Demonenschrei

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Die Nacht verfinstert sich über den Baumkronen. Das rauschen der Blätter tönt leise in meinen Ohren. Ein knistern lässt mich aufhorchen. Jemand kommt. Sie kommt. Grade noch weit entfernt. Ich schleiche lautlos über den Waldboden. Meine nackten Füße spüren das Moos unter meinen Füßen. Eine sanfte Briese bläßt durch meine schwarzen Haare. Ich sehe auf mich hinab. Eine scheinbar so zierliche und wehrlose Gestalt. Schön wie die Nacht. Gewissenlos wie der Morgen. Ich sehe mir zu wie meine Augen sich verdunkeln. Wie winzige Fasern ziehen sie sich weiter zusammen. Schwarz. Ich sehe den Raben an. Ich sehe direkt in seine schwarzen Augen die nun auch die meinen sind. Impulsartig wende ich meinen Blick zurück. Sehe sie an. Wie gebannt steht sie vor mir. Willenlos und armselig. Die Nacht ist still. Nicht einmal ein Wimpernzucken bewegt sich in der Nacht. Was hatte sie geglaubt? Dass ich sie mit freundlichen armen empfange? So gerne wollte sie perfekt sein. In dieser Welt ein Stern sein. Doch auf der Erde gibt es nur gefallene Sterne. Die Perfektion des Bösen. Das Lied des Teufels. Die Gesandten des Todes. Kurz, die Demonen. Mein stahlender Blick ängstigt sie. Ich kann es sehen. Kann sehen wie deutlich sie meine Präsenz spürt. Ihre Seele ist gefesselt. Nicht von mir. Wie könnte ich. Genormt und geregelt. Moralisch unverwerflich, nicht wahr? Ich muss lächeln. So naiv. So willenlos. Ich befreie sie. Erlöse sie von ihrem Leiden. Helfe ihr bei dem ewigen Kampf perfekt zu sein. Langsam gehe ich auf sie zu, der Blick star und undurchdringlich. "Hast du Angst schöne Frau?" Keine Antwort. "Aber nicht doch, wie könnte ich dieser makellosen Eleganz etwas anhaben wollen?", flüstere ich. Mein Blick gleitet über ihre schneeweiße haut. Ich schleiche um das regungslose Mädchen. "Bist du es nicht leid?" "Wovon redest du?", spricht das blonde Mädchen vorsichtig aber bestimmt. Vertraut sie mir? "Ich spreche von deinem leben." Der Ruf des Raben unterbricht die Stille. Ein lauter Wind zieht auf und weht mir die Haare vors Gesicht. Mit einem Ruck von hinten in die Kniekehlen fällt das Mädchen auf die Knie. Sie ist schön, eine Verschwendung das nicht zu würdigen. "Ich verspreche dir ein Leben in vollkommener Perfektion", rufe ich gegen den Wind. Mit einem lauten Fauchen bilden sich meine Reißzähne, die Narben stechen neu aus meiner haut und reißen auf wie blutige Wunden. Meine Hand legt sich blitzschnell um ihr Genick. Ich sehe zu wie ihre haut sich versinnbildlicht. Der Wind kreischt förmlich durch die Äste. Ihre Haut wird langsam kalt. Bald schon stehe ich nur noch eine Porzellanpuppe vor mir. Ich sehe dem Schauspiel begeistert zu. Mein Griff wird fester. Voll Wut und Hass breche ich mit Leichtigkeit ihr Porzellangenick. Ihr Körper durchzieht sich mit Rissen. Ihre Seele wird alt. Die Asche löst sich von ihrem Körper. Noch ist ihr Kopf auf ihrem Körper. Nicht mehr lange denke ich. Ich blicke ihr lange ins Gesicht. Ich blicke in ihre Seele. Eine Träne. Eine einzige vergossene Träne. Sie scheint ihr Leben nicht sehr geliebt zu haben. Mit einem lieblosen Tritt in den Hinterkopf zerfällt auch der Rest ihrer Welt in Asche.

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