Der Mond strahlte bereits über der Stadt, als ich die Leiter hinab stieg und einen letzten verstohlenen Blick nach oben warf. Ich war anscheinend masochistisch veranlagt, kein normaler Mensch würde sich sowas immer und immer wieder antun aber ich tat es. Mit schnellen Schritte lief ich durch die Gassen zu meinem Platz, kletterte gekonnt auf die hohe Mauer und sah über die leuchtende Stadt. Ich vermisste mein kühles Energy und fing leise an über mich selbst zu lachen ehe es sich in ein leises schluchzen verwandelte. Seit Monaten hatte ich nicht mehr geweint, ich konnte einfach nicht und jetzt lief die salzige Flüssigkeit unkontrolliert meine Wangen hinab. Sein Geschmack war immer noch deutlich auf meiner Zunge zu erkennen, sein
Geruch hing in meinen Haaren und ich könnte schwören, dass ich seine Hände immer noch auf meinem Körper spürte. Ich empfand so viel für ihn, würde es jedoch niemals aussprechen, nicht mal wagen daran zu denken. Fast schon hysterisch suchte ich nach meinen Zigaretten, konnte sie jedoch nicht finden. Wütend schrie ich auf und verfluchte mein Leben, konnte es eigentlich noch schlimmer werden? Nicht mal meine Zigarette war mir vergönnt, was hatte ich dem Kerl da oben nur getan. Stunden saß ich einfach nur hier, ich wusste niemand würde mich hier erreichen können, ein ruhiger Ort ohne jegliche Verbindung zur Zivilisation. Als mein Handy kurz vor zwei Uhr anzeigte, beschloss ich doch mal nach Hause zu gehen, wie immer sprang ich hinab und sah mir die Seite an. Irgendwann hatte ich aufgehört zu zählen, wie oft mein Schlüssel auf den harten Stein traf. Seufzend ritzte ich einen langen Strich hinein und fuhr mit meinen Fingern drüber "Du wirst nicht der letzte sein." hauchte ich und belog mich damit, zum ersten mal nicht mehr selbst.Meine Arme schmerzten als ich endlich in meinem Zimmer stand, zu oft hatte ich sie am heutigen Tag beansprucht. Mit leisen Schritten lief ich nochmal in die Küche um mir ein kaltes Glas Wasser ein zu gießen. Die kühle Flüssigkeit fuhr meinen trockenen Rachen hinab, Mamas Schuhe standen unordentlich vor der Tür, sie musste vor kurzem von der Arbeit gekommen sein. "Warum so spät noch wach?" tauchte plötzlich Elijah in der Küche auf und ich blickte in seine blauen Augen. "Hatte Durst." gab ich nur knapp zurück. Stumm sahen wir uns an, ich hatte keine Ahnung was ihn wach hielt, vielleicht war er auch erst Heim gekommen, ich wusste es nicht, dafür sprachen wir zu selten mit einander. "Ich habe dir eine neue Schachtel Zigaretten gekauft." hauchte er und ich schenkte ihm ein Lächeln. Ja Elijah war mein Zigarettenautomat, ich hatte weder das Geld noch die Lust mir immer wieder welche besorgen zu müssen, deshalb kaufte er mir jeden Montag, Mittwoch und Freitag eine Schachtel, im Gegenzug kochte ich für ihn am Wochenende was er wollte. "Komm her." sagt er und seine starken Arme zogen mich in eine Umarmung, selten tauschten wir Zärtlichkeiten aus, was jedoch normal für Geschwister war. Er roch nach frischem Apfel, was er seinem neuen Shampoo zu verdanken hatte, ich wusste es zu gut, schließlich musste ich es für unseren Prinzen besorgen. Seine Hand streichelte mein schwarzes Haar hinab und ich musste an die unbeschwerte Zeit denken, als wir Kinder waren. Er hatte mich immer getröstet und vor allem behütet, was auch nur ansatzweise schlecht seien könnte. "Du solltest ins Bett gehen Ruby, du bist sowieso schon ein Morgenmuffel, ich ertrage dich mit unter 6 Stunden Schlaf nicht." sagte er, jedoch wusste ich dass er es keinesfalls böse meinte. Ich war morgens einfach wirklich nicht zu gebrauchen, ich hauchte nur noch ein kurzes "Gute Nacht" und lief die Treppen hoch zu meinem Zimmer. Lächelnd betrachtete ich die Zigaretten auf meinem Nachttisch und schloss müde meine Augen.
Gleich würde Elijah in mein Zimmer kommen, seinen einstudierten Satz sagen und gehen. Wie aufs Stichwort sah ich seinen dunkelblonden Schopf und nickte ihm nur zu, als Bitte jetzt einfach mal die Klappe zu halten. "Ich weiß Bruderherz, ich weiß." schnaubte ich und schon war er weg. Leicht grinsend erinnerte ich mich an gestern Nacht zurück, ja er hatte Recht, unter 6 Stunden Schlaf waren mein Ende. Die Dusche ließ ich heute aus, wodurch mir mehr Zeit blieb und ich gelangweilt meinen Eyeliner zog, das einzige was ich in mein Gesicht schmierte, es betonte meine grauen Augen und gefiel mir irgendwie. Ich schlüpfte in meine Kleidung, ließ meine Haare offen und lief in die Küche. Mama saß wie ein Zombie auf dem Küchenstuhl und hielt ihren Kaffee fest in ihren Händen, als wäre er eine Droge. Eigentlich war er das auch, jedoch konnte ich es nachvollziehen, wenn ich jeden Tag bis spät in die Nacht arbeiten würde, würde ich vermutlich genauso aussehen. Ich drückte ihr einen leichten Kuss auf die Wange und sie schenkte mir ein schwaches Lächeln. Voller Hoffnung öffnete ich den Kühlschrank und führte einen inneren Freudentanz auf, als ich die große Dose Energy sah, wahrscheinlich hatte Elijah auch diese besorgt. Etwas fröhlicher und vor allem wacher lief ich auf Elijahs Wagen zu und nahm eine Zigarette zwischen meine Lippen, bevor ich sie jedoch anzünden konnte unterbrach mein Bruder mich. "Ich muss heute früher an der Schule sein, halte leider Gottes als erstes mein Referat, also los, du kannst auch vor der Schule Rauchen." schnaubte er und ich wusste, dass diskutieren sinnlos war. Die Fahrt war schneller vorbei als mir lieb ist und schon stiegen wir aus, wie immer lagen alle Blicke auf mir. Diesmal waren Scarlett und er leider früher da und so kam es, dass ich mir die beiden schon am frühen Morgen ansehen musste. Ihre blauen Augen richteten sich auf mich und musterten meinen Körper, genervt schnaubte ich absichtlich laut und lief an ihr vorbei, ich war nicht schüchtern, kein bisschen. Sie juckten mich alle einfach nicht mal im geringsten. "Hat das Mäuschen gerade geschnaubt?" fragte sie aufgebracht und ich konnte deutlich hören wie mein Bruder zu ihnen stieß. Ich führte einen kurzen inneren Kampf mit mir selbst, drehte mich dann jedoch mit selbstbewussten Schritten um und blieb etwas entfernt von ihr stehen. Anscheinend wollte Elijah mich gerade verteidigen, jedoch war ich alt genug dies selbst zu tun "Mein Name ist Ruby und tut mir leid aber wenn du mich abcheckst habe ich sehr wohl das Recht zu schnauben. Mach nächstes mal ein Foto, hält länger Prinzessin." sagte ich laut und drehte mich um. Ich wusste das niemand so mit ihr reden würde und gerade deshalb klopfte ich mir gerade selbst auf die Schulter. In der Raucherecke stieß ich auf Mason der sanft seinen Arm um mich legte, ich drückte ihn in eine warme Umarmung, da der Schwachkopf heute Geburtstag hatte. "Alles Liebe." sagte ich und er lachte auf. "Ich werde alt." antwortete er theatralisch und faste sich ans Herz. Während wir zusammen da standen kam er meinem Ohr immer näher und hauchte "Die Aktion mit Scarlett war nötig, ich bin stolz auf dich Ruby."
Wenn er nur wüsste, wo ich meinen gestrigen Abend verbracht hatte.Da ich so viel positives Feedback bekommen habe, kommt gleich heute noch ein Teil.
Ich würde mich über Kommentare freuen. ❤️
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Shameless
General FictionMüde blies ich den Rauch in die kalte Nachtluft, die letzten Schlücke meines Energy Drinks vermischten sich mit dem Tabak Geschmack auf meiner Zunge. Ich hatte das Gefühl dass machte mich aus, wie lächerlich und gleichzeitig witzig. Ein fast 18 jähr...