09 ✔️

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Bild: Tommy^-^

Während der Autofahrt beobachtete ich Daniel. Ich hatte ihm zum schreiben erlaubt, meinen Laptop zu nehmen, den er dann immer bei mir nutzen konnte. "Wie mach ich hier noch mal ein Wort schräg?", fragte er aufgeregt und sah mich an. "Du meinst kursiv. Da musst du auf das 'k' oben in der Leiste gehen. Da gibts 'B', 'K' und 'U'", schmunzelte ich. Daniels Augen suchten den Bildschirm ab. "Ah! Danke!" Ich grinste nur und sah dann aus dem Fenster. Da stotterte der Kleine sogar mal nicht.

"Mum, wann sind wir da?", fragte ich. Sie blickte mich durch den Rückspiegel an. "In 10 Minuten, mein Spatz." Ich seufzte. Ich wollte es einfach hinter mich bringen! "Und in der Zeit holst du Tommy ab?" "Genau. Ich hab den Jungen schon so lange nicht mehr gesehen." Ich nickte. "Ich auch nicht. Wird bestimmt toll."

Nach gefühlten Jahrhunderten kamen wir endlich an. Mum parkte auf dem Behindertenparkplatz und stieg aus, öffnete mir dann die Tür. Kurz ging sie zum Kofferraum und holte meinen Rollstuhl. "Logan kann dir leider nicht helfen." Ich verdrehte meine Augen. "Ich werde es ja wohl schaffen, in den Rollstuhl zu kommen."

Ich schnallte mich ab und schluckte. Vielleicht doch nicht. "Warte, ich helfe dir." Ich sah zu Daniel, der meinem Laptop weg legte und ausstieg. Ehe ich mich versah, hatte er mich auch schon hoch gehoben und mich in meinen Rollstuhl gesetzt.

"Woher hast du diese Kraft?", fragte meine Mutter staunend. "Bücher tragen", piepte er leise. Daniel war mir echt ein Rätsel... Klein, dünn und schüchtern (fast schon ängstlich) und dann war er wieder aufgedreht... Ich legte meine Hände an die Greifreifen und rollte zu dem Gebäude, dicht gefolgt von Daniel.

Im Gebäude kam eine Frau zu uns. "Linus McCarthy?" Ich nickte. "Luis wartet im Raum 2 auf Sie." Ich nickte leicht. Ohne, das ich etwas sagen konnte, schob Daniel mich zu der riesig wirkenden Tür. Ehrlich gesagt, hatte ich keine Lust, da ich sowieso nie mehr Laufen konnte. "Es tut mir leid, Sie können höchstwahrscheinlich nie mehr laufen", hallte es wieder durch meinen Kopf.

Lustlos sah ich Luis an, der mich breit anlächelte. "Wie geht es dir, Linus?" Ich sah zu Luis auf. "Geht so." "Hoffentlich trainierst du deine Arme?" Ups, da war ja was. "Ja", log ich. Luis hob mich hoch und legte mich auf eine Liege, die Mitten im Raum stand. Kurz sah ich zu Daniel, der mit seinem Kopf schüttelte und sich auf eine Bank setzte.

Die ganze Zeit sah ich an die Decke, merkte nichts, was Luis mit meinen Beinen anstellte. "Wie lang geht das sinnlose trainieren?" "Einmal am Tag 45 Minuten. Später steigern wir das Ganze auf 60 Minuten." Er klang so fröhlich... Ich war auch mal fröhlich, da konnte ich aber noch TANZEN!!!

Am anderen Eckchen des Raumes sah ich einen Stufenbarren. "Luis?", fragte ich und setzte mich auf, stützte mich mit meinen Armen hinter meinem Rücken ab. "Können wir an den Stufenbarren?" Er sah mich entgeistert an. "Bitte was?" "Bitte. Du kannst meine Beine fest halten. Ich würde so gerne noch einmal einen Handstand daran machen!" Ich lächelte. Es war ein ehrliches Lächeln, kein Falsches.

Luis sah auf seine Armbanduhr. "Na gut, die Stunde ist eh gleich zu Ende." Ich grinste. Er hob mich hoch und wir gingen rüber. Vorsichtig berührte ich die Holme, das Holz glänzte. "Kleiner, wir brauchen mal deine Hilfe!", sagte Luis. Ich sah zu Daniel, der zu uns kam. "Stellst du dich darüber?" Danny nickte, stellte sich auf die andere Seite zwischen die Holme.

An beide Holme legte ich meine Hände, drückte mich mit den Armen nach oben. "Okay, wir machen eine halbe Rolle." Ich nickte. Luis half mir und schon nach wenigen Sekunden stand ich kopfüber. Ich lächelte breit. Noch einmal fühlte ich dieses atemberaubende Gefühl, das Blut rauschte in meinen Ohren.

"Oh Linus!" Ich erschrak und fiel nach hinten, direkt auf Daniel, auf dem ich aufkam. Er stöhnte schmerzhaft. "Alles okay?" Ich sah ihn an. Mein Bein lag auf seinem Gesicht, welches er weg schob. "A-alles s-s-super", meinte er leise.

"Linus McCarthy!" Ich erkannte die Stimme und sah auf. "Tommy!"; grinste ich. Mein Blondie kam zu mir gerannt, nahm mich in den Arm. "Hey du", lächelte ich und umarmte ihn kräftig. Erst jetzt wurde mir bewusst, wie sehr ich ihn vermisst hatte.

"Wie geht es dir?", fragte ich lächelnd. "Gut und dir?" Ich verdrehte meine Augen. "Weißt du doch." Ich strich ihm durch seine Platinblonden Haare, sah dann zu Daniel. "Tommy, das ist Daniel. Daniel, das ist Tommy", sagte ich dann. Tommy reichte Danny die Hand, der sie zögernd annahm. Oh ja, die beiden würden passen!

Luis hob mich plötzlich hoch und schaffte mich zurück zu meinem Rollstuhl, Tommy folgte. "Er ist klein und redet nicht. Was soll ich mit ihm anfangen?", zischte mein bester Freund in mein Ohr. "Reg dich ab. Er redet, ist bloß schüchtern. Gib ihm 'ne Chance!", knurrte ich. Als Danny kam, lächelte ich.

"So, wir sehen uns morgen und vergesse nicht, zu Hause zu trainieren! Ich hab gemerkt, dass du nicht trainiert hast", grinste Luis und ich verdrehte meine Augen. "Ja Sir!" "Was? Linus und nicht trainieren? Da ist was faul!", hörte ich Tommy lachen. "Vorher konnte ich auch noch laufen, du Hund!", knurrte ich genervt. "Und jetzt halt deine Klappe! Davon will ich nichts hören!", schnauzte ich ihn weiter an. "Schon gut, schon gut, Kurzer", maulte er und hob abwertend seine Hände. "Ich will nach Hause!" Ich sah Mum an, die nickte.

the dancer | boyxman ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt