mich auf das Minibett und schaltete den Fernseher an. Was war gestern nur passiert, das Lexy mit keinem von uns beiden mehr ein Wort redete? So konnte ich noch eine halbe Stunde liegen bleiben, bis ich mich endlich aufraffte aufzustehen.

„Ziehst du dich etwa vor mir aus?", fragte James entgeistert.

„Nein! Natürlich nicht, wenn du hier bist, mache ich mich im LKW fertig." Schnell raffte ich meine Sachen zusammen und ging von unserem Anhänger in den LKW, dort sah es aus, als hatte eine Bombe eingeschlagen.

Ich hoffte für ihn, dass er gestern Besuch von seinen Kumpels hatte, denn wenn er so viel Alkohol Alleine trank, war es ein Wunder, das er überhaupt noch lebte. Nachdem ich mich in Rekordtempo angezogen und soweit frisch gemacht hatte, brachte ich meine Sachen zurück in den Anhänger.

Mittlerweile war Lexy ebenfalls aufgestanden und saß neben James.

„Ah, sehr gut du bist fertig. Komm, lass uns gehen.", grinste James, woher kam seine plötzliche gute Laune? Lexy funkelte mich böse an. Was hatte ich ihr nur getan? Später, wenn ich nicht mehr so müde war, würde ich das Ganze klären. Jetzt schlenderte ich todmüde gemeinsam mit James in den Stall.

Schweigend gab ich den Pferden Heu, Kraftfutter und holte frisches Wasser. Unterdessen ich unterwegs war um Wasser zu holen, hatte James angefangen zu misten.

„James, willst du nicht mich misten lassen und deinen LKW aufräumen?" Ich hatte da meine Zweifel, ob ich nicht danach mehr misten musste als vorher.

„Glaubst du ich kann das nicht?", schnaubte er.

„Genau, das glaube ich!", stimmte ich ihm zu.

Zu meiner Übertragung konnte James tatsächlich misten, „sehr gut,dann kannst du das ab sofort übernehmen, wenn du nicht mehr schlafen kannst, anstatt uns zu wecken.", pflaumte ich ihn an. Lexy, die ebenfalls das Stallzelt betreten hatte, schien genauso verwundert wie ich zu sein.

„Der braucht uns nicht mehr, komm wir machen uns einen Kaffee.", erklärte ich ihr und schleifte sie mit in den LKW. Sie ließ sich zwar mitziehen, schwieg dennoch weiterhin.

„So, jetzt raus mit der Sprache, was ist los?" Ich stellte ihr den Kaffee vor die Nase und wartete auf eine Antwort.

„Er hat gestern nur von dir gesprochen, er hat sich die ganze Zeit über dich aufgeregt.", gab Lexy zu. Ja und wo genau lag jetzt ihr Problem? Schlimmer war es doch, wenn er pausenlos von mir schwärmte.

„Und warum hast du nicht einfach mit ihm zusammen über mich geschimpft? So hättet ihr ein gemeinsames Thema gehabt."

„Ich habe es versucht.", sagte sie ohne mich dabei anzusehen, „aber er hat mich einfach ignoriert, weil eine andere Blondine angelaufen kam." Ich musste mir ein Lachen verkneifen, wegen einer Blondine sprach sie mit mir den ganzen Abend nicht? Das war schon ziemlich kindisch, oder nicht?

„Du bist doch auch blond, ich versteh gar nicht warum ihr nicht schon längst ein Paar seid?", erklärte ich ihr, obwohl ich einfach fand, dass sie nicht zusammen passten. Charaktermäßig, sie hatte meist gute Laune und war ein Sonnenschein, James dagegen mit seiner ständigen schlechten Laune, obwohl, Gegensätze zogen sich bekanntlich an.

„Ja, wenn es nach mir ginge, wären wir schon seit drei Jahren ein paar.", antwortete sie pampig. Ich beschloss das Thema fallen zu lassen. Sie auf andere Gedanken zu bringen war sinnvoller. Doch es gelang mir nicht, nachdem wir unseren Kaffee ziemlich ausgetrunken hatten, fragte sie mich, „ich glaube, das wird niemals was zwischen uns beiden, oder?" Gerne hätte ich ihr Hoffnungen gemacht, dennoch schüttelte ich den Kopf, „ich denke leider nicht, obwohl ich es dir so sehr wünsche.", erklärte ich ihr traurig.

„Ach, was solls, es gibt so viele gut aussehende Reiter hier, da werde ich schon einen finden.", lachte sie und stand auf. Verblüfft über ihre schlagartig gute Laune, folgte ich ihr zurück in den Stall. Mittlerweile war es halb sieben und wir konnten die ersten Pferde aus der Box nehmen, damit sie sich die Beine vertraten.

Wir hätten das nicht machen sollen. Party, James bestes Pferd schlenderte brav neben Lexy her, während sie sich angeregt mit einem weiteren Pfleger unterhielt, der ebenfalls an diesem Morgen sein Pferd spazieren führte. Ich hatte mich mit Kiwi ein bisschen zurück fallen lassen, dabei konnte die beiden Pferde vor mir gut beobachten. Die Stute des anderen Pflegers, giftete immer mal wieder Party an, trotzdem machte ich mir keine Gedanken.

Bis die Stute mit einem Mal stehen blieb. Sie drehte ihren Hintern in Richtung von Party und schlug gezielt aus. Party hatte zwar versucht sich weg zu drehen, wurde trotzdem erwischt. Lexy schrie, während der andere Pfleger sein Pferd schimpfte. Das alles spielte sich in wenigen Sekunden ab. Ich brauchte ein wenig bis ich realisiere, was da eben passiert war.

James, der mutmaßlich unmittelbar in der Nähe war, kam angerannt, gefolgt von ein paar zusätzlichen Reitern, „was ist passiert?", fragt er Lexy, die völlig regungslos neben dem Fuchs stand. In Kurzform erzählte ich ihm, was soeben geschah. Party zog bei der leichtesten Berührung das Bein weg. Mist! Das sah nicht gut aus. Irgendeiner war so schlau und hatte sofort den Turniertierarzt gerufen, der zeitnah angelaufen kam.

Ich hatte mich abseits hinter Lexy platziert, deshalb bekam ich nicht gleich alles mit, was der Tierarzt sagte, anscheinend war nichts gebrochen, dennoch lahmte er beim Vortraben. Party bekam ein Schmerzmittel und wir sollten das getroffene Bein kühlen. Unsanft riss James Lexy den Strick aus der Hand, „gib her ich mach das selbst."

Man konnte deutlich sehen, dass Lexy mit den Tränen kämpfte, deshalb legte ich meinen Arm um sie. Schweigend brachten wir Kiwi in die Box, damit ich sie komplett in den Arm nehmen konnte. Sogleich fing sie bitterlich das Weinen an. Da ich mit dieser Situation ebenso ein bisschen überfordert war, tätschelte ich ihr unbeholfen über den Rücken, „bestimmt ist morgen alles wieder gut.", flüsterte ich.

Wir wussten allerdings beide, dass es eine Zeitlang dauern wird, bis Party wieder fit sein würde. James, der nach einiger Zeit Party in die Box gbrachte, erweckte ebenfalls den Eindruck, als wollte er gleich losheulen. Sollte ich ihn auch in den Arm nehmen?

Den ganzen Tag über war die Stimmung weiterhin bedrückt. Was ich verstand, allerdings war ich diejenige, die alle Pferde am Abend versorgte, da ich die anderen beiden auf die Party schickte, damit sie auf bessere Gedanken kamen.

Wer braucht schon einen Springreiter?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt