06 ✔️

10.4K 743 64
                                    

"Ist kompliziert", sagte ich leise. Dann knurrte plötzlich Daniels Magen. Leicht musste ich grinsen. "Da hat aber jemand Hunger." Der Kleine wurde rot. "Du solltest etwas essen. Du hast doch bestimmt was dabei, oder?" Kaum merkbar schüttelte er seinen Kopf. "Okay, dann... lad ich dich ein." Wieder schüttelte er den Kopf. "Ich muss gleich gehen." "Wohin?" "Zur Arbeit." Er sah mich nicht an. "Das verstehe ich jetzt gerade nicht", meinte ich leicht verwirrt.

"Er hat eben noch einen Zweitjob. Ganz einfach." Erschrocken sah ich auf. "Dieser Bereich ist Privat, falls Sie nicht lesen können." Ich nickte. "Ich weiß." Dann sah ich wieder zu Daniel. "Und? Nimmst du mein Angebot an?" "I-ich weiß nicht mal Ihren Namen." "Oh, Verzeihung. Mein Name ist Linus McCarthy. Dachte du wusstest das." Daniel blieb stumm. Er war so komisch...!

"Linus?" Meine Mutter stand vor mir. "Mum, das ist Daniel. Er wird bei uns Mittag mit essen", sagte ich. "W-was?" Ich sah Daniel an. "Keine Widerrede." "Ich hole Luis." Wenig später kam sie mit meinem Therapeuten zurück, der mich hochhob. "Komm", meinte ich und sah Daniel an. "Na los, geh schon", sagte der Mann lächelnd. Wahrscheinlich der Besitzer oder so.

Luis trug mich zurück zu meinem Rollstuhl und setzte mich vorsichtig rein. "Danke." Ich wartete auf Daniel. Zögernd kam der Kleine, den Blick auf den Boden gerichtet. Der Kleine sah mich an. "A-aber nicht l-lange!" Ich nickte zufrieden. "Geht klar." Mum schob mich aus dem Café, Luis und Daniel links und rechts von mir. "Ich werde euch drei mal alleine lassen. Bis morgen", sagte Luis. "Bis morgen." "Bye... und danke", lächelte ich. "Ist doch mein Job. Ich freue mich schon!" Luis hob die Hand und ging davon.

***

Daniel sah sich staunend um. "So schön", flüsterte er zu sich selbst. Ich musste schmunzeln. Mum schloss die Haustür auf. Wir wollten eigentlich schon lange eine Hecke pflanzen aber hatten es irgendwie nie geschafft. Wir gingen in den Flur und Mum half mir meine Schuhe auszuziehen. "Was haltet ihr beiden von Spaghetti Bolognese?" Ich nickte, sah zu Daniel. "H-hab ich s-schon lange n-nicht mehr g-gegessen", sagte er mit roten Wangen. "Na dann ist das ja beschlossene Sache."

Daniel sah sich die Fotos an den Wänden an. "Wer ist das?", fragte er und zeigte schüchtern auf meine Schwester. "Lila, meine Schwester", sagte ich. "Daneben ist mein Vater." Daniel sah sich weiter um. "Bist das du?", fragte er erstaunt. Er stand vor einem Foto von mir. Ich war 15, hielt Stolz den Pokal in meinen Händen. "Ja", lächelte ich traurig. Er schaute weiter. "Hier kannst du auch noch laufen", sagte er leise. Ich rollte zu ihm. "Auf den Bildern wirst du mich überall stehend sehen", sagte ich leise.

Er drehte sich zu mir um. "Was ist nur passiert?", fragte er leise. "Ist unwichtig. Komm." Ich rollte in mein Zimmer. An meinem Bett zog ich meine Bremsen an und hievte mich auf mein Bett. "Oh, warte, ich helfe dir!" Ehe ich reagieren konnte, half Daniel mir auch schon mit meinen Beinen. "Danke", sagte ich leicht überrascht.

Der Braunhaarige sah sich wieder um. "Aua", hörte ich ihn murmeln, weswegen ich zu ihm sah. Er hatte ein Bild in der Hand. Ich wusste genau welches er hatte. Ich stand nur auf einem Fuß, mein anderes Bein in einer Linie mit dem anderen.

Daniel kam zu mir und setzte sich. "Du bist sehr gelenkig", meinte er dann und sah auf meine Beine. "Ich war gelenkig und ich war Tänzer." Traurig sah ich an meine Decke. "Du warst bestimmt gut." "Der Beste. Das mag vielleicht eingebildet klingen, aber es ist so. Seit ich klein war, war es mein Traum zu tanzen. Als ich mit 15 gewann, hatte ich es geschafft. Ich stand unter Vertrag, reiste mit Stars um die Welt... ich war glücklich..." Ich presste meine Lippen aufeinander.

"Ist dieses Lady Gaga auch ein Star?" Ungewollt musste ich leise lachen. "Ja. Sie ist verrückt, aber echt in Ordnung. Wieso fragst du?" Ich drehte meinen Kopf und sah ihn an. Daniel hatte rote Wangen. "Dein Freund hatte sie erwähnt."

Eine Weile war es still zwischen uns. So lange, bis Mum uns zum Essen rief. Daniel stand auf und half mir. "Danke, hätte ich aber auch alleine gekonnt", lächelte ich. Schon süß. "Okay." Er nickte mit roten Wangen.

Gemeinsam liefen wir in die Küche, wobei Daniel sich immer umsah. Ich parkte vor dem Tisch und zog meine Bremsen an, Daniel setzte sich neben mich. "Wie alt bist du?", fragte ich ihn. "17... und du?" "22. Also ein Alter Sack", meinte ich. Mum stellte die Teller vor uns. "D-danke", sagte er neben mir leise. Ich fing einfach an zu essen. Stop...

Er war 17 und arbeitete? Er hatte zwei Jobs? "Du bist 17 und hast Zwei Jobs?", fragte ich verwirrt. Daniel sah mich mit seinem vollen Mund an. "Eigentlich drei." Gierig schluckte er und nahm wieder eine riesige Nudelportion mit der Gabel. 17 und Drei Jobs???

Unauffällig musterte ich ihn. Seine Klamotten waren nicht die neusten, hatten hier und da sogar ein kleines Loch. Was machte er mit dem ganzen Geld?

"Und das lassen deine Chefs zu?", fragte meine Mutter. "Ehrlich gesagt denken sie ich bin 18", gab Daniel zu und sah auf seinen Teller. Ich sagte dazu nichts weiter, sondern aß stumm.

Als ich satt war, bekam Daniel noch einen Teller voller Nudeln, weswegen mir schon beim Anblick übel wurde. Wie konnte man nur so viel essen? Und der Kleine war echt viel zu dünn! Er schlang alles in sich rein, als hätte er schon Tage nichts mehr gegessen...!

Nachdem auch Daniel mit dem Essen fertig war, fragte er nach der Zeit, was ich ihm beantwortete. "Oh Mist! Ich komm zu spät!", sagte er panisch und stand auf. "D-danke für das Essen, i-ich muss g-gehen!" Er rannte aus der Küche und kurze Zeit später hörte ich nur noch die Haustür zu knallen. "Komischer Kauz", sagten Mum und ich gleichzeitig.

the dancer | boyxman ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt