Verwundert blicke ich auf mein Display, doch ich spare mir eine weitere Nachricht, bevor ich ihn anrufe. Er geht zwar dran, doch sagt kein Wort. „Hey, ist alles okay bei dir?", frage ich ihn mit einer warmen Stimme, als mich ein seltsames Gefühl überkommt.
„Nachdem ich dein ‚Gute Nacht, Doppelpunkt Drei' bekommen habe, ging es mir schon ein bisschen besser ...", höre ich Angels Stimme über den Hörer und es klingt, als würde er dabei lächeln. „Oh, sorry, daran habe ich nicht gedacht", liest sein Handy ihm schließlich keine Smiles vor. „Was war denn? Alles gut?" Ich drehe mich auf die Seite und mache müde die Augen zu, während ich das Gerät auf meinem Ohr liegen lasse. „Eigentlich ist schon alles gut, eben hatte ich nur Stress mit meinem Vater ... Du hast ja letztens mitbekommen, wie der so drauf ist ... Wegen meinem Training und er wollte mich ja sprechen, hat er kurz nachdem du weg warst dann auch gemacht ... War nicht so schön für mich, das ist alles."
„Mhm, willst du drüber reden? Ich hab ein offenes Ohr für dich."
„Ach nein, ich will dich nicht mit so etwas nerven ..." Im selben Atemzug beginnt er jedoch dennoch mit dem Erzählen und führt seine Sätze fort. „Wir sind halt einfach nicht mehr Vater und Sohn, seit ich erblindet bin. Dabei bin ich doch immer noch derselbe, ich mache bis auf ein paar Ausnahmen genau das gleiche wie früher. Ich darf ihn nicht Vater nennen, sondern nur beim Vornamen. Er tut immer so, als müsste ich so tun, als wäre das eine Ehre für mich – so ganz nach dem Motto ‚Sei froh, dass du mich nicht Frau oder Herr nennen musst!'. Das hat er mir heute einfach noch mal richtig zu verstehen gegeben, das ist alles ... Es belastet mich halt einfach, ... Jetzt habe ich doch drüber geredet, sorry ..."
„Ist schon gut", murre ich bereits halb dem Schlaf verfallen und bemühe mich darum, wach zu bleiben. Die Kraft aufbringen, viel darauf zu erwidern, kann ich jedoch nicht. „Oh, mhm ... Nerve ich dich?"
„Nein, ich bin nur müde ..." – „Ja, ist ja auch schon spät, dann lass uns wieder auflegen ... Entschuldige."
„Nein, ich bleib dran." Ich kämpfe ein wenig mit mir mich aufzusetzen, um nicht einfach einzunicken. „Äh, okay...", antwortet Angel mir recht knapp und ich kann fühlen, dass er es bereut, mich um einen Anruf gefragt zu haben. Da gibt es leider nur eins, dass ich tun kann, um ihm zu zeigen, dass wirklich alles gut war. „Angel ... Soll ich vorbeikommen? Es ist ja nicht weit."
Er zögert kurz, bevor er am anderen Ende der Leitung seufzt. „Wenn du willst? Aber nicht klingeln, Großmama schläft schon." Trotz meiner Müdigkeit muss ich lächeln. „Alles klar. Dann bis gleich."
„Bis gleich", dann legt er auf. Ich lehne mich zurück und verharre noch kurz auf meinem Bett, ehe ich mich erhebe und kurz in das Bad schaukle, um mir das Gesicht zu waschen. Tja, da hätte ich heute gar nicht erst nach Hause gehen müssen. Ich ziehe mir meine Winterkleidung an und trotte im Dunkeln den verschneiten Weg entlang. Besonders um diese Zeit ist es in dieser Jahreszeit sehr kalt und die wenigen Laternen geben ihr warmes Licht auf den Schnee ab, sodass ich genug erkennen kann. Es dauert ein paar Minuten, bis ich an dem kleinen Vorgarten ankomme und ich lese kurz auf meinem Handydisplay, dass es bereits fast 22 Uhr ist. Manchmal hat es auch seine Vorteile Student zu sein.
Da ich nicht klingeln soll, will ich ihm eine neue Nachricht schreiben, damit er mir öffnet, doch da erinnere ich mich an den Schlüssel unter dem Blumenkasten, dessen Standort mir das Ömchen anvertraut hatte. Tatsächlich liegt darunter einer und ich kann mir selbst aufschließen. Alles ist dunkel, ich kann kaum etwas sehen. So leise wie möglich schließe ich die Tür hinter mir und taste mich an der Wand lang in die Richtung, in der Angels Zimmer liegt. Ich bin froh, als ich einen kleinen Lichtschlitz erkennen kann, welcher mir den richtigen Weg zu Angels Tür leitet. Und da sitzt er: auf seinem Bett, den Loomkasten und sein Handy vor sich, als ob er auf eine Nachricht von mir gewartet hätte. „Du bist schneller, als ich dachte", begrüßt er mich und hält seinen Gummiball hoch, den er aus all den Bändern zusammen setzt. „Was machst du da grade?" – „Das wird ein Fuchs, das ist der Körper, man erkennt aber noch nichts." Er steckt diese seltsame Häkelnadel durch ein paar der Bänder, damit sie nicht aufgehen und legt alles in den Schuhkarton, welchen er unter seinem Bett bunkert. „Danke, dass du gekommen bist ... Wenn ich hier nur so ganz alleine bin, neige ich sehr dazu mir zu viele Gedanken zu machen ... Willst du etwas trinken? Wasser? Cola? Tee?"
Ich muss über Angels Gastfreundlichkeit lächeln und lehne mich wie immer an die Wand, an welcher sein Bett steht. Es ist schon beinahe so etwas wie mein reservierter Platz. „Ein Wasser reicht, danke." Er lächelt kurz und verlässt das Zimmer, doch nur wenige Sekunden vergehen, ehe er zurück kommt. „Still oder mit Kohlensäure?" Ein leises Kichern entfährt mir, bevor ich ihm antworte. „Kohlensäure bitte."
Wieder verschwindet er und mir fällt auf, wie still es hier in diesem Zimmer eigentlich ist. Nicht einmal das Ticken einer Uhr oder Autos, die draußen über die Straßen fahren kann man hier hören. Als Angel mit zwei vollen Gläsern und einer Flasche unter dem Arm wiederkommt, nehme ich ihm beide Getränke ab, damit er sich setzen kann. „Danke! Es ist übrigens gar kein Problem, dass ich um die Uhrzeit noch vorbeikomme. Für mich zumindest nicht."
„Dann ist ja gut ... Ich hab mir schon Sorgen gemacht, ob ich vielleicht zu aufdringlich bin."
Er nimmt mir eines der Gläser ab und nippt kurz daran. „Ach, Quatsch. Wenn überhaupt, bin ich der aufdringliche von uns beiden – das hast du selbst schon einmal gesagt!"
„Stimmt", Angel grinst kurz, bevor er mich anblickt. „Bist du noch müde? Willst du hier schlafen?"
„Davon wäre ich jetzt ausgegangen, ja."
„Oh, äh ..." Der hellblonde Junge zögert kurz, als wäre er nicht darauf vorbereitet gewesen. „Ja, willst du dann in meinem Bett schlafen? Ich kann auf die Couch draußen gehen."
Süß. Ich persönlich hätte den Besucher auf die Couch geschickt, wenn ich kein Interesse an einem gemeinsamen Schlafplatz hätte. „Mir würde es auch nichts ausmachen, mir ein Bett mit dir zu teilen." Angel hat ein Doppelbett für sich ganz alleine, da wäre wirklich genug Platz. Nicht so wie in meinem Studentenbett. „Äh ... Okay ... Bei mir hat noch nicht oft jemand übernachtet, deswegen ..."
„Ach, ist doch kein Problem ... Falls es dich stört, kann auch ich auf die Couch ziehen."
„Nein, ist schon gut." Er lächelt und stellt sein leeres Glas auf einen kleinen Tisch neben dem Bett, welcher als eine Art Nachttisch fungiert. „Hast du Zahnputzzeug mit?"
„Oh ... Nein, vergessen." – „Kein Ding, komm mit!" Angel nimmt mich an der Hand und ich muss ihm blind folgen, da er nicht einmal die Lichter im Haus anmacht – im Gegensatz zu ihm finde ich mich hier nicht so zurecht, so ganz ohne mein Augenlicht. „Der Lichtschalter ist irgendwo rechts neben der Tür." Noch während es dunkel ist, kann ich hören wie Angel in irgendwelchen Schubladen herumkramt und kaum habe ich das Licht angeschaltet, hält er mir eine neue Zahnbürste vor das Gesicht. „Ah, danke", grinse ich und ich weiß nicht warum, aber ich finde das ziemlich bemerkenswert. Nicht einmal bei mir selbst zuhause könnte ich ohne Licht irgendetwas finden. Andererseits bin ich es auch nicht gewohnt, nichts zu sehen. „Hast wohl dein Zimmerlicht nur für mich angelassen, huh?" – „So ist es", grinst er und während er sich die Paste auf seine elektrische Zahnbürste schmiert, grinst er wie ein kleines Kind. Keine Ahnung, worüber er sich gerade so freut, aber ich mag es. Er macht die Paste ganz anders als andere Leute drauf, schon klar, sonst geht ja alles daneben. Er fasst die Bürste fast am vorderen Ende an, so dass er sich die Paste beinahe auf den Daumen schmiert. Ich beobachte ihn und die Umgebung, während ich mir die Zähne putze. Das Bad ist ziemlich groß und sie haben sogar eine nette Badewanne hier stehen – so eine, von der Leute wie ich nur träumen können! Er spuckt aus und spült sich den Mund aus – danach bin ich an der Reihe.
„Du, Yoshi?" – „Mhm?", bringe ich gerade noch so mit vollen Mund heraus, da sagt er etwas, das mir Freude bereitet. „Ich will doch ein bisschen was über deine Interessen erfahren."
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Hold My Ice Skates (BoyxBoy, Yaoi)
Romantizm"Ich musste erst blind werden, um richtig sehen zu können." Für Yoshua gibt es keinen größeren Spaß als Sex! Egal, ob Mann oder Frau - Hauptsache willig! Doch der blinde Eiskunstläufer mit dem komischen Namen soll sich als eine Herausforderung herau...