Kapitel 15

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Trice

"Trice", kreischt eine wütende Stimme hinter mir her. "Was?", ich drehe mich lustlos zu ihm um, woraufhin er aufeinmal besorgt wirkt. Daraus schließe ich, dass ich wohl ziemlich gequält aussehen muss. "Was ist passiert?", erkundigt er sich vorsichtig. Wenn ich das wüsste.. keine Ahnung was passiert ist, deshalb zucke ich nur kraftlos mit den Schultern. Er stellt sich neben mich und betrachtet mich mitleidig. Hey, so schlimm seh ich doch gar nicht aus, oder? Verständnisvoll, wie Luke ist, bohrt er nicht weiter, sondern leistet mir nur still Gesellschaft, während er darauf wartet, dass ich ihm mein Herz ausschütte.
"Ich will nicht so sein, Luke.", beginne ich irgendwann. Er legt einen fragenden Blick auf. Ich starre eine Weile auf meine Handfläche. Das mache ich immer, wenn ich gerade nicht mit mir klar komme. "So.. voller Gefühle, das passt überhaupt nicht zu mir.", rede ich weiter. Woraufhin er seuftzt: "Hör auf in Rätseln zu sprechen. So versteht dich doch kein Mensch." Ich kneife meine Augen zu und lege meinen Kopf in den Nacken.
"Er hat zum ersten Mal von sich aus gehandelt, statt vor mir davon zu rennen." Luke hebt eine Augenbraue: "Du meinst Justin?" Auf mein Nicken hin, fragt er, was ich damit meine. "Er hat mich aufs Bett gedrückt und mich hier hin geküsst!" Ich tippe auf meine Wange. "Justin? DER Justin?", fragt er ungläubig und weiß nicht, ob er mir Glauben schenken soll. "Ja... nein, okay, ich habe angefangen, aber trotzdem! Ich verstehe es einfach nicht. Und er hat mir auch noch gestanden, dass er mich liebt..." - "Echt jetzt?!", unterbricht er mich erstaunt und gleichzeitig begeistert. "Ja, aber ich habe ihm nicht geglaubt und gemeint, dass er mich nicht liebt. Ich meine er hat doch Leon.", erzähle ich weiter. "Du hast was?!", schreit er mich aufeinmal wütend an, "Bist du blöd, oder was? Das kann doch nicht dein ernst sein." Ich senke meinen Kopf, aus Scham oder keine Ahnung warum. "Er hat Leon, genau so wie du mich hast.", meint er genervt, "Bist du etwa eifersüchtig? Das ist aber noch lange kein Grund, um sowas zu behaupten." Eifersucht? Was für Eifersucht? "Ich war wütend, okay? Ich habe sowas noch nie erlebt. Mein Blut hat sogar angefangen zu brodeln und ich konnte mich kaum noch beruhigen. Was hätte ich sonst tun sollen?!" Er wirft mir einen Killerblick zu: "Achso, dann ist es also besser, wenn du Justin verletzt? Wieso bist du denn bitte wütend geworden? War es so schlimm für dich? Dabei hast du doch damit angefangen, ihn zu belästigen. Sicher, dass es nicht eher Aufregung war?" Ich schaue ihn verständnislos an. Wieso sollte ich aufgeregt gewesen sein? Bis es plötzlich klick macht. Plötzlich sehe ich alles aus einem ganz anderen Blickwinkel: "Du meinst doch nicht etwa..?" - "Ja, genau das meine ich. Wie kann man nur so dumm sein und Aufregung mit Wut verwechseln? Naja, Justin denkt jetzt sowieso dass du ihn hasst. Herzlichen Glückwunsch." Das saß. Mein Herz zieht sich erneut zusammen, aber jetzt hat es aufeinmal 'ne ganz andere Bedeutung. Kann es sein, dass es wirklich.. irgendwie.. Ich kann es nicht zu Ende denken. Seit wann? Ich versuche mich an alle Ereignisse zu erinnern, um herauszufinden, wann ich angefangen habe ihn zu mögen. Und zwar mehr als nur mögen! "Ich muss mich bei ihm entschuldigen!" Mit diesen Worten mache ich mich auf die Suche nach ihm. Da er nicht in unserem Zimmer ist, laufe ich durch's ganze Haus, bis ich ihn schließlich weinend zusammen mit Leon finde.

Bei dem Anblick wird mir übel und fühle Unbehagen. Ich weiß nicht, ob es daran liegt, dass er schon wieder bei Leon ist, oder an der Tatsache, dass er weint. Und zwar nicht vor mir, sondern vor ihm! Wieso immer Leon? Das pisst mich voll an. Ein anderer Grund könnte sein, dass ich womöglich für Justins Tränen verantwortlich bin.

Um auf mich aufmerksam zu machen, räuspere ich mich. Beide schauen erschrocken zu mir und Justin verbirgt sein Gesicht bei meinem Anblick hinter Leon. "Kann ich kurz mit dir reden?", frage ich Justin. Doch er bringt nur ein ersticktes "Nein" heraus. Leon schaut mich böse an und stellt sich weiter beschützend vor Justin, was mich wütend macht, weshalb ich feindselig zurück starre. So leicht lasse ich mich aber nicht abschütteln, also beginne ich trotz Leons Anwesenheit an zu reden, auch wenn ich keine Ahnung habe was ich eigentlich sagen will. "Es tut mir leid, Justin. Also ich meine, dass ich... ähm.. dich verletzt habe." Ehrlich gesagt weiß ich nicht mal, was mein Fehler gewesen ist. Er schweigt nur. Das was ich als nächstes sagen will, ist mir total peinlich weshalb ich meinen Kopf senke. "Ich verstehe nur nicht, wieso du das gemacht hast, obwohl du und Leon - " Leon unterbricht mich: "Obwohl wir uns geküsst haben?" Ich fühle mich einfach nur ätzend, weshalb ich kein Wort rausbringen kann. Daraufhin fängt er an zu lachen. "Im ernst jetzt? Okay, tschau, klärt das mal unter euch." Mit diesen Worten macht er sich aus dem Staub. Was geht denn jetzt schon wieder vor sich?! "Leon..!", ruft Justin ihm verzweifelt hinterher, bleibt aber an der Stelle stehen. Dann wendet er sich an mich. "Bist du irgendwie bescheuert? Als ob Leon und ich uns jemals küssen würden! Wenn du die Sache auf dem Gang meinst, dann haben deine Augen dir nur einen dummen Streich gespielt. Leon hat dich nur verarscht." Was soll das denn jetzt wieder heißen?! Will der mich auf den Arm nehmen? "Wirklich..? Aber ihr seid doch sonst auch immer so intim.", sage ich vorsichtig. In Justins Augen liegt ein verletzter Ausdruck und seine Stimme ist leise als er sagt: "Ja, so wie du halt auch, oder nicht? Wir sind nunmal Kindheitsfreunde, was erwartest du? Dass wir uns wie Fremde behandeln?" Ich weiß nicht was ich darauf antworten soll, doch das muss ich auch gar nicht, denn er fährt fort: "Naja, sorry für die Sache vorhin. Vergiss es einfach. Vergiss einfach alles. Und komm mir bitte nicht mehr zu nahe." Er wirft mir einen letzten langen flehenden Blick zu, bevor er sich umdreht und davon geht. Ich spühre ein Stechen in meiner Brust und habe nicht die Kraft dazu, ihn aufzuhalten. So sollte das ganze eigentlich nicht laufen..

Seit unserem Wortwechsel habe ich Justin kaum noch zu Gesicht bekommen. Er verkriecht sich immer, sobald er mich sieht und ich weiß auch nicht wirklich was ich tun soll.

Reverse (BoyxBoy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt