2. Kapitel

40 3 0
                                    

Sie wurde ein ganz klein wenig langsamer. Ich brauchte dennoch meine volle Kraft, die ich in den letzten Wochen durch Herumlümmeln auf der Couch aufgebaut hatte, um sie einzuholen. Sie wedelte mir mit einer Hand zu, als wolle sie mir zeigen, dass ich schneller machen soll. Sophia war in ihrem Jagdmodus drin, was bedeutete, dass sie sich verhielt wie ein Gepard, wenn er einer Antilope nachsetzte.

Langsam kam mir die Gegend, in welcher wir uns befanden, seltsam bekannt vor. Die hochgebauten, skurril angemalten Gebäude, an denen ich häufig vorbeiging, wenn ich auf dem Weg zu meinem kleinen Job in einer Hardrock – Bar war. Mit dieser Arbeit als Barkeeperin verdiente ich mir mein Geld, welches ich hauptsächlich für mein Studium opferte.

Mein nötiges Essen bekam ich manchmal von meinem Onkel. Allerdings genoss ich das Essen mehr, wenn es von meinem Chef Marrex zubereitet worden war. Die Atmosphäre war einfach besser, als jene bei lauter nach Fleisch lechzenden Hyänen.

Igitt, erwähne doch diese Rasse von Fleischfressern bitte nicht. Sie sind so eklig.

Meine Stimme heulte in meinem Kopf und rollte sich von einer Seite zur anderen.

Ich musste mir eingestehen, dass ich Hyänen auch nicht sonderlich mochte, obwohl sie meine Familie waren.

Ohoh, ertönte die Stimme wieder.

Was denn jetzt los?, blaffte ich sie an.

Sie ging mir auf die Nerven. Nie waren meine Gedanken allein die meinen.

Die Stimme zeigte mit einem mentalen Zeigefinger geradeaus.

Das „The Black Rose" thronte direkt vor uns auf einem kleinen Hügel.

Mein wunderschöner Arbeitsplatz...

Der mir gleich nicht mehr gehören würde, wenn Sophia genau jetzt da hinein ging.

Sie blieb, zu meinem Glück, erst einmal davor stehen und starrte perplex von mir zu dem Gebäude und von dem Gebäude zu mir. Dann machte sie das gleiche noch einmal mit Kopf und Zeigefinger. Dazu bewegte sie ihren Mund wie ein Goldfisch.

„Ja, ich weiß, dass ich dort arbeite. Aber, bitte, tue mir den Gefallen und gehe dort nicht hinein, Sophia!", sagte ich zu ihr mit strenger Miene und fordernden Ton, allerdings war ich für dieses Weltuntergangsszenario noch ziemlich höflich.

Sie schloss ihren Mund. Plötzlich zuckte sie mit ihren Schultern und ihr Körper bewegte sich in Richtung der Bar. Anscheinend hatte ihr Gehirn das Objekt endloser Begierde für wichtiger empfunden, als die Freundschaft zu mir. Ich rannte ihr hinterher, in der Hoffnung, sie vielleicht doch einholen zu können. Sie schien allerdings so auf diesen Biker von vorher zu fixiert zu sein, dass ihre Beine ganz neues Potential entwickelt hatten. Als ich mich erst fünf Meter vor dem Eingang befand, stand Sophia schon in der Tür. Diese fiel hinter ihr ins Schloss. Ich schnaufte vor der Bar. Nach einigen Minuten des Verzweifelns und Betens, stieß ich die alte Holztür mit den hübschen Verziehrungen auf. Sophia suchte anscheinend den großen Raum der Bar nach diesen Männern ab. Ich seufzte tief, denn ich würde meinen Job noch behalten können. Marrex kam aus der Vorratskammer der Bar, welche im Keller des alten Gebäudes war. Er sah mich und winkte mir freudig zu. Dieses Winken stand im deutlichen Kontrast zu seinem Aussehen. Er war besonders groß gewachsen und hatte Muskeln an Stellen, an denen ich nie welche vermutet hätte. Zudem hatte er eine Glatze, die mit einem Tattoo bedeckt war. Seine Schlitzaugen hatten ein kaltes Blau. Im Ganzen versetzte er jeden, der ihn nicht näher kannte, in Angst und Schrecken. Ich ging an Sophia vorbei, welche sich immer noch wie ein Jagdhund benahm. Am Tresen setzte ich mich auf einen Barhocker. Marrex schlürfte mit einem Glas und einem Handtuch in den Händen zu mir herüber. Er drehte sich einmal kurz zur Soundanlage um, damit er ein neues Lied anspielen lassen konnte. Sobald von the Offspring „Can't Get My Head Around You" erklang, wandte er sich mir zu.

„Na, Hübsche, willst du was trinken?", fragte er mit einem flirtenden Unterton. Ich lächelte ihn an. Dieses Spiel spielte ich gern mit ihm. Zumal ich es langsam beherrschte.

„Tja, weißt du, mein Magen und ich sind nicht für Alkohol ausgelegt. Hast du auch was Jugendfreies im Angebot?"

Er lachte lauthals los. Das Glas stellte er mit dem Handtuch auf die Arbeitsplatte und verschwand unter der Theke. Gläser klapperten und es rumste einmal, bevor Marrex mit hochrotem Gesicht wieder zum Vorschein kam. Er hatte eine alte verstaubte Babytrinkflasche in der Hand, welche er kurzerhand ausspülte, mit Milch befüllte und mir vor die Nase setzte. Ich schaute diese Flasche verdattert an. Also, so etwas war mir neu. Mein Blick wanderte von der Flasche zu seinem Gesicht. Marrex schaute mich mit vollkommen neutralen Augen an. Ich nahm ungerührt die Babyflasche – hatte ich schon den Nuckel erwähnt? – und stolzierte hinüber zu Sophia, welche sich in einer Sitzecke befand und vor sich hinschmollte. Ich hörte nur das vergeblich unterdrückte Lachen von Marrex hinter mir.

„Sie sind doch hier reingegangen. Ich verstehe das irgendwie nicht.

Ariana, du hättest mir auch mal helfen können!", maulte sie mich an.

Ich setzte daraufhin bloß die Babyflasche an meinen Mund und zuckte mit den Schultern.

Uuh, in der Milch ist Honig drin. Sie ist sogar noch lauwarm. Ist das lecker...

Green Ice - Scharfe KrallenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt