14. Kapitel

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Dieses Mal ein etwas längeres Kapitel. Nehmt es als Entschädigung für die Wochen des Wartens.

Eure Lenny

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Ich stand an der Bar wie angewurzelt. Der Schock saß tief in meinen Knochen und Muskel, machte sie unbeweglich. Letztendlich zog mein Onkel also in Betracht sogar meine Abschlussfeier zu sabotieren.

Hyäne, die der Frau die Kehle herausgerissen hatte, kam mit geschmeidigen Schritten auf mich zu. Zögerlich schaute ich nach hinten, um mich zu vergewissern, dass Sophia und Mason noch bei mir standen, mir Rückendeckung gaben, falls es nötig wäre. Doch an dem Platz, an dem sie zuvor gestanden hatten, war keiner mehr. Ich würde alleine sterben. Anscheinend hatte das Schicksal für mich vorgesehen für immer einsam zu bleiben.

Ich will dich ja nicht in deinen Philosophien stören, aber vielleicht sollten wir wegrennen. Nur für den Fall, dass einer von uns beiden überleben will. Diesen Part werde wohl ich übernehmen müssen, denn im Moment sieht es in deinem Gehirn, abgesehen von dem Gedanken namens Einsamkeit, ziemlich leer aus. Deshalb wäre ich dir sehr verbunden, wenn du endlich deine Beine in Bewegung setzen würdest. Mein Überleben hängt nämlich von deinem Fluchtinstinkt ab, also lauf endlich!

Durch das Geschrei der Stimme wachgerüttelt, drehte ich mich der Hyäne zu. Sie lachte hämisch, als würde sie ihr neues Opfer bereits zerfleischt haben. Kaum war sie nur noch einen Sprung von mir entfernt, kam in meinem Gehirn der Befehl zur sofortigen Flucht an. Das Adrenalin floss durch meine Adern und ließ meine Muskeln locker werden. Mit einem Ausfallschritt nach hinten rannte ich auf den Notausgang zu. Ich warf keinen Blick auf meine Verfolger. Ein Blick könnte schon mein Ende bedeuten.

Ich rannte durch die verschiedensten Straßen, doch die Hyänen konnte ich nicht abschütteln. Ständig vernahm ich das hämische Lachen hinter mir, jedes Mal fuhr mir ein Schauer den Rücken hinunter und hinterließ eine Gänsehaut auf meinem gesamten Körper. Früher oder später würden sie mich einholen, ich versuchte es erst gar nicht zu leugnen, denn langsam hatte ich keine Ausdauer mehr. Meine Lunge schmerzte bei jedem einzelnen Atemzug. Ich bekam Seitenstechen durch die abgehackte Sauerstoffzufuhr. Meine Beine fühlten sich wie elastischer Gummi an, den man zu weit gedehnt hatte. Aber am schlimmsten waren die Blasen unter meinen Füßen, welche ich durch den Asphalt bekam, da ich meine Schuhe ausziehen musste. Ich kann nämlich eindeutig in Stöckelschuhen nicht gut rennen. Ein hoch auf die Frauen, die das konnten.

Der Abend wurde immer dunkler. Ich musste mich irgendwo verstecken, in der Hoffnung, dass sie mich nicht finden würden. An der nächsten Kreuzung bog ich nach links ab. Am Ende der Straße sah ich den Wald. Eine gute Chance sich zu verstecken, außerdem würde ich keine bessere erhalten. Die anderen Geräusche würden sie vielleicht ablenken. Doch kurz bevor ich in den Wald rennen konnte, verließen mich meine letzten Kraftreserven und ich brach auf dem kleinen Parkplatz vor dem Wald zusammen. Das Lachen hinter mir kam näher. Ich musste doch wieder aufstehen können. Ich will schließlich nicht von Hyänen aufgegessen werden. So tief konnte ich nicht sinken.

Meinen letzten Mut zusammennehmend drehte ich mich zu meinen Verfolgern um. Doch es war bereits zu spät. Sie waren schon zu nah gewesen. Eine Hyäne sprang auf mich zu. Ein Schrei entwich meinen Lippen, als sie mich umwarf und über mir stand. Aus einem Reflex heraus drückte ich meine Hände an die Brust dieser. Dabei fühlte ich ihren Herzschlag. Plötzlich begannen meine Augen zu leuchten. Ich konnte jedes Organ sehen, jede noch zu kleine Zelle. Doch als mein Blick auf das Herz der Hyäne fiel, jaulte sie auf. Erst jetzt nahm ich wahr, dass meine Hände ebenfalls leuchteten. In einem leichten Grünschimmer, der in abwechselnden Impulsen heller und dunkler wurde. Mein Gehirn schaltete ab. Ich wusste, was ich dort gerade mit der Hyäne machte. Ich manipulierte ihr Herz, sodass sie langsam und qualvoll starb. Doch es war als wäre eine andere Person in meinem Bewusstsein, welche die Oberhand über meinen Körper bekommen hatte. Ich konnte nichts tun, außer zuzusehen, wie die Hyäne zur Seite fiel und sich nicht mehr regte. Allerdings hatte ich nichts dagegen einzuwenden. Sie sollten alle für das leiden, was sie mir in den vergangenen Jahren angetan hatten.

Eine weitere Hyäne versuchte mich anzugreifen, nachdem die andere nun tot war. Ich rannte auf sie zu. Im letzten Augenblick wich ich aus und berührte sie dabei an den Rippen. Diese bohrten sich in einen der Lungenflügel. Sie würde nicht mehr lange Leben, das wusste sie.

Der letzte meiner Verfolger stand vor mir. Er hatte nicht den Mut mich anzugreifen, sondern versuchte in die Richtung davonzurennen, aus der wir vorher gekommen waren. Ein Speer erschien in meiner Hand. Ohne zu überlegen, warf ich ihn auf die Hyäne zu. Der Speer traf sein Ziel. Tief bohrte er sich in den Rücken. Mit meinen Augen verfolgte ich, wie er bei jeder kleinen Bewegung tiefer in das Fleisch eindrang.

Ich ging auf die am Boden liegende Hyäne zu und zog den Speer heraus. Dabei strömte weiteres Blut aus der Wunde. Es floss auf meine Füße zu, die letztendlich in Blut gebadet waren.

Der Speer verschwand, genauso wie das andere Ich, welches die Kontrolle ergriffen hatte. Ich blieb allein in meinem Kopf zurück. Selbst die Stimme sagte nichts. Mein tauber Körper drehte sich von der Leiche weg. Kaum war ich an allen vorbeigelaufen, gaben meine Beine wieder nach. Ich kippte nach vorn, lag mit dem Gesicht auf dem warmen Asphalt. Meine Augen nahmen alles verschwommen war. Nur Umrisse konnte ich erkennen. Meine Ohren hörten dumpf. Daher könnte das Geräusch, das auf mich zukam, auch eine riesengroße Hummel sein, die zu dich an meinem Ohr flog. Doch als ein Licht mich blendete, bemerkte ich, dass es definitiv keine Hummel hatte sein können, es sei denn sie hatte gerade eine übergroße Erleuchtung.

„Ariana, kannst du mich hören?", fragte mich eine Stimme.

Sie klang fast wie die von Dmitri. Aber er konnte es nicht sein, er hatte mich schließlich sitzengelassen. Warum sollte er also doch noch gekommen sein?

„Wenn du mich hörst, nicke bitte einmal."

Machen wir ihm eine Freude und nicken brav.

„Gut. Ich bring dich von hier weg, okay?"

Ich nickte wieder. Seien wir jetzt einfach mal lieb, ich würde ihm später noch Dampf unter seinem tollen Hintern verpassen.

„Oh mein Gott!"

Was ist denn jetzt los? Ja, da liegen Leichen. Ja, ich habe Blut an den Füßen. Aber das alles konnte er auch später mit mir klären.

Er strich über etwas an meinem Rücken. Ich konnte nicht genau feststellen, was es war. Was feststand war nur, dass es nicht mein Rücken war und dennoch spürte ich es.

„Ariana, weißt du, dass du Flügel hast?"

Na toll, das hatte mir noch gefehlt. Ein weiterer Fehler an mir selbst, der andere Leute in den Gedanken versetzte, ich wäre gefährlich.

Doch zu meiner Überraschung hob Dmitri mich trotzdem vom Boden auf, woraufhin mir allerdings schwarz vor Augen wurde.

Green Ice - Scharfe KrallenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt