Kapitel 28: Schöne Weihnachtsgrüße

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Was soll ich sagen? Ich habe ziemlich schlecht geschlafen und wache mit Kopfschmerzen wieder auf. Trotz meiner gestrigen Wut fühle ich davon nichts mehr, sie hat sich eher in einen leichten Schmerz in meiner Brust umgewandelt. Ich sollte Angel einfach vergessen, die ganze Wette vergessen. Er hat mir zu genüge gezeigt, dass er mich nicht will, also sollte ich einfach nicht mehr daran denken.

Heute ist ein unifreier Tag und da lernen nicht in Frage kommt, weiß ich gar nicht was ich machen könnte. Stattdessen sitze ich auf meinem Sofa und langweile mich zu Tode, auch der Fernseher kann mir da nicht mehr weiterhelfen. Kurzerhand entscheide ich mich dazu etwas aufzuräumen und meine Zeit zumindest ein wenig sinnvoll zu nutzen. Kopfhörer rein und alles mögliche in einen Müllsack stopfen, so weit ist es schon bei mir. Auch Gegenstände mit denen ich letzten endes gar nichts anfangen kann, werfe ich einfach in den Sack. Auf Mülltrennung achte ich dabei nicht, aber hey, das ist auch mal in Ordnung. Man kann immer mehr vom Boden erkennen und ich kann mich sogar dazu aufraffen, am Ende durchzuwischen und die Fenster zu putzen. Einige Stunden meiner Zeit investiere ich in meine kleine Wohnung und ich muss sagen, dass ich schon stolz auf mich bin, als ich mich setze und alles viel schöner aussieht. Mal sehen wie lange das so bleibt - ich tippe auf zwei bis drei Tage. So ordentlich wie es jetzt ist, könnte ich sogar Angel einladen.
Ach, da ist er wieder. In meinen Gedanken, dort, wo er nicht zu sein hat und schnell fühle ich mich wieder schlecht. Ray hält auch nicht wirklich zu mir, dabei ist er doch mein bester Freund. Sollte ich nicht eigentlich ihm erzählen können, dass mich diese Wette belastet? Oder dass ich denke, mehr für Angel zu fühlen? Stattdessen macht er mir Druck und alles nur noch schlimmer. Würde ich ihm von meinen Gefühlen erzählen, würde er sich wohl kaum mehr halten können vor lachen.

Seufzend lasse ich mich auf mein Bett fallen und endlich muss ich mir meinen Weg dorthin nicht mehr freikämpfen. Trotzdem fühle ich es ständig in mir, diesen Drang. Wie gerne würde ich Angel jetzt gerade anrufen und mit ihm reden? Aber nein, ich weiß genau, dass ihm das unangenehm wäre und das nun wohl das Ende unserer gerade erst begonnenen Freundschaft ist. Lange hat sich das schon nicht mehr so schlecht angefühlt und genau das ist der Grund, warum man nicht mehr für jemanden empfinden sollte. Schließlich kommt immer irgendetwas dazwischen. Sie haben jemand anderen, du bist nicht gut genug für sie und sie nehmen sich einfach jemand anderen, man wird ausgenutzt ... Am Ende wird man immer enttäuscht und nicht nur in Sachen Beziehung. Auch an Ray merke ich in letzter Zeit, dass er mich einfach nicht gut behandelt. Andererseits habe ich momentan doch nur ihn, natürlich will ich da dazugehören. Vor allem weil all meine anderen Bekannten alle auch etwas mit Ray zu tun haben. Letzten endes wäre ich ganz allein, würde ich Ray die Wahrheit sagen.
Einen tollen besten Freund habe ich mir da ausgesucht.

Die nächsten Tage höre ich nichts von Angel und rund um das Thema um ihn weiche ich aus, wenn Ray mich darauf anspricht. Ich weiß, dass ich Angel vergessen kann und meine Sorgen drehen sich mehr darum, wie ich Ray erklären soll, dass ich die Wette verloren habe.
Er merkt, dass ich mich immer mehr zurückziehe und wenn ich ganz ehrlich sein soll, fühle ich mich unglücklich. Ich vermisse das Ömchen und ihr Essen, den warmen Ofen dort und wenn ich auf den Kalender gucke, sehe ich den Weihnachtsabend immer näher rücken, den ich nun wohl doch alleine verbringen muss. Wäre ja auch zu schön gewesen, um wahr zu sein.
Ich und eine Familie, in welcher Traumwelt lebe ich denn bitte?

Es ist soweit und der Weihnachtsmann steht vor der Tür. Nun, für andere zumindest. Ray spricht von seinen großen Feten und meine Eltern antworten mir nicht auf meine schönen Weihnachtsgrüße.
Im Grunde ist Weihnachten genauso, wie ich es mir vorgestellt hatte.
Einfach nur scheiße.

Ich fühle mich wie der einzige Mensch auf Erden, der niemanden hat. Beim Einkaufen habe ich Freunde und Familien gesehen, nur ich war alleine unterwegs.
Wenigstens eine gute Sache hat ein einsames Weihnachten: Ich muss niemanden Geschenke kaufen. Tja, das war's auch schon.

Um es mir so schön und angenehm wie möglich zu machen, habe ich mir eine kleine Fertigente aus dem Tiefkühllager gegönnt und nehme, wie soll es auch anders sein, meinen Platz vor dem Fernseher ein. Weihnachtsfilme hier, glückliche Familien dort.
Wo ist der Penner, der alleime vor dem TV sitzt und fast heulen muss? Nirgends! Trotzdem lasse ich die Filme weiterlaufen und stochere lustlos in meiner gebackenen Ente herum, deren umliegendes Gemüse ziemlich umgenießbar schmeckt.

Nach nicht einmal der Hälfte lege ich alles zur Seite und rolle mich ein. Besonders heute wird mir klar, wie trostlos alles ist und wie sehr ich mir Ömchens warme Köstlichkeiten herwünsche.

Wie immer hat mein Telefon das perfekte Timing, als es unerwartet klingelt, während ich gerade wieder am Einschlafen war. Draußen ist es schon dunkel, allerdings liegt das viel mehr an der Jahres-, statt
an der Uhrzeit. Mein Herz macht einen Schubs, als ich Angels Namen auf dem Display lesen kann und ich zögere einen Moment, ehe ich den grünen Hörer zur Seite ziehe. Ich schweige und kann mich nicht einmal zu einem Hallo überwinden.
"Äh, hi?", klingt Angels Stimme an mein Ohr und erst jetzt kann ich mich zu einem leisen "Ja?" durchringen.
"Ah, ja ... Kommst du heute nicht mehr? Wir warten schon den ganzen Tag auf dich."
Ich schweige und kratze mich am Hals, während irgendein dummes Gefühl in meinem Bauch verrückt spielt. "Wirklich? Ich dachte, ich wäre ausgeladen?"
"Hat dich irgendjemand ausgeladen? Nein." Seine Stimme klingt ungewöhnlich hart, das bin ich gar nicht gewohnt von ihm.
"Ja, schon, aber... Angel, du weißt -..."
"Ja, ich weiß. Reden wir ... einfach ein anderes mal drüber, okay? Komm jetzt lieber her, sonst wird das Essen kalt."

Auch, wenn ich es nicht sehen kann - ich spüre, dass Angel lächelt und auch ich muss plötzlich grinsen. "Wenn du nicht sauer bist, hättest du dich ruhig mal melden können."
"Du hättest dich auch mal melden können!", antwortet er mir durch die Leitung. "Komm jetzt rüber, Großmama wartet."

Hold My Ice Skates (BoyxBoy, Yaoi)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt