Kapitel 20: Einen guten Freund gefunden

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Das Ömchen seufzt, als sie die wütende Stimme von Angels Vater zu Ohren bekommt und auch der Junge selbst zuckt kurz zusammen. Ich persönlich habe nun wirklich keine Lust auf diesen Mann! Selten ist mir jemand so unsympathisch wie er. So streng und so ganz ohne Mitgefühl. Wie kann man zu seinem eigenen Sohn sagen, dass man sich über seinen Besuch wundert, denn so jemand wie er hätte keine Freunde? Das muss ziemlich verletzend sein so etwas vom eigenen Vater zu Ohren zu bekommen, für Angel sicherlich besonders. Der hellhaarige Junge ist zwar nicht unter die ersten Drei gekommen, aber wenigstens unter die ersten Zehn und ich hoffe, dieser Fakt wird ihn nun aufmuntern, wenn die Standpauke seines Vaters vorbei ist.


Ich selbst kann ihm da nämlich leider auch nicht helfen, spätestens wenn ich weg bin, würde Angel dennoch einiges zu hören bekommen. 


"Könnt ihr mir bitte mal sagen, was das soll?! Euretwegen habe ich einen wichtigen Termin verpasst, ist euch klar, dass mein Beruf wichtiger ist als irgend so ein dämlicher Eiskunstwettbewerb?" schien er bereits genaustens Bescheid zu wissen, wo wir uns mit seinem Auto aufgehalten haben. Es ist mitten in der Nacht und obwohl er morgen sicherlich wieder früh aufstehen muss, ist ihm dieses Zur-Rede-stellen wohl wohl wichtiger als das.

"Es tut uns Leid, aber uns war es nun einmal auch wichtig, daran teilzunehmen, verstehst du?", versucht die alte Frau ihn mit freundlicher Mine zu beruhigen. "Angel ist sogar unter die ersten zehn gekommen!"

Kurz stockte der Mann. "Wirklich?", fragte er, als würde er sich tatsächlich von Angels Erfolg ablenken lassen und darüber Bescheid wissen, dass das eine sehr lobenswerte Leistung ist, doch er schüttelte nur den Kopf. "Ihr nehmt mir mein Auto, ohne zu fragen, um so einen gefährlichen Unfug zu praktizieren und alles was ihr zu sagen habt ist, dass ihr auch noch erfolgreich dabei wart?" Er beißt die  Zähne zusammen und verschränkt seine Arme, der Blick seiner Augen fällt auf mich. "Dich will ich nicht mehr auf meinem Grundstück sehen", beschließt der Mann, der seinem Sohn ganz ähnlich sieht. "Du hast das hier veranstaltet, du bist wirklich ein schlechter Einfluss."

Was redet er denn da plötzlich? Wie kommt er bitte darauf? Er soll mal nicht den Chef hier heraushängen lassen, Angel hat ein eigenes Leben. "Ihr Sohn ist erwachsen, ich bin davon überzeugt, dass er selbst entscheiden kann, mit wem er sich anfreundet und mit wem nicht", antwortete ich. Dieses Grundstück gehörte nicht nur ihm, sondern auch dem Ömchen. Solange ich nicht seine Wohnung betrete, ist es also vollkommen okay, dass ich hier bleibe, bis das Ömchen mich auch nicht mehr sehen will - und soweit wird es nicht kommen.

"Also zu mir darf Yoshua immer kommen!", unterstützt sie mich und ich fühle mich gut, weil der Vater alleine gegen uns steht. "Aha", entgegnet er und blickt wieder zu seinem blinden Sohn. "Du kommst morgen runter, wir beide unterhalten uns mal eine Runde", will er Angel morgen nach der Arbeit wohl ausschimpfen. "Ach, sei doch bitte nicht immer so streng!", erwidert die Großmutter, doch er dreht sich bereits weg. "Morgen kommt er runter!", wiederholt er sich und verschwindet ein paar Treppenstufen hinab in die Kellerwohnung. Oh, ehrlich gesagt hätte ich mir seine Standpauke etwas schlimmer vorgestellt, aber er ist wohl zu müde, um sich richtig in das Zeug zu legen, und das auch noch gegen drei Personen.


"Das ging ja noch, oder?", frage ich und an meiner guten Laune hat sich eigentlich nichts getan, nur Angel sieht etwas niedergeschlagen aus, aber wen wundert das schon. "Ach Großer, das wird schon", lächle ich ihm zu. "Ich mache morgen etwas ganz besonders schönes zum Essen, das heute muss gefeiert werden. Tut mir Leid, dass er sich nicht für uns freut", sagt die alte Dame und führt Angel die Treppen hinauf, der kein einziges Wort verloren hat. 

"Ich weiß nicht, ob ich morgen nach Dad noch Hunger habe ...", murmelt er und tut den Koffer mit seinen geliebten Schlittschuhen zur Seite. "Dass er sich nie für mich freuen kann, nie lobt er mich oder sagt, dass ich etwas gut gemacht habe, dabei wollte er früher doch immer, dass ich Schlittschuh laufe. Das wäre so schön, bla bla bla, alles klar ... Jetzt mache ich es eben nur für mich." Ich glaube, ich habe den Ausdruck in Angels Gesicht so eben mit Trauer verwechselt, doch eigentlich ist es Wut. "Ich gehe in das Bett ..." Schnell beruhigt er sich aber wieder. Wütend zu sein passt auch meiner Meinung nach nicht zu seinem sanften Wesen, das er ausstrahlt. "Danke für alles, Oma." Er lächelt sogar etwas und umarmt die alte Frau kurz.

"Du kommst doch trotzdem weiter zu Besuch, oder?", wendet Angel schließlich die eisblauen Augen auf mich und ich bin etwas verwundert über diese Frage, doch andererseits freute ich mich, dass er sich endlich an mich gewöhnt zu haben scheint und mein Dasein auch genießt. Vor allem nach heute sollte das aber klar sein, ich habe echt viel für ihn getan in dieser kurzen Zeit. "Na klar", beginne ich warm zu lächeln und tätschle kurz den Kopf des anderen. "Aber für heute verabschiede ich mich mal. Wir sehen uns." Ups, er ist ja blind ... Wie ich das immer wieder vergesse, wenn ich so etwas von mir gebe, jedoch wirkt Angel nicht gekränkt und lächelt mir zu. "Gute Nacht, Yoshi", wünscht er mir und dreht sich weg, um sich zurückzuziehen.


Auch die alte Frau legt zum Ausdruck ihrer Dankbarkeit nochmals die Arme um mich. "Danke, dass du für ihn da bist und dich selbst vor seinem Vater für ihn einsetzt. Wenn irgendetwas ist, kannst du immer hier her kommen, der Schlüssel liegt unter dem leeren Blumenkasten", vertraut sie mir an. "Wer weiß, wie er reagiert hätte, wenn du nicht dabei gewesen wärst ... Angel hat einen so guten Freund in dir gefunden!"


"Danke, Ömchen ... Ich weiß das wirklich zu schätzen", bedankte ich mich und erwiderte kurz die Umarmung. Jetzt weiß ich sogar schon, wo der Schlüssel versteckt liegt ... Dieses Zeichen des Vertrauens freut mich irgendwie. "Ich gehe dann mal ... Wir sehen und morgen zum Essen, ja?"

"Ich freue mich auf dich"; nickt sie freudig und öffnet mir die Tür. "Komm gut Heim, Yoshi."

"Gute Nacht, bis morgen!"

Hold My Ice Skates (BoyxBoy, Yaoi)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt