Als sie endlich am Ende des düsteren Tunnels ankommt und ihren Weg hinaus findet, kann sie es immernoch nicht fassen. Dieser Idiot. Glaubt er wirklich, dass er mich finden wird? Er wird mich niemals wieder finden. Ich werde weit weg gehen. Weit weg von ihm, weit weg von allem.
Zufrieden atmet sie die frische Luft ein, den Schmerz in ihren Beinen komplett vergessen. Sie dreht sich noch einmal um, um mit verachtendem Blick auf die Burg zu sehen und zu schreien: "Ihr könnt mich mal alle!"
Doch das tut sie nicht. In Wirklichkeit dreht sie sich um starrt mit offenem Mund auf die Szenerie die sich vor ihr ausbreitet. Die Stadt liegt in Flammen und überall wird gekämpft. Am Himmel sind irgendwelche fliegende Wesen zu sehen, die Pfeile auf die Schattenwesen abfeuern. Und die Burg... ihr bleibt die Luft weg als sie sieht was da auf der Burg sitzt. Mit großen flügeln und weißen Schuppen, mit mörderischem Blick und Flammen die aus dem Mund kommen, sitzt ein riesengroßer Drache. Sie kann ihren Augen nicht trauen. Sowas gibt es?
Die Burg brennt und große Flammen steigen in den Himmel. Die Schreie der Bewohner sind zu vernehmen, obwohl sie etliche Kilometer von der Stadt entfernt auf einem Hügel steht. Überall fliegen diese geflügelten Wesen herum die auf die Bewohner mit ihren Sirenenartigen Schreien hinabschmettern. Bei diesem Anblick umspielt ein kleines Lächeln Lydia's Lippen.
Brennt. Brennt alle und büßt für das was ihr mir alle angetan habt.
Vielleicht hat sie ja Glück und ER überlebt das auch nicht. Mit einem triumphierenden Blick dreht sie sich um und verschwindet von dort ohne zu wissen, dass sich gerade ihr Peiniger von der Burg erhoben hat und mit schwarzen Flügeln über dem Drachen schwebt und in ihre Richtung blickt.
Während sie die gesamte Zeit über keine Schmerzen in ihren Beinen verspürt hatte, tut sie es spätestens jetzt, als sie unter ihrer Last einknicken und sie einen Berg hinunter rollt. Als sie unten ankommt bleibt sie endlich stehen und kommt zur Ruhe. Ihre Beine brennen und bluten. Die Knochen rieben durchgehend aneinander und nun bilden sich geplatzte Wunden auf ihren Beinen. Ihre Füße sind blau geworden und ihre Zehen schwarz. Sie spürt nur mehr diesen endlos wirkenden Schmerz. Aufstehen kann sie nun nicht mehr, doch sie muss weiter. Wenn die Schlacht vorbei ist, wird er sie holen kommen. Er darf sie nicht holen kommen. Er darf sie einfach nicht finden.
Erschöpft dreht sie sich auf ihren Bauch. Ihre Kleidung ist ganz Nass vom Matsch der über den ganzen Boden verteilt ist. Die Wälder hier gleichen viel eher Sümpfen. Sie sind so trostlos.
Langsam arbeitet sie sich vorwärts. Zieht sich an ihren Armen nach vorne und strampelt mit ihren Beinen. Dreck gelangt in ihre offenen Wunden und bringen Tränen in ihre Augen. Wenn sie das alles übersteht, dann muss sie ihre Wunden versorgen. Aber wie? Und wo soll sie hin gehen? Hier ist nichts und sie gehört nicht zu dieser Welt. Sie möchte nach Hause. Dort hin, wo ihre Art ist. Dort hin, wo die Wälder grün sind und Vögel in den Bäumen sitzen. Dort hin, wo man jeden morgen aufsteht und die Sonne einem mit ihrer gesamten Kraft ins Zimmer scheint. Dort hin, wo man einen eigenen Willen hat, wo man Gefühle zeigen kann. Sie möchte nach Hause. Und sie möchte wieder irgendwo dazu gehören.
Im Hintergrund sind immer noch die Geräusche der Schlacht zu vernehmen. Oder ist es eine Schlacht? Man könnte es auch einen Überfall nennen. Doch plötzlich gefriert ihr das Blut in den Adern. Die Geräusche des Kampfes haben abrupt aufgehört. Es ist mucks mäuschen Still im Wald. Sie kann ihren eigenen angespannten Atem hören, als sie nach Schritten lauscht. Doch die hört sie nicht. Statt dessen hört sie etwas anderes. Schlimmeres.
Das schlagen von Flügeln. Und dabei kommt ihr nur eine Sache in den Sinn: Der Drache.
Schnell setzt sie sich wieder in Bewegung, während Adrenalin mal wieder ihren gesamten Körper durchströmt. Angst erfasst sie. Angst vor dem Tod. Sie ist noch nicht bereit. Jetzt, wo sie kurz davor ist ihre Freiheit zu finden. Sie ist so nahe dran. Das darf ihr jetzt nicht einfach so weggenommen werden.
Ihre Gedankengänge werden plötzlich unterbrochen und ersetzt durch ein Nichts. Ihr Gehirn setzt anscheinend aus, als sie eine Person auf einmal vor sich stehen sieht. Einen Mann.
Sie sieht ihn an, ohne an überhaupt etwas zu denken. Ohne Angst zu haben. Sie sieht ihn an, als wäre er ein Baum. Als wäre er gar nicht da. Erst langsam fängt sie an ihn zu Mustern, vom Boden aus. Im Dreck.
Er ist groß und stark. Seine Statur ist aufrecht und stolz. Er trägt eine rot/silberne Rüstung und ein Schwert hängt an einem Gürtel. Seine Haare sind weiß, schneeweiß und seine Augen strahlen in einem beruhigenden blau. Doch was am meisten ihre Aufmerksamkeit erregt sind seine Hörner und seine Flügel. Seine Hörner sind ebenso weiß wie sein Haar und verlaufen spitz nach oben. Seine Flügel sind ebenfalls weiß, doch haben einige blaue Federn in sich, als wären sie gefärbt. Alles in einem ist er einfach nur wunderschön. So wunderschön... und so tödlich.
Er hat sie die gesamte Zeit ebenso gemustert und hat nun sein Schwert gezogen und hält es ihr an den Hals. Er spricht mit einer angenehm klingenden Stimme: "Wer bist du? Du gehörst nicht hier her. Was bist du?"
Lydia schluckt schwer und antwortet langsam: "Nein, ich bin nicht von hier. Ich bin ein Mensch und-"
"Mensch? Sowas gibt es nur in Märchen. Sag mir was du bist, oder ich ramme dir dieses Schwert in den Hals", unterbricht er sie gereizt.
Sie fängt an zu zittern und sagt: "Ich lüge nicht. Irgend so ein Mann hat meine Familie getötet und mich dann hierher verschleppt. Ich möchte nur nach Hause. Ich möchte doch nur frei sein. Bitte lasst mich gehen." Tränen laufen an ihren Wangen hinab und vermischen sich mit dem Dreck auf ihrem Gesicht.
"Sollten Menschen nicht schön sein? Die Männer stark, robust und die Frauen zierlich und schön?"
Sie schaut ihn verwundert an und antwortet: "Nein sollten sie nicht. Es gibt auch genug zierliche Männer und robuste Frauen."
Er sieht sie lange an. Schätzt sie ab und denkt nach. Dann sagt er: "Ich weiß noch nicht ob ich dir glauben soll. Doch ein Mensch ist etwas, was ich für ausgestorben hielt. Ich nehme dich mit."
Bevor sie etwas erwidern kann, hat er sie schon bei den Schultern gepackt und hält sie fest. Vor ihnen erscheint ein Portal und er schreitet mit ihr hindurch, ohne auch nur eine Sekunde zu zögern.
Das letzt was sie vom Wald sieht, ist wie ein Mann mit schwarzen Flügeln vor ihnen landet und wütend etwas in ihre Richtung schreit.
Wie ER etwas in ihre Richtung schreit.
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Schwarze Rosen
ParanormalAlle hielten sie für Verrückt, für eine Spinnerin. Keiner glaubte ihr als sie sagte, dass da etwas ist. Dass sie etwas holen wird. Etwas dunkles, etwas böses. Nun ist sie allein und ihre einzige Rettung ist das Licht des Tages. Doch wird sie das jem...