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Sie hat das Licht nicht ausgeschaltet.

Jemand ist im Raum. Sie weiß es. Sie spürt es. Sie spürt einen kalten Atem an ihrem Hals und die Anwesenheit von etwas anderem im Raum. Sie weiß, dass etwas hier ist. Dass jemand hier ist. 

Sie möchte sich bewegen, möchte zum Lichtschalter, doch sie kann nicht. Vielleicht hat die Person noch nicht bemerkt dass sie wach ist. Sie versucht so ruhig zu atmen wie sie nur kann und hofft, dass der Person noch nichts aufgefallen ist. Sie betet, dass das nur ein Traum ist, dass es weggeht und sie fragt sich, wie es denn in den Raum gekommen ist.

Da hört sie ein leises, tiefes und dunkles Kichern hinter sich. Jemand IST hier. Das kann sie sich nicht eingebildet haben! 

Da spürt sie eine kalte Hand auf ihrem nackten Arm und unwillkürlich bekommt sie eine Gänsehaut. Die Person lehnt sich nach vorne und der druck auf ihrem Arm verstärkt sich dadurch. Nun spürt sie einen Atmen an ihrem Ohr und eine tiefe, kratzige Stimme schneidet durch die eisige Stille im Badezimmer: "Ich weiß dass du wach bist, Lydia."

Sofort reißt sie die Augen auf und schubst das Ding von sich herunter. Verzweifelt versucht sie in der Dunkelheit den Lichtschalter zu finden, doch vergeblich. Das Ding stürzt sich auf sie und hält sie fest. Sie spürt wie es mit dem Mund ihren Hals entlang fährt und mit den Spitzen Zähnen hin und wieder leicht hinein beißt. Bald fängt sie an zu Bluten. Sie ist in der Falle und kommt nicht heraus. 

Die Luft ist eisig, doch sie schwitzt vor Adrenalin. Sie hat keine Optionen mehr, weiß nicht was sie tun soll, also fängt sie an zu schreien. Sie schreit so laut wie sie nur kann, doch als antwort hört sie nur sein herzloses, amüsiertes Lachen. 

Dicht an ihr Ohr gelehnt hört sie ihn flüstern: "Niemand kann dich hören. Du bist nun ganz allein."

Sie zieht die Nase kraus und versucht nicht sich zu übergeben, das er nur so nach Blut, Dreck, Urin und vielen weiteren Dingen riecht. 

Aus einem affekt heraus, tritt sie aus, trifft dann tatsächlich und schubst ihn von sich herunter, hört ihn allerdings immernoch krankhaft lachen. 

Endlich findet sie den Lichtschalter und schaltet ihn ein. Im selben Moment dreht sie sich um damit sie... nichts sieht. Dort steht niemand. Alles ist wie beim alten. Auf dem Boden liegt ihre Bettdecke und die Tür ist abgeschlossen. Nur etwas ist anders. Ihr Schatten. Er ist nicht allein. Neben ihrem ist noch einer. Ein Formloser, direkt vor ihrem. 

Sie starrt ihn an, unfähig etwas zu tun. Dann plötzlich, bewegt er sich. Streckt eine Hand in die Höhe und kurz darauf, hört sie die Glühbirne. Wie sie aufgeschraubt wird. Das Licht fängt an zu flackern und die Erkenntnis trifft sie wie ein Schlag. Die Dunkelheit. Die Dunkelheit gibt ihm Kraft. Schnell rennt sie zur Tür, schließt sie mit zitternden Händen auf und schaltet das Licht im Zimmer an. Alles ist wie vorher. Es ist 4 Uhr morgens laut Tischuhr. 

Die Glühbirne im Badezimmer fällt zu Boden und zerbricht mit einem Klirren. In der Dunkelheit sieht sie nun etwas dort stehen. Sie kann nicht viel ausmachen, nur eine Gestalt, die sie anstarrt und mit der dunkelheit verschmilzt. Sie hört wieder dieses Lachen. Und wieder dieses Tropfen. Langsam dreht sie sich um und starrt auf ihren Kleiderschrank. Von dort kommt es. Mit einem Blick zurück ins Bad, wo die Person immernoch steht uns sie anstarrt, geht sie zum Schrank und öffnet ihn. Langsam. Warum sie das macht? Sie weiß es nicht. Vielleicht liegt es daran, dass sie sowieso weiß, dass sie sterben wird. Vielleicht versucht sie einfach nur zu ignorieren dass da etwas im Bad steht. Vielleicht aber kann sie sich schon denken, was da nun ihn ihrem Schrank liegt.

Und ihre Vermutung wird bestätigt. In gleichmäßigen Abständen tropft das Blut einer Person auf den Boden. Nicht nur von irgendeiner Person. Es ist das Blut ihres Vaters. Seine kalten, toten Augen starren sie weit aufgerissen an. Er hatte Schmerzen, als er starb. In seiner Hand liegt ein Zettel. Darauf steht in einer krakeligen Schrift: Ich bin echt. 

Während Lydia weiterhin ihren Vater schockiert anstarrt, ist die Schattenhafte Figur aus dem Bad gekommen hat sich unter eine Glühbirne in ihrem Zimmer gestellt. 

Da fällt sie schon und zerbricht in tausend Teile. Lydia erschrickt und starrt den Mann an, der nun wieder teilweise sichtbar ist. Seine Zähne scheinen spitz. Schnell rennt sie zur Tür und versucht sie aufzusperren. Vergeblich. Sie hört wie die andere Glühbirne schon aufgedreht wird, doch die Tür lässt sich nicht öffnen.

Da sieht sie zum Fenster. Das Adrenalin pumpt sich in ihre Adern, ihr Kopf ist leer und alles in ihr Schreit, dass Gefahr lauert. Ohne nachzudenken fängt sie an zu rennen. Sie sieht noch, wie es um sie herum dunkel wird und spürt, wie etwas nach ihr greift, doch dann springt sie auch schon zum Fenster hinaus. 

Das Mondlicht ergießt sich über sie und sie landet im Gebüsch. Glassplitter sind in ihren Beinen, doch das hält sie nicht auf. Sie spürt diesen Schmerz nicht einmal. 

Schnell klettert sie heraus aus dem Gebüsch und fängt an zu rennen. Sie rennt eine ewigkeit die Straßen ihrer Nachbarschaft entlang, bis ihr irgendwann mal die Puste ausgeht und sie vornübergebeugt nach Luft schnappen muss. 

Was ist gerade passiert? Ob es meiner Mutter gut geht? Mein Vater ist tod? Was will dieses Ding von mir? Ich muss nur bis Sonnenaufgang überleben und dann bin ich fürs erste Sicher. Glaube ich.

Immer wieder sieht sie sich um. Schaut nach dem Angreifer, doch niemand ist hier. Wieder beugt sie sich vornüber. Ihr wird schlecht. Der Schlafmangel und das Fehlende Essen machen sich bemerkbar. 

Doch da spürt sie wieder diese Präsenz. Genau. Vor. Ihr.

Langsam sieht sie auf und blickt auf schwarze Schuhe. Als sie ihren Blick noch weiter nach oben schweifen lässt, kann sie nun in das Gesicht der Gestalt sehen. Ihr bleibt augenblicklich die Luft weg und das Blut verlässt ihr Gesicht. Wie erwartet sind die Zähne spitz und lang, doch der Rest ... ist ganz normal. Fast schön. Hohe Wangenknochen, lange Wimpern, bleiche Haut, schwarze Haare. Er sieht aus wie ein Vampir aus den kitchigen Filmen die sie früher geschaut hatte.

Doch seine Augen... seine Augen sind schwarz. Komplett schwarz. Da ist kein weiß zu sehen, keine Farben. Sie sind einfach nur schwarz. Er lächelt sein dunkles, boshaftes lächeln und sagt: "Hab dich gefunden."

Am Horizont gehen schon die ersten Sonnenstrahlen auf. Nur noch ein paar Minuten, dann ist sie sicher. Der Mann fängt schon an zu verblassen, doch er denkt gar nicht daran sie gehen zu lassen.

Ehe sie sich umdrehen kann um zu verschwinden, hat er sie schon gepackt und presst seine Finger an eine Stelle an ihrem Hals. Die Welt um sie herum verdunkelt sich langsam. Und als sie die präsenz des Mannes fast nicht mehr spürt und sie Sonne fast schon aufgegangen ist, wird sie ohnmächtig.

Und wacht nur kurze Zeit später wieder angekettet auf.

Schwarze RosenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt