Ich öffnete mit zittrigen Händen die Haustür. So leise, wie nur irgend möglich, schloss ich sie hinter mir. Aber, wer konnte schon einen Menschen austricksen, der ein Tier in sich hatte? Also ich gewiss nicht.
Auf Zehenspitzen schlich ich die Treppe hinauf in mein Zimmer, um meine Tasche abzustellen. Doch plötzlich ertönte eine tiefe Stimme aus dem Wohnzimmer.
„Ariana, wo bleibt mein Essen?!"
Ich seufzte, ließ meine Tasche zu Boden fallen und ging die Treppe, diesmal mit lauten Schritten, hinunter. Unten erwartete mich mein Onkel, welcher bereits im Türrahmen der Wohnzimmertür stand. Sein Blick war finster, so wie immer. Um das strenge Aussehen noch besser zu unterstützen, hatte er sein Haar mit Gel nach hinten gekämmt. Allgemein war er von dünner Statur und trotzdem furchteinflößend.
„Tut mir leid, ich hatte die Zeit vergessen", flüsterte ich.
Sein Blick wurde stechend und ich wandte den Kopf, um nicht in diese schleimig grünen Augen schauen zu müssen.
„Über dieses Vergehen reden wir nachher. Jetzt geh' in die Küche und mach' mir gefälligst was zum Essen!", brüllte er mich an.
Ich eilte in die Küche. Schnell überlegte ich, welches Gericht nicht lange dauern würde und kam zu dem Schluss, dass Spaghetti Carbonara gut wären. Zudem mochte er dieses Essen, weshalb ich hoffte, ihn etwas milder stimmen zu können.
Dieses versoffene Arschloch kann man nicht milde stimmen. Ich wette mit dir, dass er dir so oder so in deinen Hintern treten wird, sodass du drei Monate nicht sitzen kannst. Er ist ein nachtragender Egoist und das weißt du auch.
Schon wieder musste ich dieser Stimme Recht geben. Er würde mich nie in Ruhe lassen. Ich durfte nicht einmal ausziehen, obwohl ich schon seit Monaten genügend Geld dazu hatte.
Ich schaute in den Kühlschrank und holte alle nötigen Zutaten für die Soße heraus. Dann ging ich zum Eckschrank. Oben waren die Spaghetti, in der Mitte die Schüsseln und unten die Töpfe. Ich nahm aus jedem Fach etwas heraus.
Wer kam eigentlich auf die Idee diesen Schrank so zu ordnen, empörte sich die Stimme in meinem Kopf.
Na, wer wohl? Ich bestimmt nicht, gab ich zurück.
Ich setzte das Wasser für die Spaghetti an. Dann wandte ich mich der Soße zu. Zum Glück musste bei ihr nichts warm gemacht werden, außer der Speck, der, kurz nachdem das Wasser für die Spaghetti gekocht hatte, angebraten wurde.
Fünf Minuten später war alles fertig und ich servierte meinem Onkel, welcher mit einer Bierflasche vor dem Fernseher im Wohnzimmer saß, das Essen.
Ich stellte den Teller auf den kleinen Couchtisch und legte eine Gabel daneben. Zwei lange Minuten verstrichen, in denen ich neben dem Tisch stand, mit gesenktem Kopf, Blickkontakt vermeidend.
Mein Onkel knurrte mich an: „Verschwinde endlich! Ich will in Ruhe essen und nicht die Schande der Familie angucken!"
Mir lag eine Erwiderung auf der Zunge, doch ich schluckte sie hinunter. Ich nickte ein Mal. Mit schnellen Schritten ging ich aus dem Wohnzimmer und sprintete die Treppe hinauf in mein kleines Zimmer. Eigentlich konnte man es auch als Abstellkammer bezeichnen, denn es fand kaum etwas Platz in ihm. Es stand ein Bett an der Wand, vor ihm ein kleiner Tisch, eine kleine Schrankwand gegenüber und in einer kleinen Ecke ein Garderobenständer. Viel war es nicht, aber es reichte, um sich hier halbwegs wohl zu fühlen.
Meine Tasche, welche ich an der oberen Treppenstufe eingesammelt hatte, hing ich an den Ständer in der Ecke. Mit schlürfenden Schritten ging ich zu meinem Bett und ließ mich darauf plumpsen. Ich rollte mich zur Wand. Mein Körper kringelte sich zusammen, um sich vor der Außenwelt zu schützen.
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Green Ice - Scharfe Krallen
ParanormalAriana Bley ist ein ganz normale junge Frau: Sie studiert Tiermedizin, hat eine verrückte Freundin und ist eher schüchtern, anstatt vorlaut. Bis eines Tages Dmitri Dhrastan in ihr Leben tritt, der sich benimmt wie eine Raubkatze. Er ist unscheinbar...