Liebes Tagebuch,
ich weiß nicht an wen ich mich noch wenden soll. Meine Mutter glaubt mir nicht, mein Vater kommt nicht mehr heim und meine Freunde wollen nichts mehr von mir wissen. Sie sagen, dass ich verrückt sei. Komplett übergeschnappt. Alle reden über mich, doch nie höre ich etwas gutes aus ihrem Mund kommen.
Vielleicht wird irgendwann mal jemand dieses Buch finden und es lesen. Vielleicht wird es aber dann schon zu spät sein. Wenigstens wird mich dann keiner mehr für dumm verkaufen.
Schon seit Wochen fühle ich mich so beobachtet, egal was ich mache. Ob ich die Fenster und die Rollo schließe oder nicht. Ob ich alleine in meinem großen Haus bin oder nicht. Ich habe immer das Gefühl, dass mich jemand ansieht. Seit einigen Tagen habe ich auch schreckliche Albträume gekommen. Albträume von einem Mann in schwarzer Kleidung. Sein Gesicht ist verhüllt und er ist groß und so viel stärker als ich. In jedem einzelnen dieser Träume geschieht das selbe. Ich liege daheim im Bett und will schlafen. Es ist Nacht und irgendwann mal höre ich ein leises quietschen. Dann ist da dieser Mann, der das Fenster öffnet, hineinklettert und mich durchgehend beobachtet. Die gesamte Zeit. Kurz bevor ich aufwachen will, stürzt er auf mich mit einem Messer in der Hand zu.
Ich wache dann immer auf. Immer pünktlich um 6 Uhr morgens. Das kann kein Zufall sein. Jemand muss mir helfen. Und jedes mal wenn ich in der Früh aufwache, ist mein Fenster offen. Bevor ich schlafen gehe, schließe ich es immer und checke es doppelt und dreifach ab. Doch dann am Morgen, wenn die Sonne aufgeht, ist es wieder sperrangelweit offen. Und nicht nur das, denn der Platz vor dem Fenster ist dann auch immer Nass. Als wenn jemand durch das feuchte Gras geschlurft ist und dort die gesamte Zeit gesessen ist. Mich beobachtet hat.
Zufall? ich glaube nicht.
Wenn ich aber losrenne und es meiner Mutter zeigen will, ist das Fenster zu und der Boden trocken wie vorher. Jemand ist hier also. Jetzt gerade in diesem Moment. Vielleicht unter meinem Bett, vielleicht im Kleiderschrank, oder draußen vor dem Fenster. Aber jemand ist hier und beobachtet mich jetzt gerade. Und ich kann nichts dagegen machen.
Falls jemand das hier noch findet, bevor es zu spät ist und mir glaubt, dann bitte helft mir.
Lydia Thompson
Es ist 8 Uhr abends, als sie endlich fertig ist mit dem Tagebucheintrag. Erschöpft reibt sie sich die Augen. In den letzten Tagen, oder Wochen hat sie kaum geschlafen. Überall sieht sie irgendwelche Schatten, die nach ihr greifen, doch das könnten auch Halluzinationen sein. Es gibt niemanden an den sie sich wenden kann. Nicht einmal ihr Tagebuch. Denn wenn sie alles niederschreiben würde, was ihr geschieht, würde sie in der nächsten Irrenanstalt landen.
Sie beschließt nach unten in die Küche zu gehen und etwas zu essen. Das würde sie etwas beruhigen und vielleicht einen klaren Kopf verschaffen.
Lydia ist nicht sehr klein. Mit ihren 1,71m übertrifft sie die meisten anderen Mädchen die sie kennt. Ihre Haare sind dabei ziemlich lang. Fast reichen sie bis zu ihrem Po und wo sie einst wunderschön glatt und glänzend hinab fielen, sind sie jetzt struppig und plump. Sie haben ihren Glanz und ihre Schönheit verloren. Ihre Augen strahlen nicht mehr im selben grau, wie sie es früher immer konnten. Als sie noch glücklich war, wechselten ihre Augen immer die Farbe mit dem Lichteinfall von grau zu grün zu blau. Sie war nie die dünnste gewesen, doch da sie Sport trieb, war sie ideal. Nun, sieht man ihre Knochen hervorstehen und ihre Augenringe umranden ihre Augen. Alles in einem ist sie ein Wrack. Und keiner bemerkt es. Keiner will ihr helfen, denn keiner achtet auf sie.
Gerade als sie den Kühlschrank öffnet hört sie es wieder. Dieses Knacken. Dieses widerliche, ekelhafte Knacken von Knochen. Es ist genau hinter ihr. Sie hört es. Spürt einen Atem. Riecht den Gestank des Mannes, oder des Monsters hinter ihr. Sie hört die schweren Schritte und sie weiß, dass es keine Einbildung sein kann, denn sie ist nicht verrückt. Da spürt sie eine kalte, glitschige Hand an ihrem Hals, wie sie ihre Haare weg schiebt und sich dann langsam um ihren zarten, weißen Hals schließt.
Blitzschnell dreht sie sich um und schlägt nach dem Ding, doch da ist nichts. Gar nichts. Sie ist alleine hier. In der Küche. Nur sie und ihr einziger treuer gefährte, der Schatten. Die Stille im Haus ist fast nicht mehr auszuhalten. Sie hört überall irgendetwas. Schnell öffnet sie wieder den Schrank, greift sich einen Apfel und geht wieder auf ihr Zimmer.
Paranoid wie sie nun geworden ist, verschließt sie wie immer ihre Tür, schaut im Schrank nach und unter dem Bett, schließt das Fenster und zieht die Rollo herunter, nur um anschließend in ihr Badezimmer zu gehen und dort in einer Ecke zu sitzen.
Hier kommt nichts herein. Alles ist zu. Ich bin allein. Nichts kann mir etwas anhaben. Ich habe nachgesehen. Ich bin sicher. Denkt sie. Hofft sie.
Seit 3 Tagen nun schläft sie schon in ihrem Badezimmer. Hier ist kein Fenster und sie kann das Licht anlassen und dann versuchen zu schlafen. Seit dem sie hier ist, fühlt sie sich auch nicht mehr so beobachtet. Für kurze Zeit glaubt sie, länger so ausharren zu können.
Natürlich kommt alles immer anders, als man es ursprünglich glaubt.
Mitten in der Nacht, als sie sich zum schlafen gelegt hat, ändert sich ihr Traum. Statt dass die Person sie die gesamte Nacht beobachtet, kommt sie zum Fenster herein und schleift etwas mit sich. Sie deponiert das Ding in Lydia's Schrank und schließt ihn. Danach, dreht es sich zu ihr um und lächelt sie an. Lächelt mit seinen ekelhaften, spitzen Zähnen, an denen Blut haftet. Ihr dreht sich der Magen bei dem anblick um. Doch nun verschwindet der Mann und lässt sie allein und zu abwechslung träumt sie nicht mehr von ihm, sondern von ihrem Vater.
Es ist ein schöner Traum. Voller Erinnerungen. Sie träumt von den vielen Malen, als er sie von der Schule abholte und sie zusammen essen gingen, wenn sie einen schlechten Tag hatte. Sie träumt davon, wie er es immer schaffte sie aufzubauen und sie immer zum lachen brachte. Er war nie ein guter Koch gewesen, doch wenn Mutter nicht daheim war versuchte er stets etwas für mich zu machen. (Insgeheim glaube ich aber, dass er die Pizzen bestellt und nicht selbst gemacht hat).
Als sie dann irgendwann mal aufwacht, sind ihre Wangen tränenüberströmt. Ihr Vater ist nicht mehr da. Er ist weg und keiner weiß was passiert ist. Doch sie weiß es. Der Mann hat ihn geholt. Derselbe Mann, der jetzt hinter ihr her ist und der sie auch holen wird. Bei ihrem Vater wirkte es sich so aus, dass er immer länger im Büro blieb, nie schlief und generell gereizt war. Er fing an zu trinken, redete mit einem Psychologen, doch nichts half. Denn es war alles keine Einbildung.
Und dann war er weg. Wie vom Erdboden verschluckt. Suchtrupps suchten nach ihm und er war sogar in den Median. Nichts half. Jetzt ist er weg. Und das schlimmste ist, wenn sie andere darauf anredet, kennt ihn keiner. Es ist, als ob er nie gelebt hat. Ihre Mutter behauptet, dass er früh gestorben ist.
Es gibt keinen James Thompson mehr. Und bald wird es auch keine Lydia mehr geben. Jeder wird sie vergessen und keiner wird sie suchen.
Da wird sie plötzlich aus ihren Gedanken gerissen. Sie hört ein tropfen vor ihrer Tür. Ein leises, gleichmäßiges. Sie sieht sich im Raum um, doch es ist dunkel.
Sie hat das Licht nicht ausgeschaltet.
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Schwarze Rosen
ParanormalAlle hielten sie für Verrückt, für eine Spinnerin. Keiner glaubte ihr als sie sagte, dass da etwas ist. Dass sie etwas holen wird. Etwas dunkles, etwas böses. Nun ist sie allein und ihre einzige Rettung ist das Licht des Tages. Doch wird sie das jem...