Kapitel 18: Meister der Eiskunst

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Eigentlich macht das Bild der Eiskunstläuferin keinen besonderen Eindruck auf mich. Ich selbst könnte keinen einzigen Schritt davon, aber dennoch haut es mich nicht unbedingt vom Hocker. Das mag auch daran liegen, dass ich einfach nur Angel sehen will und nicht irgendwelche anderen Kanditaten. Die Musik, welche im Hintergrund läuft, erinnert mich an irgendetwas. Eir Prinzessin und der Nussknacker, Ach, ich weiß auch nicht mehr, wie die Melodie letztendlich genau heißt.

Ehrlich gesagt trifte ich mit meinen Gedanken auch etwas ab und passe nicht ganz auf das auf, was die Frau da unten auf der Fläche aus Eis vorführt, genauso wenig schenke ich den folgenden Kandidaten meine Aufmerksamkeitkeit. Ich bin wirklich nur wegen Angel hier, nur ihm werde ich zusehen. So gut wie er ist, wird wr sowieso den ersten Platz machen, auch wenn es wirklich sehr, sehr viele Teilnehmer sind. Man muss schließlich auch beachten, dass er das alles blind kann, oder etwa nicht? Das ist doch ein viel größeres Talent als alle anderen hier.

Die Musik wechselt, die Lichter wechseln und nach gefühlten Stunden ist auch endlich Angel als einer der letzten an der Reihe. Dieses ganze Bewertungssystem verstehe ich zwar nicht wirklich, aber dennoch bin ich zuversichtlich. Man sieht Angel seine Blindheit gar nicht an. Er sieht aus wie jemand, der sehen könnte, wo er lang fährt. Ich erwache förmlich aus meinem Halbschlaf, als Angels Name ausgerufen wird. Vorher wäre ich trotz der Lautstärke und dem Klatschen ab und an beinahe eingenickt ... Angel macht zumindest meinen Augen keinen Fehler, alle Figurem sehen für mich flüssig und elegant aus. Er knickt nicht um, fällt nicht hin, steht sicher auf seinen Schlittschuhen und ich muss richtig breit grinsen, weil ich seinen ersten Platz schon vor den Augen habe und sein glückliches Gesicht dazu und wie er sagt, dass sich das Training so früh morgens all die Wochen gelohnt hat.

Auch das Ömchen hat ein zufriedenes Lächeln im Gesicht, als ich kurz zu ihr blicke, doch in der selben Sekunde verschwindet es und ich folge ihren Augen zurück auf sie Eiskunstlaufbahn.

Angel, der noch nie auf dieser Bahn hier gefahren ist und auch keine Zeit dazu hatte abzutasten wo die Abgrenzung ist, um auch nur irgendwie einschätzen zu können, wo das Eis endet, ist mit voller Fahrt gegen die Barrieren gefahren und hängt in der Sekunde, die ich zu ihm hinab blicke, mit dem Oberkörper komplett über dem Rand der Bahn und hält sich gerade noch so daran fest, um nicht vollkommen kopfüber auf die Seite der Zuschauer zu fallen. Viele der Leute machen ein mitleidiges Geräusch, das so vermehrt und laut ist, dass es trotz der riesigen Halle noch bei mir ankommt. Angel, der sich sicherlich verletzt hat, stößt sich aber wieder vom Rand ab, als ob er sich nicht weh getan hätte. Er macht einfach weiter mit den Tricks, als ob er nie gegen den Rand gekracht und beinahe darüber gefallen wäre, doch selbst ich als Laie sehe ihm an, dass er unsicher und nicht annähernd mehr so standfest wie zuvor. Er stolpert sogar einmal über seine eigenen Füße, ehe auch er die Bahn verlassen kann und der erste Platz verabschiedet sich gerade von mir.

Nervös sehe ich zum Ömchen, die leider auch nur die Stirn in Falten legen kann. Die Zeit nach Angels Auftritt ist eine richtige Qual! Soweit ich das mitbekommen habe, ist niemand außer ihm gestolpert oder gar gegen das Ende der Bahn gefahren. Mich selbst an meinen Fingern zupfend, warte ich einfach nur ab und selbst die Zeit, in der die Ergebnisse ausgewertet werden, beläuft sich auf beinahe eine halbe Stunde, die ich Angel nicht sehen kann, um nach seinen Befinden zu fragen. Ich finde ihn in der Pause einfach nicht!
"Ach Gottchen", ist das Ömchen aufgeregt, als wir beide mit einem warmen Kakao an der Seite der Bahn stehen, bei welcher überall die Plakate vom landesweiten Turnier hängen, auf das Angel sich doch so lange vorbereitet hat. "Das ist ein Disaster", seufze ich als Antwort zu der alten Dame. Leider ist der Abend bisher nicht so ganz, wie wir ihn uns alle wohl vorgestellt haben. "Er hat es am Anfang so schön gemacht! Und bei einer der letzten Elemente passiert so etwas ...", werden die Augen der alten Dame sogar noch glasiger, als sie ohnehin nicht schon sind. "Vielleicht kann jemand, der blind ist, doch kein Meister der Eiskunst werden."
"Was redest du denn da?", will ich wissen, was das pessimistische Denken soll. "Hätte er sich die Bahn vorher ansehen können, wäre er nicht dagegen gebrettert ... Wie du schon sagst, er ist toll gefahren, auch ohne Augenlicht, also wo ist das Problem ... Es macht einen Meister ja nicht aus, den Rand der Bahn zu sehen ..."
"Leider doch, Yoshua", murmelt das Ömchen mit traurigen Blick zurück. "Er wird heute Abend sehr unglücklich sein ... Er hat verloren und dann auch noch das mit dem Auto.... Ach Gottchen, Ach Gottchen!"

Leider weiß ich nicht, was ich dazu noch sagen soll. Die Ergebnisse stehen zwar noch nicht fest, doch jemand der fällt und stolpert, der wird nicht weit hoch in der Liste kommen, vor allem nicht bei über hundert Teilnehmern. "Ich regel das mit dem Auto schon", verspreche ich. Schließlich war ich auch derjenige, der es einfach genommen hat.
"Lass uns wieder auf unsere Sitze gehen", nickt die alte Frau auf meine Worte, als die Pause sich dem Ende zuneigt und wir setzen uns. Nur die ersten Zehn werden nochmal auf die Bahn gebeten, also werden wir Angel wohl nicht nochmal sehen.

Hold My Ice Skates (BoyxBoy, Yaoi)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt