Eleven

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Wir waren wieder im St. Barts angekommen. Sherlock klappte den Regenschirm zusammen, den er für mich zum Sonnenschutz geöffnet hat. Er lief die Treppen nach oben und ich folgte ihm strikt. Außer Atem kam ich in der Pathologie an. Sport war nunmal wirklich nicht mein Ding.
Molly war gerade dabei, mit einem anderen Mann zusammen ein Gehirn aufzuschneiden.

"Molly!", rief ich freundlich.

"Ach, ihr seid wieder da?", grinste sie uns entgegen. "Das ist Thomas", stellte sie mir den Mann neben mir vor.

"Neurobiologie?", fragte ich interessiert.

"Ja, Gehirne sind was Tolles.".

Ich musterte ihn kurzerhand.
Mitte 30, dunkelbraune Haare in einen Haarknoten zusammengebunden, Holzfällerbart, relativ kräftig. Hipster.

"Ich geh dann mal besser", beschloss er.

"Ja", kam stumpf von Sherlock.

Und schon war Thomas weg, wie schade.

"Wir brauchen die Leiche von Andrea McMane", sagte Sherlock monoton.

"Im Kühlraum", sagte Molly kurz und widmete sich wieder dem Hirn.

Sherlock sah sich die Leiche bestimmt eine halbe Stunde lang an, nahm sogar die Zehennägel unter die Lupe und lief auf und ab, bis er aufgab.

"Wir müssen wohl oder übel warten, bis ein Mord derselben Art begangen wird. Vergewaltigt wurde sie auf jeden Fall. Tee?"
Er hielt eine Teekanne hoch und schenkte mir welchen ein.

Wir unterhielten uns etwas über Gott und die Welt, trotzdem wurde ich nicht schlau aus ihm

Wir standen nur noch ungefähr einem halben Meter voneinander weg, ich war an einen Tisch gelehnt und er stand vor mir.
Ich stellte die mittlerweile leere Teetasse neben mich und lächelte Sherlock an.

Er wollte etwas sagen, aber gerade als er ansetzen wollte, klopfte es an der Tür. Ich drängte mich an Sherlock vorbei, um die Leiche zuzudecken, aber als ich das Tuch gerade anhob, ging die Tür auch schon auf.
Alice stand im Türrahmen. Sie sah furchtbar aus. Ihre Haare waren in einen unordentlichen Dutt hochgebunden, sie hatte dunkle Schatten unter den Augen und war blass wie eine Leiche.
Sie sah angeekelt zur Leiche, die ich schnell abdeckte und als sie zu Sherlock sah, wurden ihre Augen riesig.

"Heilige Scheiße!", schrie sie. "Sie sind es!"

"Ähm, wer ist er?", fragte ich verwirrt.

"SHERLOCK HOLMES!", schrie Alice weiter und schlug sich die Hände vor den Mund.

Ich verschluckte mich an meiner eigenen Spucke und bekam einen Hustanfall. Wie konnte ich das nur übersehen?
ER war dieser berühmte Detektiv?!

"Ihr verarscht mich beide, oder?", fragte ich entsetzt, als mein Hustanfall einigermaßen vorbei war.

"Nein", antworteten sie wie aus der Pistole geschossen.

"Wie auch immer. Was machst du hier, Alice? Du hast Fieber und gehörst ins Bett!"

"Naja, ich wollte fragen ob du Geld für 'nen Attest vom Arzt hast."

Ich stöhnte genervt auf. "Meine Jacke hängt nebenan."

Trotzdem verließ sie den Raum nicht, sondern stand immer noch wie angewurzelt vor uns.

"Was denn noch?", fragte ich fordernd.

Schüchtern fragte sie: "Kann ich vielleicht ein Foto mit Ihnen machen, Mr. Holmes?"

Er stimmte zu.

Sie riss sich für das Foto das Haargummi aus den Haaren und brachte diese schnell in Ordnung.

Er machte schließlich ein Foto mit ihr und unterschrieb ihr sogar noch eine Autogrammkarte. Überglücklich verließ sie den Raum und wir waren wieder alleine.
Peinliche Stille machte sich breit.
Ich spielte an meinen Fingernägeln herum, während er was in sein Handy eintippte.
Irgendwann sah er mich wieder an.

"Sie sehen gar nicht aus wie Ihre Schwester", meinte er schließlich.

Ich schob die Leiche schnell ins Kühlfach zurück und wischte den Untersuchungstisch ab.

"Ich dachte, das wäre Ihnen klar, Mr. Holmes."

"Nicht unbedingt. Hätte nicht erwartet, dass sie rothaarig ist."

Ich nickte nur und schmiss den Lappen, den ich gerade benutzt hatte in die Spüle hinter mir.

"Ist sie aber", fügte ich hinzu.

Sherlock hatte diesen Blick, den "Deine-Augen-sind-rot"-Blick.

"Das liegt am Licht!", meinte ich.

Ich ging zu Molly, die das Gehirn mittlerweile weggepackt hatte.

"Was wissen wir über Ms. McMane?", fragte ich sie gespannt."

"Naja, sie hatte viel Alkohol in ihrem Blut, aber nicht genug, um daran zu sterben.
Kein Sperma vom Täter, kein Speichel und keine Fingerabdrücke.
Ihre Augen wurden mit Ammoniak verätzt, die Scheuerwunden an ihren Handgelenken waren von Fesseln. Ich habe Rückstände von Seilfasern in den Wunden gefunden. Naja, ihr Magen war leer, ich denke mal, dass sie sich übergeben hat.
Gut, und der Schriftzug im Bauch wurde mit einer Nadel gemacht, als sie noch am Leben war. Das Blut an ihrem Bein stammt von ihrem Hymen, bedeutet, dass der Mörder sie überfallen hat."

"Jemand wollte, dass sie leidet, aber nicht erkennt, wer sie tötet...", dachte ich laut.

"Der Smiley kommt mir bekannt vor. ZU bekannt", meinte Sherlock.

"Danke schonmal Molly, du bist ein Schatz!", sagte ich und umarmte sie.

Dann zog Sherlock mich wieder hinaus.

His second friend | Sherlock Holmes x OC #Wattys2016Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt