Warten

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« Wir werden nicht auf ihn warten. Es wäre zu riskant. Wir müssen handeln und das so schnell wie möglich! », argumentiert König Peter. Königin Susan nickt langsam

« Er hat Recht, was ist, wenn Aslan nicht kommt? ».

« Ihr wisst nicht, was ihr da sagt. Wie oft hat er uns schon geholfen? Es passiert eben nichts auf dieselbe Weise wie schon einmal, das sagt er immer wieder. Wie kann es sein, dass ihr vergessen habt, wer damals die weiße Hexe besiegte? », meint Königin Lucy mit Tränen in den Augen.

« Ich finde, Lucy hat Recht. Wieso stellt ihr ihn jetzt in Frage, wo er uns immer zur Seite steht. Vielleicht nicht so, wie wir das wollen, aber er tut es! », sagt König Edmund und schüttelt den Kopf. Ich beschließe, nicht stille Maus zu spielen.

« Womit wollt Ihr nicht auf Aslan warten, Sire? », frage ich also. König Peters Blick schnellt zu mir.

« Wir müssen etwas unternehmen », erklärt er. Habe ich es mir gedacht, er hat überhaupt noch keinen Plan.

« Wartet noch etwas. Zunächst sollten wir auskundschaften, was die Telmarer tun. Ich schätze, sie werden ein Heer aufstellen und versuchen, zu uns vorzudringen...zumindest sobald uns ihre Späher gefunden haben », schlage ich deshalb vor. Der König kneift die Augen zusammen.

« Was schlagt Ihr vor? », fragt sein Bruder. Ich antworte erst nach wenigen Augenblicken auf seine Frage, nachdem ich jeden einzelnen im Raum kurz gemustert habe

« Ich schlage vor, dass wir Spione ausschicken, die sehen, was die Telmarer treiben. Drei Tage wären eine geeignete Frist. Danach werden wir genau wissen, wie es aussieht und können weitere Pläne schmieden ».

« Ich finde, das ist eine gute Idee », sagt König Edmund und seine Schwestern pflichten ihm bei. Prinz Kaspian nickt ebenfalls anerkennend und ich fühle seinen Blick förmlich auf mir liegen. König Peter schnaubt sichtlich wütend. Nicht auf mich, sondern auf die Situation im Allgemeinen wie es scheint.

« Gut, aber nicht einen Tag länger! », meint er. Damit ist die Sitzung beendet und alle, die nicht zufällig Könige, Königinnen oder Prinzen von Narnia sind, strömen in den Gang, der irgendwann nach draußen führt.

Die Nacht ist bereits hereingebrochen. Alles ist in tiefste Dunkelheit gehüllt. Nur das Innere des Berges ist mit unzähligen Fackeln erhellt. Ich sitze draußen auf einer der Terrassen und starre in Richtung des Waldes, durch den wir heute gekommen sind. Nichts rührt sich, alles scheint fest zu schlafen. Nur hier und da ertönt der Ruf einer Eule. Diese nachtaktiven Tiere können in der Nacht sehen wie alle anderen am Tag. Ich wünschte, ich könnte auch so gut sehen, wenn es dunkel ist. Ich sehe zwar für die menschlichen Verhältnisse im Dunkeln hervorragend, aber das reicht nicht annährend an die "Tagsicht" heran. Hinter mir höre ich Schritte, trotzdem bleibe ich ruhig sitzen und drehe mich nur ein bisschen um, sodass ich sehen kann, wer da kommt.

« Hier steckt Ihr also », stellt Kaspian fest und ich glaube, er lächelt.

« Darf ich? », fragt er und deutet auf den Platz neben mich. Ich nicke zur Antwort nur und er lässt sich neben mir nieder. Meine Beine hängen über die Kante, etwa fünfzig Fuß über dem Boden. Es mag riskant sein, aber ich habe keine Angst. Lange schweigen wir vor uns hin.

« Warum habt Ihr mich gesucht? », frage ich irgendwann.

« Nun, außer Dr. Cornelius sind mir hier alle fremd. Ich...nun... », meint er und reibt sich über den Nacken. Seinem Stottern nach zu urteilen, ist er einfach unsicher. Also unterbreche ich ihn

« Ich verstehe ».

« Das ist aber nicht der einzige Grund. Ich vertraue Euch und ich hoffe, Ihr wollt Euch nicht über die Kante in den Abgrund stürzen? », fragt er keck.

« Keine Sorge. So waghalsig bin nicht einmal ich », erwidere ich und lächle ihm zu. Er sieht mich entgeistert an und ich fange an, zu lachen. Wenige Augenblicke später stimmt er mit ein.

« Euer Lachen ist so wunderschön wie seine Besitzerin », flüstert er plötzlich. Ich verstumme. Ich weiß nicht warum, aber ich mag es nicht, wenn man mein Aussehen anspricht. Ob im Guten oder im Schlechten, es ist mir immer unangenehm. Wieder herrscht Schweigen.

« Ich muss Euch danken », sagt er schließlich leise.

« Wofür? », frage ich.

« Dafür, dass Ihr mich befreit und hierhergebracht habt », erwidert der Prinz.

« Ihr müsst mir nicht danken », winke ich ab.

« Ich möchte es aber », kontert er,

« Und bitte, sprecht mich nicht so förmlich an. Kaspian reicht vollkommen ». Jetzt wende ich mich ihm zu. Seine braunen Augen funkeln im wenigen Licht der Sterne und des Mondes. Eigentlich spricht das gegen alle meine Regeln, aber trotzdem nicke ich gehorsam und erwidere

« Dann tu es bei mir auch nicht ». Damit erhebe ich mich und drehe mich um, doch Kaspian hält mich am Arm fest. Einen Moment sehen wir uns an, dann reiße ich sanft meinen Arm los und laufe durch die schier endlosen Gänge des Hügels. Ich weiß nicht, wohin mich meine Beine tragen, also lasse ich mich einfach von ihnen führen. Hinter mir höre ich Kaspian rufen

« Luna, warte! ». Doch ich warte nicht. Ich renne weiter, hetze durch Räume und Gänge, laufe an schlafenden und wachenden Narnianen vorbei. Bis ich irgendwann in dem Raum stehe, in dem die Pferde untergebracht sind. Hier muss auch Donnerwind irgendwo sein. Leise rufe ich nach ihm und bald vernehme ich sein vertrautes Wiehern. Er liegt gemütlich auf einem Lager aus Stroh und sieht mir entgegen.

« Na, alter Junge », begrüße ich ihn und streiche über seinen Nüstern. Der schwarze Hengst wiehert leise. Die Satteltaschen und das Zaumzeug hängen an einer Halterung hinter an der Wand. In einer Tasche müssten sich noch einige Karotten und Äpfel befinden. Schnell fasse ich hinein und tatsächlich ziehe ich zwei Karotten heraus. Ich halte sie Donnerwind hin und genüsslich knabbert er daran. Ich überlege, ob ich hier bei ihm bleiben soll, entscheide mich aber dagegen.

« Gute Nacht, Donnerwind », wünsche ich ihm und tätschle seine Flanke. Dann bin ich auch schon aus der Tür und im nächsten Gang verschwunden.

Der Ruf des Löwen | Eine narnianische GeschichteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt