*Norer*

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Wenig später geleitete Amdir sie in den Festsaal der Stadt. Als der Fürst sie zu ihrem Platz an der Tafel gebracht hatte, gestand sich Gilbrennil ein, dass sie seiner Rede nur zur Hälfte gefolgt war. Die wundervollen Dinge, die sie auf den Wegen zum Saal erspäht hatte, hatten sie abgelenkt und unhöflich werden lassen. Sie verneigte sich vor dem Fürsten und hoffte, dass er an ihrem Verhalten keinen Anstoß nahm. Doch Amdir lächelte sie wohlwollend an, neigte leicht seinen Kopf und schickte sich an, ebenfalls seinen Platz an der Tafel einzunehmen.

Gilbrennil setzte sich auf den hölzernen Stuhl und blickte sich voller Bewunderung im Saal um. Den großen Raum säumten hohe runde Bögen, die den Zugang zu den Terrassen bildeten. Das gleiche warme Licht, das überall in diesem Reich leuchtete, ließ die Äste und die Blätter der Mallornbäume, die sich um die Bögen geschlungen hatten, glitzern wie kleine Edelsteine.

Elrond nahm neben Gilbrennil Platz und erkannte ihre überwältigten Gefühle.

„Nun, Gilbrennil, findet Ihr Gefallen an Lothlorien?" fragte er mit einem wissenden Lächeln auf den Lippen, während ihnen die Speisen gereicht wurden.

„Ich kann meine Bewunderung nicht in Worte fassen" gab Gilbrennil zu. „Mein Gemach übertrifft alles, was mein Auge bisher erblickt hat und der Weg in diesen Saal war sehr eindrucksvoll."

„Ich bin sehr erfreut, dass Ihr so empfindet."

„Oh Elrond, dieses Licht in meinem Gemach, auf den Wegen und in diesem Saal, es ist wundervoll und lässt mein Herz strahlen. Es ist hell, aber gleichermaßen warm und wohltuend." Gilbrennil stieß einen verzückten Seufzer aus. „Sagt mir, woher es kommt? Ich erkannte keine Lichtquelle."

Elrond schwieg einen Moment nachdenklich. „Ich werde es Euch erzählen, Gilbrennil. Aber Ihr werdet nie wieder ein Wort darüber verlieren."

„Ich verspreche es."

„Es ist das Licht des Steins Elessar."

Gilbrennil riss begreifend die Augen auf und blickte sich in dem Saal aufmerksam um. Auch hier konnte sie keine Lichtquelle ausfindig machen, aber das warme Licht erstrahlte in jedem Winkel und hinterließ ein angenehmes Gefühl in ihrem Herz.

„Der Stein muss sehr viel Kraft besitzen." flüsterte sie ergriffen.

„Ja, Gilbrennil, aber nun schweigt über diese Angelegenheit."

Nach dem Festmahl spielten die Elben heiterte Melodien und trugen Gedichte vor, die Gilbrennil sehr ansprachen und sogleich an Celebrian erinnerten. Oh, wie sehr würden ihrer Cousine die Vorträge gefallen. Gilbrennil war sich ebenfalls sicher, dass Celebrian dieselben Worte der Bewunderung für die Schönheit der Stadt Lorienand finden würde. Gilbrennil seufzte traurig auf.

Doch lange hielten ihre trübsinnigen Gedanken nicht an, denn Beriel nahm sie sogleich in Anspruch, als sich ihr Vater mit seinem Gefolge zurück zog.

„Oh Nel, ich kann nicht in Worte fassen, welche Freude ich empfinde, dass du den Weg nach Lorien gefunden hast." bestürmte die dunkelhaarige Elbin sie.

In binnen kürzester Zeit unterrichtete Beriel sie über die bevorstehenden Gegebenheiten in Lothlorien.

„...und wir werden jagen gehen" schloss die Tochter Loriens ihre Rede ab. „keine Widerrede. Ich werde dir zeigen, wie der Bogen in der Hand liegen sollte und auch werde ich dir das Führen eines Schwertes lehren."

„Oh Beriel" widersprach Gilbrennil doch und legte eine Hand auf den Arm der ruhelosen Elbin. „Ich bin nach Lothlorien gekommen, um das Heilen zu erlernen."

„Ach ja, ich erinnere mich." äußerte die Elbin bedächtig. „Aber das Heilen ist weniger aufregend und sicher schnell erlernt."

Gilbrennil schloss seufzend die Augen und schüttelte leicht ihren Kopf. „Ich möchte es aber erlernen und das vollkommen. Zum Erlernen der Jagdkunst wird mir nicht genügend Zeit verbleiben"

„Das halte ich für unwahrscheinlich. Oh Nel..." Beriel umarmte die gleichaltrige Elbin herzlich. „Ich bin voller Frohsinn, dass du hier bist."

Als Elrond mit einem schwarzhaarigen Elben zu den beiden Elbfrauen trat, verstummte Beriel sogleich. Sie neigte ihren Kopf vor den beiden Herren, drückte Gilbrennils Hand noch ein Mal und verließ sie.

„Gilbrennil, ich möchte Euch Norer vorstellen." sprach Elrond und trat leicht zur Seite.

Gilbrennil wagte vor Aufregung nicht zu atmen, als ihr bewusst wurde, dass sie nun ihrem Lehrmeister gegenüberstand. Sie senkte ehrfürchtig ihr Haupt.

„Ich freue mich, dass Ihr den Weg zu mir gefunden habt, Gilbrennil." begrüßte Norer sie mit einem Lächeln auf den Lippen.

„Ich danke Euch für die Einladung in Eure Studierzimmer, mein Herr." erwiderte Gilbrennil und sah dem Elbmann ins Antlitz. Sein Gesicht war eben und barg klare Linien. Gilbrennil würde es als sanft und gutmütig bezeichnen, wenn bisher keine Erzählungen über den Heiler zu ihr gedrungen wären. Sie wusste, dass in diesem Elben mehr Wissen und Erfahrung inne wohnte, als in ihrem Vater und Amdir. Selbst ihrer Tante sprach sie dies nicht zu.

Gilbrennils Ehrfurcht vor ihm wuchs, aber sie spürte auch, dass sein Anblick in ihr großes Wohlwollen auslöste.

„Wir beginnen bereits morgen mit unseren Studien, Gilbrennil." eröffnete er ihr und lächelte über ihr offensichtliches Erstaunen. „Ich erwarte Euch morgen bei Sonnenaufgang."

„Ich werde zu gegen sein." antwortete sie mit Aufregung in ihrer Stimme.

Norer lächelte ihr freundlich zu und neigte seinen Kopf leicht. Dann wandte er sich ab und ließ eine überaus faszinierte Gilbrennil zurück. Elrond schenkte ihr ebenfalls ein Lächeln und folgte dem Heiler Lothloriens.

Beide Elbmänner schritten durch den Saal, um sich wieder zu dem Gefolge um Amdir zu gesellen.

„Sie ist eine sehr wissbegierige Elbin." sprach Norer, als Elrond wieder an seine Seite trat.
„Ja, das ist sie durchaus."

„Und sie ist schön."

„Ich widerspreche Euch auch hier nicht."

„Jung, schön und wissbegierig. Eine bemerkenswerte Elbin."

„Nun Norer, sie hat nicht nur diese Vorzüge...."

„Ich weiß" unterbrach der Heiler ihn. „Ich habe ihre Begabung in ihren Augen erkannt, die mich so voller Aufregung anblickten. Eine außergewöhnliche Farbe besitzen sie." Der Elbe hing kurzweilig seinen Gedanken nach. „Nun, ich verlange viel von meinen Lehrlingen ab und werde sie bereits morgen eine Aufgabe übertragen, an der sie sich beweisen muss."

„An was habt Ihr gedacht?"

Über das Gesicht des älteren Elben lief ein Lächeln. Er wandte seinen Blick auf die kleine Elbin, die sich in die Gesellschaft der Tochter Lothloriens begeben hatte.

„Ich bin mir sehr sicher, dass sie Eure Aufgabe meistern wird." zeigte sich Elrond zuversichtlich.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Apr 03, 2016 ⏰

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*Im Bann des Grünblatts* (Mittelerde / Thranduil FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt