Kapitel 24 : In Gedanken
"Haben sie nun alles beisammen?" Professor McGonagall stand entnervt vor mir und meinen Koffern, die ich sorgfältig überprüfte. Ich stand mit ihr auf der großen Brücke vor dem Gelände der Schule, da nur dort die Portschlüssel funktionstüchig waren. Ich nickte betrübt. Seit dem Vorfall mit Draco hatte ich kaum ein Wort gesprochen. Es bedrückte mich schrecklich, dass er wirklich daran glaubte, ich würde ihn im Stich lassen. Gesehen hatte ich ihn danach nicht mehr, Hermine nur wenn ich nachts zu Bett ging. Die letzten Tage hatte ich mich in der Bücherei oder meinem Zimmer verschanzt und niemanden an mich ran gelassen. Zum Unterricht musste ich nicht mehr gehen. Es wäre unnütz gewesen, hatte Professor Snape gesagt.
Trotzdem hatte ich noch Hoffnung, dass sie von meiner Abreise Wind bekommen hatten und mich wenigstens noch Verabschieden würden, doch keiner kam. Niemand. Nur ich und McGonagall standen auf dem trostlosen Platz vor der Schule. Es schien mir, die Professorin könne Gedanken lesen, als sie sich plötzlich näher zu mir stellte und mir tröstend eine Hand auf die Schulter legte : "Es tut mir leid, Miss Coméz. Ich hätte auch gehofft, die anderen hier zu sehen." Ich rang mir ein schwaches Lächeln ab und zog meine Koffer eng an mich. "Möchten sie los?" Ich nickte, meine Kehle wurde immer trockener. Der Kloß in meinem Hals wurde immer dicker und die Tränen stauten sich langsam in meinen Augen an und ich nahm nur verschwommen wahr, dass McGonagall mir einen alten Schlüssel in die Hand legte. Der Portschlüssel.
Nun gab es kein zurück mehr. Ein letztes Mal betrachtete ich die Schule mit meinem getrübten Blick. Ich unterdrückte jedoch mein Schluchzen. Meine ehemalige Lehrerin sollte nicht denken, ich wäre schwach. Dabei war ich es. Ich hatte keine Kraft mehr in meinen Gliedmaßen, jeder Schritt fiel mir schwer und meine Augen fühlten sich wie tonnenschwere Gewichte an. "Viel Glück Miss Coméz, ich wünsche ihnen eine gute Reise." McGonagall schob sie ihre Brille anständig auf die Nase und strich ihre Robe grade, als sie sich einige Meter von mir entfernte. Diesesmal nickte ich nicht einmal, sondern sah einfach nur auf den Schlüssel in meiner Hand und dachte an meinen Onkel, meine Freunde und vorallem an Draco.
Als ich in den wohl bekannten Sog des Portschlüssel gezogen wurde, schrie sofort ein Teil in mir wieder nach der Schule. Es würde einsam werden, ohne meine Freunde. Aber was denke ich da? Sie hatten sich nicht einmal von mir verabschiedet. Dunkel erinnerte ich mich an ein Sprichwort, dass meine Mutter mir früher immer zu sagen pflegte : "Erst in schwierigen Situationen erkennst du deine wahren Freunde, mein liebes Kind. Wer dir nicht in schweren Momenten beisteht, ist nicht dein Freund." Und wenn dies stimmt, dann bin ich nun ganz allein auf dieser Welt.
Ich schlug hart auf dem Boden auf, als ich an meinem Ziel ankam. Röchelnd versuchte ich mich aufzuhiefen, jedoch hinderte mich die Verletzung an meinem Oberarm daran, aufzustehen. So lag ich da, mitten in einem Wald der so hell leuchtete und strahlte, wie man es nur aus Märchen kannte. Vorsichtig stützte ich mich an meinem gesunden Arm ab und sah mir die Umgebung genauer an. Vom weiten erkannte ich ein Haus, was so garnicht in die Umgebung passte. Es war sehr klein und strahlte in einem feurigen Rot. Nach einer Weile schaffte ich es, mich aufzurichten und klopfte mit meiner linken Hand den Dreck von meiner Jeanshose. Meine Koffer neben mir hatten scheinbar eine sanfterer Landung als ich. Da standen sie, ordentlich in Reih und Glied, unversehrt und unbeschmutzt. Genervt seufzte ich und suchte nach meinem Zauberstab, den ich in der Innentasche meiner Jacke dann auch fand. Mit einem Wink des Zauberstabs erhoben sich meine Koffer in die Luft und ich lief mit den Händen in den Taschen vergraben auf das rote Haus zu.
Auf dem Schild des Briefkastens stand in schnörkeliger Schrift 'Tonks/Lupin'. Das war also das Haus, in dem ich absofort leben würde. Mitten in einem Wald. Es erinnerte mich an damals, als ich im verbotenen Wald gelandet war und vor den Totessern geflüchtet war. Ich grummelte leise bei dieser Erinnerung. Als ich gerade meine Hand an der Tür platzierte, um zu klopfen, öffnete sie sich bereits. Meine Tante lächelte mich breit an. "Mirabella, da bist du ja endlich! Wir haben uns schon gefragt wo du bleibst. Wie geht es dir meine Süße?" Sie drückte mich fest an sich, doch genießen konnte ich es irgendwie nicht. Es fühlte sich nicht so vertraut und warm an, wie damals, als ich meine Mutter oder meinen Vater umarmte. Würde ich jemals wieder so eine schöne Wärme spüren können? Nun sah mich meine Tante verwirrt an, da ich immernoch nicht gesprochen hatte, aber ich hatte es auch nicht vor. Ich lächelte einfach nur kurz und nickte. Das genügte meiner Tante wohl und sie führte mich ins Haus hinein, was nun riesig war. Ein riesiges Wohnzimmer mit Küche und Esszimmer, außerdem gab es sogar eine Treppe nach oben in den zweiten Stock und nochmal eine Treppe auf den Dachboden, wo ich absofort schlafen würde. Doch ich sehnte mich einfach nur nach meinem Bett neben Hermine, in Hogwarts.
"So, richte dich erst einmal ein, dein Onkel müsste auch bald kommen." sagte meine Tante Dora, nachdem sie mir mit meinen Koffern geholfen hatte. Ich musste zugeben, das Zimmer war sehr schön. Eine Art Sitzecke war vor einem riesigen Fenster aufgebaut, durch dass das Zimmer hell erleuchtet wurde. Es war recht altmodisch von der Einrichtun gehalten, aber meine volle Aufmerksamkeit bekam das schöne Piano in der Ecke des Raumes. Ich stellte meine Koffer aufs Bett und lief dann zu dem schönen Instrument. Sanft strich ich mit den Fingern darüber, genoß das sanfte, glatte und kühle Holz unter meinen Fingerspitzen. "Ich wusste noch von deinem Vater, wie gerne du Piano spielst.", mein Onkel stand plötzlich hinter mir, aber ich erschrak nicht. Es war, als wären alle Emotionen von mir wie weggewischt. "Deswegen habe ich dir eins besorgt." Ich antwortete nicht. "Hör mal Mirabella, es tut mir leid. Du wärst dort nicht mehr sicher gewesen. Das mit dir und Draco hätte ich schon eher unterbinden müssen!"
Bei seinem Namen fühlte ich wieder diese Leere in meinem Herzen. Oh Draco, waren meine Gedanken, sie schrien flehend seinen Namen. Nie wieder werde ich jemanden lieben. Niemanden außer ihn. Jeder war gegen unsere Beziehung gewesen, nur weil er ein Slytherin war und ich eine Gryffindor, die von Voldemort gesucht wird. Ich bin die nächste auf seiner Liste, meine Familie hatte er schon abgehakt. Nur, ich wusste nicht was er wollte : Mich töten oder auf seine Seite ziehen? Und was davon schlimmer ist, wusste ich auch nicht.
"Mirabella?" Mein Onkel stand immer noch hinter mir im Zimmer und starrte mich an. Ich war so in Gedanken versunken, dass ich ihn nicht mehr bemerkt hatte. "Ich verstehe es, dass du nicht mehr mit mir sprechen möchtest, aber Dora sagte, du hast bisher noch kein Wort gesagt. Ich mache mir doch nur Sorgen Süße." Ich drehte mich um und sah ihn scheinbar ziemlich böse an, da er erschrocken zurückwich. Er räusperte sich kurz, murmelte ein leises "Na dann.." und verschwand die Treppen hinunter. Ich ließ die Luft erleichtert zwischen meinen Zähnen entweichen. Momentan wollte ich einfach mit nichts und niemanden sprechen.
Ratlos griff ich nach der Kette meiner Mutter, die an meinem Hals hing und setzte mich auf die große Fensterbank, die mit Kissen und Decken gepolstert war. 'Ein perfekter Ort zum nachdenken', dachte ich mir und zog mir eine der roten Plüschdecken über die Beine. Gedankenverloren ließ ich meinen Blick aus dem Fenster hinaus schweifen und betrachtete den Wald direkt vor meinem Gesicht. Er wirkte so untypisch für Wälder, so hell, freundlich und einladend. Am liebsten würde ich einfach dort hineinrennen und nie wieder rauskommen. Meine Hand ruhte immernoch an dem kalten Herzanhänger an meinem Hals. Genauso kalt wie mein eigenes Herz war mein Gedanke.
Stundenlang saß ich an diesem Fenster und blickte starr nach draußen. Mein Kopf war total leer, gedanklich war ich wohl immernoch in Hogwarts. Ich kann es nicht fassen, dass ich meine Freunde wahrscheinlich nie wieder sehen werde. Das ich Draco nie wieder sehen werde. Das ich nie wieder am Unterricht teilnehmen werde. Was soll ich ohne schulische Ausbildung nur mit meinem Leben anstellen? Ich wollte wie meine Eltern immer Aurorin werden, aber ohne Abschluss kann ich das wohl ganz getrost vergessen. Und mir wurde mal wieder klar, dass mein Leben so einfach keinen Sinn mehr machte.
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Schatten der Vergangenheit [Harry Potter FanFic] ✔
FanfictionAls ich in den wohl bekannten Sog des Portschlüssel gezogen wurde, schrie sofort ein Teil in mir wieder nach der Schule. Es würde einsam werden, ohne meine Freunde. Aber was denke ich da? Sie hatten sich nicht einmal von mir verabschiedet. Dunkel er...