Zum ersten Mal seit Tagen hörte sie den Lichtschalter umklicken und das sofort aufblitzende Licht verbrannte ihr die Augen.
Hinter ihr schloss sich die Tür und um sie herum schienen reine weiße Fliesen sie anzustarren und über sie zu urteilen.
Weiß. Weiß. Weiß. Weiß. Weiß.
Ein kleines Silberfischchen huschte auf dem Boden herum, als sie sich dazu entschloss in die allzu bekannte Ecke zu sinken.
Mit den Beinen dicht an sich herangezogen, richtete sie ihren Blick auf den winzigen Strich, der sich stockend und tastend im endlosen Weiß bewegte.
Lauf, Silberfischchen, lauf...
Obwohl der Raum zu rein und hell war, nagte die Schwärze an ihrem Körper und zersetzte ihre Haut.
Wie ein Reflex donnerte sie ihren Kopf mehrmals gegen die Wand.
Als würde es etwas bezwecken...
In Momenten wie diesen, spürte sie immer etwas flüssiges ihre Wange herunterrollen.
Sie war sich nie sicher, ob es Blut oder Tränen waren, die von ihrem tauben Kopf tropften.
Eigentlich wollte sie es auch nie wissen.
Ein Schrei entwich ihrer Kehle und zerkratzte ihren Hals vollkommen.
Sie schrie und während es immer wieder auf dem Boden zerplatzte, legte sie sich zu dem Silberfischchen.
"Weißt du wie die Hölle aussieht?"
Sie drehte sich zu dem Silberfischchen und eine reine weiße Oberfläche blickte ihr entgegen.
Als würde es antworten...
"Genau. So."
Mit diesen Worten hob sie die Arme und spreizte ihre Finger.
"So."
Ihre Stimme war noch so empfindlich, dass sie kaum ein Wort laut aussprechen konnte.
Sie rückte näher zum weißem Ohr heran und flüsterte behutsam: "Weißt du was in meinem Kopf ist?"
"Schwarz. Und Rot. Und Weiß. Aber lass mich dir eins sagen..."
Ihre Augen blickten wieder zur Decke hinauf.
"Es hört nie auf..."
Diese Worte brachten sie zum lachen. Nie. Niemals. Es will nicht aufhören. Es ist in ihrem Kopf und frisst sich nach und nach zu jedem Ort durch.
"Niemals..."
"Ich will es zurück. Ich will... Ich will es wiederhaben. Weil jetzt alles weiß ist. Und Schwarz. Und Rot. K-Kann ich es wiederhaben?"
Erwartungsvoll streckte sie ihre Hände zur Tür und dessen rote Narben, welche die auf ihrer Haut gleichkamen, wandten die Augen ab.
Enttäuscht lies sie sie wieder auf den Boden sinken.
"Natürlich nicht... Natürlich nein.."
Leise enfloh ihr ein Schluchzen.
"PPSSCCHHT!!!"
"NICHT SO LAUT!"
"Lass es sein."
"Lass mich hier."
"Verschwinde."
"GEH WEG."
Eine Faust knallte auf den Boden und die nächste folgte nicht weit entfernt.
Das Adrenalin und die Panik vermischten sich mit einer Art unauslöschlichen Traurigkeit.
Weg. Geh aus meinem Kopf. Warte. Bleib hier.
"Ich kann hier nicht weg..."
Sie setzte sich auf und ein schwarzer kleiner Schrank starrte sie vom anderen Ende des Raumes an.
Es hob sich so stark von allem ab, dass es für sie unerträglich war hinzusehen.
Aber auch wenn sie nicht hinsah, es war da und starrte sie mit seinen dunklen Augen an.
Sie spürte das Prickeln seines Blickes auf ihrer blassen, zersetzten Haut.
Diesmal war sie sich sicher, welche Art von Tropfen ihre Wange herunterrollten.
Sie fing nicht nur an all die tausend Kratzer zu spüren, sondern auch das Kribbeln von ihrer auflösenden Person.
"Gib es mir zurück...", schluchzte sie und ihr ungestillter Geist fing an gegen die Hülle zu schlagen.
Ungehört. Ungesehen.
"Nein."
Sie stand auf und torkelte gegen die Tür.
"Ich halte nichts mehr aus."
Ihre Hand riss die Tür auf und für einen kurzen Moment blickte sie ins Nichts hinein.
Sie drehte ihren Kopf langsam zurück.
"Ist es das wirklich wert?"
Das Weiß sah sie an. Sie sah zurück.
Sie schaute ins Nichts. Es schaute weg.
"Es hört nie auf."
Diese Worte schubsten sie hinein.
Der Reflektor der Sonne stand schon hoch am Himmel, als sich die Tür langsam schloss.
Und das Silberfischchen krabbelte im Weiß.
Wieder. Und wieder. Und wieder. Und wieder.
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Ungehört
PoetryDie Gedankengänge eines Einzelnen werden Schwarz auf Weiß in die Öffentlichkeit geschoben... In der Hoffnung, dass es in den Tiefen jemanden erreicht. In der Hoffnung, dass die Wörter nicht für immer nur im Kopf eines Einzelnen herumflattern.