José legt den kleinen Mann über zwei Stühlen ab, auf denen eine dicke Decke liegt. Offensichtlich hat man versucht, es dem Jungen so bequem wie möglich zu machen. Allein diese Geste in diesem kargen, unpersönlichen Warteraum dieser riesigen Klinik zeigt mir, wie lange er schon alleine hier ist.
„Wie lang war er hier alleine?", frage ich leise und José deutet auf die Tür, nachdem er eine zweite Decke über die kleine Gestalt gezogen hatte. Wir verlassen den Raum.
„Zu lange. Seit gestern Nachmittag. Ich bin selbst erst heute Mittag angekommen."
José sieht älter aus, aber immer noch gut. An seiner Hand ist ein einfacher goldener Reif und ich bin fast erleichtert, als ich das sehe. Offensichtlich ist er verheiratet.
„Wie geht es Ana?", frage ich, etwas ruhiger als zuvor.
„Sie hat eine Hirnblutung, einen Riss in der Milz, mehrere Rippenbrüche, dadurch ein Loch in der Lunge und noch diverse Prellungen und Abschürfungen. Die Ärzte haben sie wegen des hohen Hirndrucks in ein Koma versetzt, um ihre Heilung zu begünstigen. Offensichtlich ist der Hirndruck stabil, sinkt aber auch nicht, was die Ärzte noch von einer Prognose abhält. Wie schwer ihre Kopfverletzungen sind und welche Auswirkungen sie haben ist noch nicht sicher."
Er schildert es ruhig, aber ich höre die Besorgnis.
„Wer ist der behandelnde Arzt?", frage ich gefasst und er verweist mich an einen Dr. Wyler.
„Christian, mein Flug geht in fünf Stunden, ich habe leider nur noch wenig Zeit. Wenn ich hierbleiben soll und mich um Ted kümmern soll, sag es. Es wäre kein Problem, ich müsste es nur wissen."
Ich schüttle den Kopf. Ich werde mich hier um alles kümmern, warum ist mir selbst nicht klar.
„José, ich habe gesagt, dass Ana und ich verlobt sind, um weniger Schwierigkeiten zu haben. Ich hoffe, du wirst das nicht torpedieren."
Er schüttelt grimmig den Kopf. Momentan geht es nur darum, Ana und Ted zu helfen. Ted. Mein Sohn. Noch immer fällt es mir schwer, diesen Gedanken wirklich zu begreifen und die Tragweite zu erfassen. Jetzt ist erst einmal wichtig, hier alles unter meine Kontrolle zu bekommen und die Fäden in die Hand zu nehmen. Ich frage die Schwester nach Dr. Wyler und lasse ihr gegenüber keinen Zweifel an meiner geringen Geduldsgrenze, während José wieder in den Warteraum geht. Nach zehn Minuten kommt tatsächlich der Arzt und sieht mich ernst an.
„Sie sind der Verlobte?"
Ich nicke und füge sicherheitshalber hinzu, dass ich auch der Vater von Ted bin. Der Arzt bittet mich, mir sterile Kleidung anzuziehen und ich vermumme mich mit dem schrecklichen Krankenhaus-Grün. Dann gehen wir durch eine Schleuse und er führt mich in ein karges Zimmer. Der Anblick, der sich mir bietet, ist schlimm. Ana liegt, an Schläuche und Monitore angeschlossen, blass und leblos, in einem Bett.
Sieben Jahre habe ich mich fern gehalten, sie vor mir geschützt und nun liegt sie hier, und kämpft ums Überleben. Ab und an hatte ich mir ein Wiedersehen mit ihr vorgestellt, aber so hatte ich es nicht im Sinn gehabt. Sie sieht so zerbrechlich aus!
„Es steht auf Messers Schneide", sagt der Arzt und sieht mich ernst an. „Ihre Verlobte hat viel Blut verloren. Sie hat ihren Sohn aus dem Weg gestoßen und beim Aufprall dadurch keinerlei Eigenschutz gehabt. Das Auto hat sie frontal erwischt. Am schlimmsten ist die Kopfverletzung. Wir hoffen, dass der Hirndruck bald sinkt. Die Operationen sind gut verlaufen, aber wir müssen abwarten. Wir konnten die Lunge stabilisieren und die Blutung der Milz stoppen, außerdem mussten wir sie einmal wiederbeleben. Bleiben sie bei ihr und reden sie mit ihr, manchmal hilft das. Vielleicht kann sie sie hören."
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50 Shades of Hope
Fiksi PenggemarSieben Jahre sind vergangen, seit Ana sich von Christian getrennt hatte und nach New York gezogen war. Er versucht immer noch über sie hinweg zu kommen, und es gelingt ihm nur mit Mühe, sich aus ihrem Leben heraus zu halten. Doch dann sorgt das Schi...