Kapitel 15: Arschloch

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"Yoshua! Angel! Essen ist fertig!", ruft die alte Dame aus der Küche und trägt eine Pfanne mit brutzelnden Schnitzel darauf auf den Tisch und stellt diese dort auf eine kleine Platte aus Holz. Ich überlasse Angel mein Handy und erhebe mich, um ihr tragen zu helfen. Ein paar Gläser, eine Salatschüssel ... Das Ömchen scheint sich wirklich Mühe gegeben zu haben, denn das ist nichts, was man mal schnell nebenbei kocht. Sie verteilt das panierte Fleisch auf unseren Tellern und kippt etwas von der Pilzsoße darauf. "Dann lasst es euch mal schmecken!"

Heute war ein guter Tag, so meine Gedankengänge auf dem Heimweg. Mit vollen Magen und einem lächelnden Gesicht schließe ich meine kleine Wohnung auf, um mich zufrieden auf das Sofa fallen zu lassen, auf dem ich oft schlafe. Ich mag die beiden wirklich sehr gerne. Besonders Angels Großmutter, weil sie so herzlich ist. Vielleicht erzähle ich Angel nicht wie sonst jeden, dass es nur ein Spaß war, um sie nicht zu verletzen. Ich glaube, dass es besser wäre, wenn sie einfach denken, dass es zwischen uns nicht mehr gepasst hätte und es deswegen so kam. Einfach so tun, als wären meine Gefühle für Angel echt gewesen. Sicherlich würde mir das einiges an schlechten Gewissen ersparen.

Während ich mich zufrieden zusammen rolle, kommen in mir die Gedanken, wie es wäre, wenn ich Angel tatsächlich nicht auf meine Seite ziehen könnte. Was ist, wenn wir zwar sehr gute Freunde werden, aber er so jemand ist, der sich überhaupt nicht auf mehr einlässt? Ich finde es zwar unwahrscheinlich, da man Menschen mit gleichen Geschlecht eigentlich recht flott in das Bett bekommt, aber so etwas kann auch immer vorkommen. Viele denken, dass es schwer wäre als Schwuler einen Partner zu finden, aber so sehe ich das gar nicht. Man muss einfach nur zu sich stehen und sagen, wen oder was man wie will und schon entwickelt sich der Rest von alleine. Das ist natürlich nicht überall so, aber selbst wenn die Jungs nicht homosexuell sind, lassen sich viele auf ein paar Experimente ein. Wie ist es denn so, mit dem selben Geschlecht zu schlafen? Das ist doch ganz interessant zu wissen. Jedenfalls war dies mein Grund, weshalb ich damals mit anderen, jungen Männern geschlafen habe. Einfach ausprobieren, ein wenig herum experimentieren. Mir hat es gefallen, genauso wie es mir mit Frauen mundet. Ich bezweifle jedoch stark, dass Angel in diesem Thema einer Meinung mit mir ist. Sicherlich wird er sogar ziemlich verklemmt sein, was Sex betrifft, so dass selbst ich daran zweifle, ob ich ihn darauf ansprechen könnte, ohne ihn sofort zu verschrecken. Wahrscheinlich werde ich mir damit noch ein wenig Zeit lassen, bis wir an dem Punkt sind, wo man nachts nebeneinander hergeht und alle möglichen, dümmlichen Themen bespricht.

Das kann nur bei Angel lange dauern und ich will Ray nicht all zu lange auf seine spezielle Sprachnachricht warten lassen, jedoch muss sich mein bester Freund wohl wie ich in Geduld üben.

Für heute heißt es allerdings Gute Nacht, Welt. Ich habe am morgigen Tag wieder einiges zu tun.

Ich sehe Angel für ein paar Tage nicht. Durch Dinge wie die Universität oder einfach nur mit Ray zusammen Fernsehen schauen, habe ich mir einfach für die kurze Zeit keine Gedanken um ihn oder seine Oma gemacht. Der Junge war, ist und wird nicht mein Lebensmittelpunkt sein und das ist auch gut so. Man sollte immer einen gewissen Abstand zu den Personen halten, die man nur ausnutzt, denn wenn es irgendwann einmal heraus kommt und du sie schlussendlich doch irgendwie in dein Herz geschlossen hast, kann das ziemlich schmerzhaft enden, wenn sie so unendlich wütend auf dich ist und dich vielleicht in den Dreck fallen lässt, so wie du es auch verdient hast. Keine schöne Erfahrung, einmal und nie wieder. Ach ja, dieses Mädchen damals - das waren noch Zeiten. Ich weiß noch, wie ich es damals noch ernst mit einer Frau gemeint habe und sie schließlich vor meinen Augen mit einen anderen mitgegangen war. Der Zeitpunkt, an dem mich Beziehung und Liebe nicht mehr juckt, der kam in dieser Sekunde wie ein Blitz auf mich zu geschossen. Diese Vorsätze werde ich auch bei Angel so anwenden, ebenso wie bei allen vor ihm und auch nach ihm. Mittlerweile bin ich wirklich geübt darin ... Umso länger ich mich mit meiner Lebensweise beschäftige, meistens abends, wenn ich im Bett liege, dann denke ich mir immer wieder, dass ich ein ziemliches Arschloch bin. Aber hey, das ist im Affekt überhaupt nicht schlimm, denn fast jeder ist so. Gutmenschen und Engel, welch ein Wortspiel, haben es einfach schwer in dieser Welt. Deswegen gibt es davon auch beinahe keine, also ist es okay, mich einfach anzupassen.


An einen Samstag Morgen gehe ich wieder früh wie die ersten Tage zur Eisbahn, um Angel zu sehen. Gerade, als sich mir Zweifel einschleichen, sehe ich nur einen einzigen Jungen auf der Eisbahn. Wer das wohl sein wird ... "Morgen!", grüße ich sie, wie immer. Ich kann mir ein schönes, warmes, gemeinsames Abendessen gerade gut vorstellen ... "Lust auf ein gemeinsames Wochenende?", grinse ich Angel an, als er an den Rand fährt. "Keine Zeit", schüttelt der Junge allerdings den Kopf. "Warum?", will ich wissen und das Ömchen kommt ihm wieder zuvor. Hat Angel denn nicht immer Zeit?

Hold My Ice Skates (BoyxBoy, Yaoi)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt