Nachdem ich mich von den Jungs verabschiedet hatte, machte ich mich wieder auf den Weg zurück zu meinem Zimmer. Ich beschloss, mich morgen einfach von Flavia herumführen zu lassen, dann lernte ich sie und die Schule gleichzeitig etwas besser kennen. Im Zimmer angekommen, zog ich mich um und machte es mir dann im Bett bequem. Ich holte mein Handy raus und musste gleich mal feststellen, dass man hier schlechten Empfang hatte. Ganz toll. Immerhin sah ich, dass hier ein Wlan-Netzwerk nach dem Internat benannt war. Momentan verfluchte ich meine Mutter, die mir nie eine Flatrate erlaubt hatte. Also schrieb ich nun Mara und Sophie eine kurze SMS und erklärte, dass alles gut war. Danach legte ich mein Handy weg, nahm noch eine schnelle Dusche im Gemeinschaftsduschraum und krabbelte dann wieder in mein Bett. Ich lag lange wach und dachte über einige Sachen nach, während ich versuchte, einzuschlafen. Schon eine ganze Weile hatte ich keinen Kontakt mehr zu Daniel gehabt und ich vermisste ihn ein bisschen.
Ich hörte, wie sich die Tür öffnete und das Licht angemacht wurde.
"Hallo!", begrüßte mich Flavia laut und ich schreckte aus meinem Halbschlaf.
"Hi", murmelte ich und drehte mich zu ihr.
"Sorry, ich dachte nicht, dass du schon schläfst", entschuldigte sie sich amüsiert und zog sich ihre Schuhe und Jacke aus.
"Hab ich nicht", verteidigte ich mich und setzte mich auf. Ich strich mir meine mittlerweile hüftlangen Haare hinters Ohr und griff nach meiner Brille. Wie die mich nervte.
"Gibt's hier W-Lan?", fragte ich und deutete mit meinem Daumen auf ihren Laptop.
"Ja", rief Flavia. "Offiziell haben wir das Passwort nicht, aber Mike hat es trotzdem herausgefunden."
"Mike?" Das war doch der Typ von den Tischtennisplatten.
"Ja, einer aus meiner Klasse", nickte sie.
"Hab ich schon kennengelernt."
"Bist ja schnell im Freundefinden."
"Schön wär's", seufzte ich und legte mich wieder ab. Flavia wünschte mir noch eine gute Nacht, als sie mich sah, und ging mit ihrem Handtuch nach draußen, wohl um zu duschen. Mehr bekam ich auch nicht mehr mit, da ich schon nach wenigen Minuten eingeschlafen war.
Am nächsten Morgen weckte mich ein schreckliches Klingeln, das noch schlimmer klang wie mein Klingelton. Ich hörte, wie Flavia auf ihren Wecker schlug, bis er Ruhe gab und gähnte.
"Warum so früh?", jammerte ich, als ich die Uhrzeit sah. 6:01.
"Es ist Montag und wir haben Unterricht", erwiderte sie mit wenig Motivation.
"Oh shit", fluchte ich und war sofort hellwach. Heute würde ich alle meine neuen Klassenkameraden kennenlernen.
"Müssen wir die Schulkleidung anziehen?", fragte ich, nachdem ich in meine flauschigen Hausschuhe geschlüpft war und meine Haare zusammengebunden hatte. Flavia lachte.
"Natürlich, wofür gibt's die denn sonst", meinte sie belustigt und griff nach ihrer Kleidung. Die Uniform bestand aus einem knielangen Rock, einer Bluse, einer Strickjacke und hohen Strümpfen.
"Ist das nicht etwas sehr kalt?", fragte ich skeptisch und betrachtete den Rock.
"Brauchst halt 'ne Strumpfhose."
"Hab ich nicht", sagte ich unsicher und ließ es wie eine Frage klingen. Daraufhin warf sie mir einen schwarzen Stoffknäuel zu, den ich ohne Mühe fing.
"Besorg dir eine", meinte sie noch, bevor sie in unser kleines Bad verschwand.
"Werd' ich machen", sagte ich leise zur Luft und fing an mich umzuziehen.
Ich betrachtete mich noch einmal im Spiegel. Bluse und Strickjacke unter einem fetten Wintermantel, darunter ein kurzer Rock und Kniestrümpfe über der Strumpfhose und dazu schwarze Dr. Martens. Hatte Style.
"Warum der Mantel?", fragte Flavia lachend und zupfte daran.
"Bin noch nicht dran gewöhnt, dass man zur Schule nicht durch die Kälte laufen muss", lächelte ich peinlich berührt und zog die Jacke aus.
"Generell bin ich an die Klamotten nicht gewöhnt", fügte ich hinzu und zog den Rock etwas tiefer.
"Geht bestimmt schnell", versicherte sie mir.
"Also. Wir haben noch eine gute halbe Stunde bis zum Frühstück. Wir können entweder hier rumgammeln, oder ich zeig dir die Schule", erklärte sie mir und griff nach ihrem Handy, wohl um ihre Nachrichten zu checken.
"Okay", erwiderte ich.
"Also was jetzt?" Flavia fing wieder an zu lachen. Sie musste bestimmt denken, ich war komplett unfähig.
"Ehm, das mit der Schule", sagte ich und holte auch mein Handy, damit ich was für meine nervösen Finger hatte.
"Alles klar, los geht's!" Sie lief zur Tür und öffnete diese. Wir traten auf den Gang hinaus und schlossen die Tür.
"Links oder rechts?", ließ sie mich entscheiden und ich sagte rechts, da ich mich gestern schon links umgesehen hatte.
"Wären wir links gelaufen, hätten wir noch ein paar Mädchenzimmer gesehen, und dann drei Flure lang Jungszimmer. Wir Mädchen sind in der Unterzahl", erklärte mir Flavia, während wir den Gang entlang liefen, bis wir zum Treppenhaus kamen.
"Nach oben geht es zu den Lehrerwohnungen, die haben echt 'ne richtige Wohnung, voll unfair. Da geh am besten nicht hoch, das gibt meistens Ärger, wenn man erwischt wird", fuhr sie fort. Also stiegen wir zwei Stockwerke hinab. Vor uns und links lag ein Flur.
"Da links geht's zu den Sporthallen. Wir haben drei davon, sind schließlich ein Sportinternat." Wir liefen an den Hallen und den dazugehörigen Umkleiden vorbei, wobei wir alles nur von außen sahen. Am Ende befand sich ein weiteres Treppenhaus, das ich gestern schon entdeckt hatte und das nach draußen führte.
"Da draußen können wir unsere Freizeit verbringen, und außerdem unsere Sportkurse ausführen."
"Das hab ich mir gestern schon angesehen."
"Ok, dann machen wir mit den Lehrerzimmern, Kunst- und Musiksälen weiter." Wir drehten uns um und liefen den Weg zurück zum Treppenhaus. Dort bogen wir links ab, wo sich auf der rechten Seite ein paar Räume nebeneinander befanden.
"Das ist das Sekretariat", erklärte Flavia und zeigte auf die erste Tür, "Das das Direktorat", sagte sie zum nächsten. "Und das sind alles die Büros der einzelnen Lehrer. Wenn du was mit ihnen zu besprechen hast, dann komm immer zu den Büros."
"Alles klar", nickte ich.
"Das Internat ist aufgebaut, wie ein Kasten mit Loch. Das heißt, drei Flure auf den ersten beiden Stockwerken und vier Flure ganz oben, wie im Kreis, und an jeder Ecke gibt es ein Treppenhaus." Wir bogen nach rechts ab und sie meinte, dass die Zimmer auf der linken Seite die Musikräume und auf der rechten Seite die Kunsträume waren. Ich nickte und wir machten und durch das Treppenhaus auf dem Weg zur zweiten Etage. Auf dem Flur über den Kunst- und Musikzimmern fand der Bio, Chemie- und Physikunterricht statt und auf dem Gang über den Lehrerzimmern befanden sich die Klassenzimmer verschiedener Klassen, die alle anderen Unterrichtsfächer dort hatten, genauso, wie auf dem Gang über den Turnhallen. Außerdem befand sich im mittleren Gang (über den Lehrerzimmern) die Aula und Schulküche, wohin Flavia und ich nun liefen. Die Schule war eigentlich gar nicht so kompliziert aufgebaut, das hatte ich bestimmt bald durchblickt.
Als wir den Essensraum betraten, roch ich schon die frischen Brötchen und den Kaffee und bekam sofort Hunger. Es waren noch nicht viele Schüler da, es war erst fünf nach halb sieben.
"Wann fängt der Unterricht an?", fragte ich, während wir zum Buffet liefen und ich mir ein Schokocroissant und eine Tasse Kaffee nahm.
"Um acht Uhr. Wir sind früh dran", stellte sie fest und wir setzten uns an einen der Tische am Fenster.
"Merk dir noch was. Das hier ist unser Tisch. Du wirst nachher noch sehen, wer 'unser' bedeutet. Und es wird sich auch noch herausstellen, ob du dazugehören wirst", sie zwinkerte, "aber wenn ja; solltest du je jemanden an dem Tisch sehen, der nicht dazugehört, dann schick ihn hart weg."
"Aha", machte ich und war überrascht von ihrer plötzlichen Überlegenheit. Sie schnitt mir noch eine Grimasse und machte sich dann an ihr Marmeladenbrot. Auch ich fing an, mein Croissant zu essen und sah mich währenddessen im Raum um. An der Wand neben der Tür war das Buffet aufgebaut, daneben befand sich eine Tür, die wohl zur Küche führte. Im Raum befanden sich zwar einige, aber für eine Schule verhältnismäßig wenige Tische.
"Wie viele Schüler gibt's hier?", fragte ich daher Flavia.
"Keine Ahnung, vielleicht so um die 200. Wahrscheinlich eher mehr. Wir sind acht Klassen, also pro Jahrgangsstufe eine Klasse, mit jeweils 25-35 Schülern", erwiderte sie und schlürfte an ihrem Kaffee.
"Und in welcher Klasse bist du?", erkundigte ich mich weiter.
"10. Du 9. oder?" Ich nickte.
"Na, dann haben wir immerhin die Klassenzimmer nebeneinander", stellte sie lächelnd fest. Ich nickte wieder als Zeichen der Verständnis und trank meine Tasse aus. Als ich gerade fertig war, kam durch die Tür eine größere Gruppe und bewegte sich direkt auf uns zu. Sie setzten sich an unseren Tisch, wobei ein Mädchen einen weiteren Stuhl herziehen musste.
"Guten Morgen!", begrüßte Flavia ihre Freunde. Sie grüßten zurück und ich lächelte freundlich. Es waren drei Jungs und ein Mädchen, wobei ich zwei von den Jungs schon kannte. Mike und Louis.
"Leute, das ist Layla. Ist neu", stellte mich Flavia vor. Ich lächelte in die Runde.
"Und das sind Caitlyn, Mike, Sam und Louis", ging sie die Leute durch.
"Hi", sagte ich schüchtern. Die Situation wir mir extrem unangenehm.
"In welche Klasse gehst du?", fragte mich das Mädchen, Caitlyn, hoffnungsvoll.
"Neunte. Warum?", erwiderte ich und strich mir eine Haarsträhne hinters Ohr.
"Sehr schön, dann bist du in meiner Klasse", rief sie erfreut und klatschte in ihre Hände.
"Endlich nicht mehr die einzig coole in der neunten", fügte sie hinzu, woraus ich schließen konnte, dass die anderen alle in der zehnten oder älter waren.
"Sei dir da mal nicht so sicher", lächelte ich. Cool zählte nicht unbedingt zu meinen Eigenschaften.
"Wie auch immer, ich sterbe vor Hunger", unterbrach Sam uns und stand auf. Die anderen machten es ihm nach und auch Flavia griff nach ihrem leeren Tablett. Also nahm ich auch mein Tablett und lief hinter meiner Zimmergenossin her zur Küche. Dort stellten wir sie in einen Geschirrwagen, so wie bei McDonalds, und machten uns, nachdem wir uns von den anderen verabschiedet hatten, auf den Weg nach oben.

DU LIEST GERADE
Aber er ist mein Cousin!
Romance'Daniel war gut aussehend, das Gegenteil von mir, und zwei Jahre älter. Er war beliebt, wieder das Gegenteil von mir. Und das wichtigste und schlimmste war, er war mein Cousin. Ich wusste also von Anfang an, dass ich nie eine Chance hatte...'