Kapitel 11

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Mein Wecker riss mich ziemlich unsanft aus meinem Schlaf und ich schreckte hoch. Montag.. Schule.. Oh nein. Ich stand auf und trottete verschlafen ins Bad.
"Guten Morgen, Layla", zwitscherte meine Mutter.
"Morgen." Ich nahm meine Zahnbürste und lief zurück in mein Zimmer. Als mir auffiel, dass ich die Zahnpasta vergessen hatte, ging ich genervt nochmal zurück. Ich zog mich an, frühstückte und stand dann neben meinem Bruder, um auf den Bus zu warten.
"Wie findest du das mit Mums Freund?", fragte er mich. Oh stimmt, das hatte ich über nacht total vergessen.
"Scheiße, du?", sagte ich und holte meine Buskarte raus, da der Bus da war.
"Ehrlich gesagt, ich finde es respektlos uns gegenüber, dass sie ihn einfach einziehen lässt, obwohl wir ihn überhaupt nicht kennen und ihr nicht unser 'okay' gegeben haben", meinte er, stieg ein und begrüßte den Busfahrer. Wow, der Bus war halb leer, was sehr selten vorkam.
"Finde ich auch", stimmte ich Luki zu und setzte mich neben ihn auf einen der freien Plätze.
"Wann will der einziehen?", fragte ich. Er zuckte mit den Schultern.
"Keine Ahnung, irgendwann nächste Woche." Ich schnaubte. Nächste Woche schon, na toll. Hoffentlich war er nett und wollte nicht, dass wir in als unseren Vater bezeichnen, das war meine größte Sorge. Niemand konnte meinen Vater ersetzt, wirklich niemand.
Kurze Zeit später hielt der Bus an unserer Schule und gemeinsam mit Luki ging ich rein. An der Haupttreppe verabschiedeten wir uns und ich lief alleine zu meinem Klassenzimmer. Zumindest lief ich die ersten paar Meter alleine, denn Sophie gesellte sich zu mir. Seit ich weiß, dass sie sich nicht mit meinem Cousin getroffen hat, kommt sie mir netter vor. Oh ja, Daniel ...
"Guten Morgen", begrüßte Sophie mich und hielt mich somit ab, von Daniels schönen Augen zu träumen.
"Morgen", sagte ich und zwang mich zu einem Lächeln. Wahrscheinlich sah es komplett falsch aus, aber das war mir ziemlich egal.
"Hast du Englisch gelernt?", fragte sie mich freundlich. Ohhhhh nein, wir schrieben ja heute den Englischtest. Verdammt, den hatte ich komplett vergessen.
"Nein", sagte ich daher und lief auf Mara zu, die mit einem Englischbuch in der Hand auf unserem Tisch saß.
"Hast du an Englisch gedacht?", rief sie verzweifelt. Ich schüttelte den Kopf, stellte meine Tasche auf den Boden und setzte mich neben Mara.
"Aber das ist einfach, das bekommen wir hin", meinte ich zuversichtlich.
"Wir haben aber zwei Seiten neue Vokabeln aufbekommen!" Oh, das war natürlich schlecht.
"Ja gut, dann kriegen wir den Vokabelteil eben nicht hin... Aber jetzt schieb mal nicht so eine Panik, das macht mich hibbelig." Ich packte mein Mäppchen aus und setzte mich auf meinen Stuhl, als unser Englischlehrer kam und uns die Teile, die das Abschreiben verhindern sollten, austeilte. Ich hasste Tests, und das nicht, weil ich in der Schule schlecht war, sondern weil ich immer extrem nervös war. Ich starrte geradeaus auf irgendeinen Punkt, um meine Nervosität zu mindern, was mir auch relativ gut gelang.
Wir bekamen die Blätter ausgeteilt und konnten anfangen. Nach einer dreiviertel Stunde klingelte es und wir gaben die Tests wieder ab.
"Das war eigentlich total leicht", meinte Mara überrascht.
"Sag ich doch", lachte ich.
"Layla, was ist los?", fragte sie plötzlich. Überrascht sah ich sie an. Ich gab mein bestes, nicht an diesen Freund zu denken, wie merkte sie das dann?
"Ich mag jetzt nicht darüber reden", antwortete ich und sah nach unten auf meine Hände, die in meinem Schoß lagen. Mara nickte langsam und sah mich prüfend an, aber ich ignorierte es. Ich wollte jetzt einfach nicht dran denken.
Als der urlangweilige Unterricht endlich zu Ende war, fuhr ich mit dem Bus nach Hause und machte zuerst meine Hausaufgaben.
"Hallo Schatzi", hörte ich meine Mutter rufen, als sie zu Tür reinkam. Ugh, sie hatte mich 'Schatzi' genannt und ich hasste es, wenn sie das tat. Ich setzte mich auf mein Bett und hörte ein wenig Musik.
"Es gibt Essen!", rief Mum. Also ging ich nach unten und sah einen Mann neben ihr stehen.
"Hallo", begrüßte ich die beiden leise und setzte mich an den Tisch.
"Du musst Layla sein, ich hab schon viel gehört", sagte der Mann und nahm meine Hand. Ich nickte.
"Ich bin Stephen, der Freund deiner Mutter, und ich werde nächsten Montag fertig einziehen." Dieser Stephen schüttelte meine Hand und sah mir direkt in die Augen. Sein Blick war eiskalt und leicht angst einflößend, weshalb ich wieder nur nickte und mich wegdrehte. Er war mir unsympathisch.
Layla, du kennst ihn überhaupt nicht, gib ihm eine Chance.
Ich seufzte.
Luki kam nun auch die Treppe runter und lächelte Stephen an.
"Hallo, ich bin Lukas", stellte er sich vor und setzte sich neben mich.
"Ich bin Stephen", erwiderte er und sagte zu mir gewand: "Schau, so wäre es höflich gewesen, anstatt nur zu nicken." Mir klappte der Kinnladen runter. Das war doch nicht sein Ernst?! Ich sah ihn heute zum ersten Mal und er sagte mir quasi, dass ich unhöflich war. Jetzt mochte ich ihn erst recht nicht mehr. Ich sah ihn feindselig an und er erwiderte den Blick nach kurzer Zeit. Langsam stand ich auf und entfernte mich von ihm. Ich wollte gerade die erste Treppenstufe hinaufsteigen, als mein Oberarm kräftig gepackt wurde. Ich drehte meinen Kopf zur Seite und sah direkt in Stephen's Gesicht. Er funkelte mich an und sein Griff um meinen Arm wurde fester. Autsch, warum machte er das? Als er mich endlich los ließ, rannte ich in mein Zimmer und sperrte die Tür ab. Vorsichtig strich ich über meinen Oberarm, der höllisch weh tat. Wieso hatte er das nur getan? Nichtmal mein eigener Vater hätte mich so angefasst.
Ich hörte ein Klopfen an der Tür und mein Bruder rief: "Layla? Mach bitte die Tür auf!" Ich schniefte. Erst jetzt fiel mir auf, dass ich weinte. Ich wischte mir die Tränen weg und öffnete die Tür. Als Luki im Zimmer war, sperrte ich wieder ab.
"Bist du okay?", fragte er und ich nickte.
"Ich übertreibe, ich weiß. Aber hätte er nicht einfach nett sein können?", murmelte ich. Mein Bruder sah mich an und zuckte mit den Schultern. Wir saßen nebeneinander auf meinem Bett und sagten lange gar nichts.
"Hunger?", fragte Luki und brach somit die Stille. Ich nickte, stand auf und lief hinter ihm ins Esszimmer. Mum und der Typ waren zum Glück nicht da, weshalb ich mich entspannt hinsetzte und anfing, meine Suppe zu löffeln.
"Layla, es tut mir leid, aber du hättest höflicher sein können." Stephen kam ins Zimmer und setzte sich neben mich. 'Ja, natürlich', dachte ich sarkastisch, doch ich nickte nur und löffelte meine Suppe weiter. Konnte er nicht einfach wieder so schnell verschwinden, wie er aufgetaucht war?!
"Das wird sich ändern", murmelte er und mein Kopf schnellte nach oben. Der Klang seiner Stimme war alles, außer freundlich. Was genau meinte er?
"Wir werden wohl Regeln aufstellen müssen. Es wird Zeit, dass wir dir Anstand beibringen."
"Du bist nicht mein Vater", antwortete ich trocken. Stephen sah mich prüfend an, das waren wohl die ersten Worte, die ich zu ihm gesagt hatte.
"Das werde ich aber bald sein. Und mich interessiert nicht, was du willst", drohte er mir. Abfällig starrte ich in seine Augen, die aggresiv funkelten. Dann stand ich auf, schüttete meine Suppe 'aus Versehen' über seine Hose und ging nach oben. Und mein Bruder saß die ganze Zeit nur daneben und hatte mich kein Stück unterstützt. Wenn das so weiter ging, konnte das ja noch heiter werden ...

Aber er ist mein Cousin!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt