•Kapitel 2•

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"Wir sollten langsam mal nach Hause, oder?", fragte Jess mich ganz leise. Als hätte sie Angst, dass die wunderbare Stille, die uns umgab, wie ein wildes Tier davonlaufen würde.

Ich schwieg. Genoss es noch ein wenig hier zu sein. Ich wollte noch nicht nach Hause. Das würde nur wieder im Streit enden und ich würde dann wieder hier landen.
"Ich finde, wir sollten campen. Heute. Nur du und ich.", entschied ich spontan. Ich war begeistert von der Idee nachts hier am See zu schlafen.

Jessi jedoch sah mich misstrauisch an. Ich würde sie davon überzeugen müssen.
"Ach komm schon. Das wird sicher richtig cool. Uns wird schon keiner auffressen.", versuchte ich sie zu überreden. Als sie immer noch nicht überzeugt aussah, zog ich alle Register. Ich schmollte und sah sie mit meinem besten und traurigsten Hundeblick an.
"Bittebittebittebittebiiiiiiiitte"
"Können wir nicht einfach in dem Haus schlafen? Dort ist es wenigstens nicht so ekelhaft." Sie sah mich an und klimperte zuckersüß mit den Wimpern. Aber so leicht kommst du mir nicht davon, meine Liebe.

"Nein, das ist nicht das gleiche. Und das weißt du. Lass uns draußen schlafen. Ganz romantisch unter freiem Sternenhimmel."

Sie überlegte lange und sah mich mit einem Blick an, der so deutlich wie nur irgend möglich zeigte, dass sehr ihr das widerstrebte. Jetzt war ich dran mit Wimpernklimpern. Sie schüttelte den Kopf und sah mich böse an.

"Das wird nicht ziehen, Softi."

"Wenn du versuchst mich böse anzusehen, dann siehst du aus, wie ein wütender Hundewelpe."
Lächelnd nickte sie schließlich. Und schlug mir auf die Schulter wegen dem Spruch mit dem Hundewelpen.
"Aber nur ausnahmsweise. Du weißt, ich mag diese ganzen Krabbeltiere hier nicht." Angeekelt verzog sie das Gesicht.
"Du hast was gut bei mir, Baby!"

Wir standen auf und machten uns auf den Heimweg, um unser Zelt und etwas zu essen zu holen. Wir campten zwar, aber ich würde bestimmt nicht angeln oder sowas.

Die ganze Zeit gingen wir schweigend nebeneinander her und selbst das machte mit ihr Spaß.
Ach verdammt, wie konnten meine Eltern mir das antun? Sie nannten mir nicht mal einen guten Grund für diesen verfickten Umzug.
Da wir nebeneinander wohnten, gingen wir den kompletten Weg zusammen. Vor meinem Haus trennten wir uns und ich ging auf die Tür zu.

Bald würde das nicht mal mehr mein Haus sein. Es würde irgendwelchen fremden Leuten gehören. Sie würden durch die gleichen Zimmer gehen, wie ich es tat. Bei dem Gedanken bekam ich jedes Mal eine Gänsehaut.

Seufzend schloss ich die Haustür auf und ging hoch in mein Zimmer, um die nötigen Sachen zu packen. Ich griff nach einer Tasche, die unter meinem Bett lag. Dann ging ich auf die Suche nach meinem Zelt.
Eine halbe Stunde später holte ich Jessi bei ihr zu Hause ab. Wir machten uns auf den Weg zum See.
Die Straße runter, dann nach rechts und dann durch ein kleines Waldstück. Draußen fing es schon an langsam dunkel zu werden und die Bäume sahen etwas beängstigend aus. Abgesehen davon fühlte ich mich beobachtet. Aber das war doch grade das tolle am campen, oder? Ich jedenfalls, freute mich wie ein kleines Kind und hüpfte fast den ganzen Weg zum See entlang.
Ja ok, ich gebe zu ich stehe auf dieses ganze Horrorzeug? Na und, verklagt mich doch.
Zuerst legten wir unser Gepäck ab. Jess hatte die Schlafsäcke, sowie Kissen und Getränke besorgt. Und uh la la, was sah ich da: Sie hatte eine Flasche Sekt eingepackt. Ich liebte dieses Mädchen. Sie kannte mich einfach zu gut. Dann zwang ich sie mit mir in den Wald zu gehen und Holz zu sammeln. Sie jammerte und beschwerte sich und verfluchte mich. Ich kicherte nur und lief noch ein Stück tiefer in den Wald.
Tatsächlich hatten wir eine Menge Spaß, wir redeten und lachten viel. Wir machten ein kleines Feuer in einer Feuerstelle, die direkt am Ufer des Sees lag.

Ich schmiss immer wieder Holz hinein, nachdem wir fast eine halbe Stunde gebraucht hatten um es zu entzünden. Ich wollte nicht das es wieder ausging. Denn ich würde es wieder anzünden müssen und nicht Jess. Die würde mir vorwerfen, dass es meine Idee gewesen war und ich zusehen müsse, wie ich uns warm halte. Gleichzeitig würde sie sich die ganze Zeit erzählen, dass sie fror.

Das Leben hier war seltsam ruhig, obwohl New York nicht weit von uns lag.

Naja gut ok, "nicht weit" war übertrieben. Es war ein paar Stunden von hier entfernt.

Als wir müde wurden, stellten wir mit viel Mühe das Zelt auf. Genau genommen baute ich es auf und Jessi hielt nur zwei Taschenlampen auf mich gerichtet während ich mich quälte.

"Schneller!", quengelte sie.

Ich sah sie böse an. "Pass bloß auf"

Nur noch ein paar Handgriffe. "Fertig!", rief ich stolz.

"Endlich, ich schlafe gleich ein." Sie krabbelte rein und nahm die Schlafsäcke und die Kissen mit.

Während sie unsere Schlafplätze einrichtete, sah ich mich um. Ich konnte schwören, dass da jemand war, der in den Schatten verborgen stand und mich ansah, und fühlte mich auf einmal wahnsinnig beobachtet. Aber ich sah niemanden. Es war einfach zu dunkel und weder das noch leicht brennende Feuer, noch die Taschenlampen mit denen Jessi im Zelt saß, spendeten genug Licht um in den Wald hineinsehen zu können.

"Kommst du?", fragte sie und streckte den Kopf wieder aus dem Zelt. Ich sah mich ein letztes Mal um und krabbelte schließlich auch rein.

Nach einiger Zeit war Jessi eingeschlafen. Aber ich konnte nicht. Das Gefühl, dass dort jemand außerhalb des Zeltes war, ging einfach nicht weg.

Davon hatte ich Jess nichts erzählt. Sie wäre schreiend nach Hause gelaufen. Und da ich mir das vermutlich nur einbildete und mein Gehirn mir einen Streich spielte, wäre das vollkommen unnötig.

Als ich es nicht mehr aushielt, tastete ich nach der Taschenlampe und ging raus. Ganz leise, um Jess nicht zu wecken.

Draußen schaltete ich die Taschenlampe ein und sah mich um. Ich leuchtete mit dem grellen Licht den Waldrand ab, konnte aber nichts und niemanden sehen.

Also stempelte ich mich selbst als vollkommen paranoid ab und bückte mich, um wieder ins Zelt zu klettern - als ich plötzlich Schritte hinter mir hörte.

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Diana 🌹

Devils SoulWo Geschichten leben. Entdecke jetzt