9. Kapitel

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Oben: Superchick - Beauty from Pain

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Ich saß eine ganze Weile eingeschlossen im Badezimmer hinter der Tür. Meine Tränen waren schon lange getrocknet. Meine Augen hatten kein Wasser mehr übrig, dass ich hätte weinen können. Meine Kehle brannte von unterdrückten Schluchzern. Meine Haare waren zerzaust, da ich meine Hände tief in sie gegraben habe, nachdem ich meine Brille in irgendeine Ecke des Badezimmers geworfen hatte, um sie nicht weiter ertragen zu müssen. Im Allgemeinen könnte man sagen ich war ein Wrack meiner Selbst, das erst aufhörte in Selbstmitleid zu versinken, als es Stimmen auf dem Flur hörte.

„Auf Wiedersehen. Kommt gut nach Hause."

„Wollen wir nicht warten bis Ariana aus dem Bad kommt?", hörte ich Anne sagen.

Es war lieb von ihr, so etwas zu sagen, aber ich konnte mich nicht zeigen. Ich schaffte es einfach nicht den Schlüssel im Schloss in die entgegengesetzte Richtung zu drehen.

„Das wird wahrscheinlich noch eine Weile dauern", meinte Sophia mit bekümmerter Stimme.

Daraufhin antwortete keiner mehr. Ich hörte nur die Tür ins Schloss fallen und dann war es ruhig in der Wohnung. Meinen Kopf ließ ich auf meine Knie fallen, kugelte mich zusammen. Plötzlich klopfte es an der Tür.

„Ariana, du kannst rauskommen. Sie sind weg."

Langsam stand ich auf. Meine Beine waren weich, wie aus Pudding.

Mit zittriger Hand bewegte ich den Schlüssel und drückte letztendlich die Klinke herunter.

Vor mir stand eine besorgte Sophia, die mich sogleich in ihre Arme zog. Ich legte meinen Kopf an ihre Schulter und atmete ihren Duft ein. Sie roch nach Kirschblüten, das tat sie immer. Es beruhigte meine aufgeregte Seele etwas.

„Soll ich dir einen Tee machen?", fragte sie nach gefühlten fünf Jahren.

Ich schüttelte den Kopf, aus Angst davor, der Tee würde nicht dort bleiben, wo er hingehörte, nachdem ich ihn getrunken hatte.

„Willst du schlafen gehen?"

Ich spürte die Müdigkeit in meinen Knochen hochsteigen. Weinen war schon immer anstrengend gewesen. Schlafen könnte genau das sein, was ich jetzt brauchte. Ich nickte einmal. Die Angst zu sprechen hatte wieder von mir Besitz ergriffen. Damals, nach dem Vorfall mit den Hyänen hatte ich fast ein Jahr nicht gesprochen. Hoffentlich würde es diesmal nicht ganz so lange dauern, sonst würde mich Anne noch mehr zum Freak abstempeln, als sie es jetzt schon tat.

Sophia zog mich hinter sich her ins Wohnzimmer, wo das Sofa bereits für mich bezogen war. Ich bekam heute wirklich gar nichts mit, es sei denn, jemand sprach mich direkt an.

Sobald Sophia mich losgelassen hatte, legte ich mich, so wie ich war, auf das Sofa. Sie wünschte mir eine gute Nacht und verschwand in ihrem Zimmer.

Ich schaltete mein Handy an. Eine Nachricht wurde mir auf dem Startbildschirm angezeigt. Sie war von Anne. Ich hätte nicht gedacht, dass sie mir nach diesem Fiasko noch schreiben würde. Gespannt öffnete ich die Nachrichtenapp.

Anne: Geht es dir gut?

Was sollte ich ihr darauf am besten antworten? Ich konnte ihr ja schlecht die Wahrheit sagen, oder?

Ich: Hatte eine kleine Magenverstimmung. Liege jetzt mit Wärmflasche im Bett.

Anne antwortete sofort, als hätte sie nur auf ein Lebenszeichen gewartet.

Anne: Gott sei Dank. Tut mir leid, dass ich mich freue, aber ich dachte, es hätte an uns gelegen.

Wenn sie wüsste, was wirklich mit mir los war...

Ich: Nein, nein, alles gut. Übrigens, du und dein Freund passt gut zusammen.

Ich starrte auf mein Handy. Keine Nachricht, sie schrieb nicht zurück. Hatte ich sie verärgert? War es ihr peinlich, dass ich es bemerkt hatte?

Mein Handy piepte. Sofort schaute ich darauf.

Anne: Welcher Freund? Meinst du Dmitri? Das ist lustig, er ist mein Bruder :'D

Das war jetzt wirklich peinlich. Ich spürte wie mein Gesicht sich erhitzte. Oh Gott, war das unangenehm.

Ich: 'Tschuldigung, ich habt so vertraut ausgesehen.

Schnell, bevor ich ihre Antwort lesen konnte, machte ich meine Musik an. Ich wollte mich nicht noch mehr blamieren, als ich es sowieso schon getan hatte. Mein Körper kuschelte sich in die Kissen und die Decke, sobald mein Lieblingslied erklang. Superchick mit ihrem Lied „Beauty from Pain" beschrieb meine unangenehmen Situationen immer noch am passendsten.


Green Ice - Scharfe KrallenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt