F L O R A | 2 0 . 0 5 . 2 0 1 6
Die ganze Woche über hat James mir vor allem aufgetragen, Pferde zu longieren. Party sollte im Schritt geführt werden, deshalb hatte ich ihn kaum zu Gesicht bekommen. Erst dachte ich, es wäre gut etwas Abstand zu bekommen. Indessen merkte ich schon nach den ersten zwei Tagen, wie er mir fehlte. Ertappte mich dabei, wie ich mich während des longierens manchmal mehr auf den Springplatz, auf dem er ritt konzentrierte als auf das Pferd an der Longe.
Es war Freitag, ein Turnierfreies Wochenende stand bevor, Lexy hatte heute ebenfalls frei bekommen und fuhr zu Logan, um ihn zu besuchen, also war ich alleine in unserer Wohnung. Für einen kleinen Moment dachte ich mir einen Wein zu kaufen und mich vor den Fernseher zu setzten um alle schnulzigen Liebesfilme, die Lexy da hatte, anzusehen.
Stattdessen machte ich etwas viel verrückteres gegen acht Uhr, als mir genügend Mut zugeredet hatte, möglicherweise mit ein bisschen Hilfe von Wein. Klingelte ich an der Haustüre der Familie Casey, noch nie zuvor hatte ich ihr Herrenhaus von innen gesehen. Frau Casey öffnete mir die Türe, „oh, hallo Flora, ist etwas passiert?", fragt sie mit besorgten Ausdruck in ihren Augen. Ja, ich habe mich in ihren Sohn verliebt und jetzt vermisse ich ihn schrecklich.
„Nein, nein. Ich wollte nur fragen, ob James zuhause ist." Ihr Gesicht erhellte sich, „klar, er ist oben. Allerdings hat er mal wieder ziemlich schlechte Laune, schon die ganze Woche über, vielleicht kannst du ihn ja ein bisschen umstimmen." Sie bat mich herein und zeigte mir den Weg zu James, der ein ganzes Stockwerk für sich hatte. Ich bedankte mich bei ihr und klopfte an der Tür, hinter der ich leise Musik laufen hörte.
„Ja?", rief er genervt. Ziemlich langsam öffnete ich die Türe und trat herein. Er lief schon wieder mit nacktem Oberkörper herum, dieser Anblick machte es mir nicht leicht ihm in die Augen zu schauen. Rasch zog er sich ein T-Shirt über, „was machst du hier?", fragte er, nachdem er den ersten Schock überwunden hatte, mich bei ihm zu sehen. Röte stieg mir ins Gesicht, als ich bemerkte, dass ich in sein Schlafzimmer gelaufen war.
„James, ich... Ich..." Hilfe, wie sollte ich ihm das jetzt am besten erklären, ohne als Groupie abgestempelt zu werden?
„Was?", harkte er forsch nach.
„Ich vermisse dich!", nervös senkte ich den Blick auf meine Füße und musste feststellen, dass ich in der Aufregung nach dem Duschen zwei unterschiedliche Socken angezogen hatte.
Er schnaubte, „wie kannst du mich vermissen, wenn du mich überhaupt nicht kennst? Du weißt nichts über mich." Mir war bewusst, wie gut er küssen konnte, das war vollkommen ausreichend. Wenn ich so darüber nachdachte, kannte ich ihn wirklich recht wenig, doch genug, um zu wissen, dass es ohne ihn irgendwie so leer ist.
Seine Unterlippe war wieder ganz schön dick, was bedeutete, er hatte wieder darauf herum gekaut, das machte er immer, wenn ihn etwas bedrückte. Seine Ringe unter den Augen, zeigten mir, dass er aus einem Grund nicht hatte gut schlafen können. Seine blauen Augen selbst, waren hart wie immer.
„Dann vermisse ich eben den Teil, den ich letzte Woche kennen gelernt habe.", versuchte ich es, war es denn wirklich für ihn so bedeutungslos gewesen?
„Du weißt schon, dass ich betrunken war?" Ja, dieses kleine Detail hatte ich versucht aus meinem Kopf zu verdrängen. War es denn nicht so, dass kleine Kinder und betrunkene immer die Wahrheit sagten? Allerdings war er auch betrunken als er mich wegschickte, vielleicht sollte ich einfach wieder gehen.
„Ja, stimmt, du hast recht, tut mir Leid, ich werde dich nicht länger stören." Was hatte ich mir eingebildet, in sein Schlafzimmer zu platzen? Er sah mich ernst an und nickte. Ich wusste nicht mehr, warum ich das machte - es lag bestimmt am Alkohol. Oder möglicherweise daran, dass meine Hormone mit mir durch gegangen waren, lief ich in schnellen Schritten auf ihn zu und küsste ihn. Er war so überrascht, dass er zunächst meinen Kuss erwiderte, bevor er mich wieder sanft von ihm schob.
„Flora, bitte, hör auf damit!", hörte ich ihn aus weiter Ferne sagen, denn mein Gehirn setzte selbst nach so einem flüchtigen Kuss wie diesem aus.
„Womit soll ich aufhören, etwa damit?" Wieder berührten meine Lippen seine, diesmal dauerte es einen Moment länger bis er mich erneut wegschob, „ja genau! Das führt nur zu gebrochenen Herzen.", seufzte er und fast konnte ich wieder ein Lächeln in seinen Mundwinkeln entdecken.
„Nicht, wenn bis ans Ende unserer Tage zusammen leben.", kicherte ich und musste an die Filme von Lexy denken. Sogleich verschwand James Lächeln wieder und er seine Mine wurde wieder ernst.
„Das hier ist aber die Realität und du bist keine Prinzessin." Mir war kurz davor zu sagen, deshalb habe ich an Fasching auch immer Peter Pan gespielt, ließ es aber lieber bleiben.
„Wie du gerade eben sehr gut bemerkt hast, kennen wir beide uns recht wenig woher willst du denn wissen, dass ich keine Prinzessin bin?", grinste ich ihn frech an. Er atmete tief durch, „Flora, selbst wenn du eine Prinzessin wärst, wäre ich nicht dein Prinz, mein bestes Pferd ist ein Fuchs und kein Schimmel." Okay, er stand einfach nicht auf mich, vielleicht sollte ich mich ganz schnell an diesen Gedanken gewöhnen.
Konnten wir uns nicht trotzdem küssen? Als hätte er meine Gedanken gelesen, ging er wieder ein Stück auf mich zu.
„Du solltest in dein Häuschen gehen, du bist ziemlich betrunken, ich habe den Wein auf deinen Lippen schmecken können."
„Aber Lexy ist nicht da und ich habe Angst alleine." Diese Lippen sahen einfach so aus, als ob sie von mir geküsst werden wollten.
„Du kannst unsere Hofkatze mitnehmen, die wird dich schon beschützen." Hätte mich jemand vor zwei Wochen gefragt, ob ich lieber eine Nacht mit der Katze oder James verbringen möchte, hätte ich zweifelsohne die Katze gewählt.
„Ich gehe nur, wenn du mich noch einmal küsst." Demonstrativ verschränkte ich die Arme vor meiner Brust.
„Nein, das werde ich nicht machen. Verstehst du es nicht? Ich mag dich, aber eben nur als meine Pflegerin, mehr nicht." Ich hätte meine Gefühle gleich im Keim ersticken sollen, dann würde es jetzt nicht so weh tun.
„Das hättest du dir vielleicht überlegen sollen, bevor du mich geküsst hast.", schluckte ich. Anschließend drehte ich mich auf dem Absatz herum, um kurz vor der Türe noch einmal stehen zu bleiben.
„Du hast Angst, dass dein Herz gebrochen wird, aber die Herzen anderer Menschen sind dir wohl egal."
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Wer braucht schon einen Springreiter?
Ngẫu nhiênEigentlich hat Flora ihren Traumjob gefunden, Pfleger bei einem der erfolgreichsten Reiter Europas zu sein, mit seinen zwanzig Jahren fliegt James von einem Erfolg zum nächsten. Nun soll Flora ihn zu all diesen Turnieren begleiten und sich um seine...