Erkenntnis

1.9K 71 3
                                    

Ich bleibe stehen, während das Fellknäuel endlich sein Geschäft macht und lobe das Tier dafür, wie der Züchter es empfohlen hat. Ich stehe auf der Straße und rede mit einem Hund. Was hat dazu geführt? Auf einmal wird es mir klar.

Ich liebe Ted! Es ist so einfach, Ted ist der wichtigste Mensch in meinem Leben geworden, er ist mein Sohn!

Zuvor hatte ich immer angenommen, ich wäre nicht in der Lage zu lieben, aber Ana hat mir bewiesen, dass es durchaus möglich ist. Wie hätte ich sonst den Schmerz über ihren Verlust, oder die letzten sieben Jahre erklären sollen? Ohne sie war ich verloren. Aber ich habe mich ihrer Liebe nie würdig gefühlt.

Aber seit Ted da ist, habe ich gar keine Zeit mehr gehabt, nachzudenken. Er bringt Farbe in mein Leben, Licht und Wärme. Und das, obwohl er mich die meiste Zeit eher demoralisiert und mir auf seine Art zeigt, wie lebensuntauglich ich doch in bestimmten Bereichen bin.

Trotzdem habe ich nie wirklich die Beherrschung verloren oder ihm absichtlich weh getan, und mir wird klar, dass ich durchaus einen anderen Menschen lieben kann, ohne ihn gleich zu zerstören.

Auch Kinder wollte ich nie, aber jetzt, wo ich eines habe, möchte ich mir gar nicht mehr vorstellen, wie es ohne ist. Ich vermisse im Moment nichts, nicht mal mein Spielzimmer oder kleine zierliche Brünette. Alles was ich vermisse, ist Ana... und Ted, wenn er nicht in meiner Nähe ist.

Verwirrt gehe ich mit Mr. Grinch zurück und stecke ihn wieder in sein Körbchen, wo der kleine Hund sich einrollt und liegen bleibt.

Mein Sohn schläft, Mr. Twinkle hat ganz deutlich in mir den Schuldigen für die Existenz des Hundes ausgemacht und faucht mich leise an, während er am Fußende des Bettes Ted bewacht.

Ted sieht friedlich aus und hat die Hände über dem Kopf liegen und ich kann nicht anders, ich bleibe eine ganze Weile am Bett stehen und beobachte im Lichtschein des Flures mein Kind. Er sieht mir so unglaublich ähnlich, aber die Lippen und die kleine Falte über der Stirn, die sich immer zeigt, wenn er sauer oder verärgert ist, hat er von Ana. Auch sein liebenswertes Wesen verdankt er wohl nicht mir, soviel muss ich eingestehen.

Hoffentlich kann Ana mich noch lieben, auch wenn Carla vermutet, dass es noch so ist, Fakt ist, ich habe mich über Jahre nicht gemeldet und wir kennen uns nicht sehr gut. Auch wenn ich weiß, dass ich sie liebe. Aber sie liebt unseren Sohn und sie hat ihn zur Welt gebracht. Ist das nicht ein Zeichen? Kann ich sie überzeugen, dass wir es noch einmal probieren sollten? Ich werde auf jeden Fall alles dafür tun, sobald sie wieder gesund ist.

Ich gehe in dieser Nacht noch zweimal mit Mr. Grinch raus und der kleine Hund jammert so sehr, als ich ihn am Ende ins Körbchen setze, das ich Mitleid mit ihm bekomme. Ich lasse die Tür auf, damit ich höre, was eventuell passiert und lege mich im Wohnzimmer auf die Couch, um dort zu schlafen. Nicht das noch etwas schief geht, immerhin hab ich gerade meinen Fehler mit Teds Geburtstag wieder bereinigt.

Ich werde um sechs Uhr wach und Ted steht neben mir und sieht mich missbilligend an.

„Morgen, Ted. Was ist los?"

„Warum war der Wecker aus? Und warum darfst du mit Mr. Grinch auf der Couch schlafen, aber in mein Bett darf er nicht?", werde ich gefragt, er hat die Arme vor der Brust verschränkt und ich muss grinsen.

Er sieht aus wie ein kleiner Oberlehrer auf einem Gerechtigkeitskreuzzug.

„Du musstest schlafen, Teddy, also bin ich mit Mr. Grinch raus. Und er schläft in seinem Körbchen", sage ich und setze mich auf.

Zwischen meinen Beinen starren mich zwei schwarze Knopfaugen an und strafen meine letzte Aussage Lügen.

Sogar dieses inkontinente Hundebaby untergräbt meine Autorität.

50 Shades of HopeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt