•Kapitel 9•

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Die Autofahrt war lang und verdammt langweilig. Und die Strecke recht kurvig, was es unmöglich machte ruhig zu schlafen.
Aber als wir dann ankamen, staunte ich nicht schlecht.
Dieses Haus war riesig und direkt am Waldrand. Also ziemlich abgeschieden.
Was dem ganzen etwas unheimliches verlieh und ich liebte es! Ich freute ich mich jetzt schon darauf mich nachts zu gruseln, wenn ich irgendwo weit entfernt ein Geräusch hören würde.
Ja, ich weiß, ich bin ein Freak.
Ich stieg aus und sah mich noch etwas genauer um.
Das Haus war aus dunklem Holz mit schwarzen Fensterläden. Jedoch war die Farbe fast überall abgeblättert und einige der Läden hingen schief.
Als ich näher kam, konnte ich wage ein Muster auf den alten, morschen Fensterläden erkennen. Verschnörkelte helle Linien zogen sich über die moosbedeckten Bretter. Einige hingen nur noch an einer Angel, andere waren teilweise abgebrochen. Wegen dem Wind schaukelten sie hin und her und quietschten dabei. Der Rasen vor dem Haus war mehr ein Dschungel. Die Gräser und Blumen wucherten mit dem Unkraut um die Wette. Ein riesiger Baum vollendete das Bild. Aber erst durch die Raben, die hoch oben auf der Baumkrone saßen wurde es perfektioniert.
Ich ging Richtung Haustür und sah einen alten Türklopfer in Form eines Löwenkopfs.
"Es sind ein paar Renovierungsarbeiten nötig, aber das kriegen wir hin, denke ich", murmelte mein Dad, der plötzlich neben mir stand. Er kratzte sich am Hinterkopf und sah mich entschuldigend an.
Ich lächelte. "Du kennst mich doch. Ich würde auch so da wohnen. Gruselhäuser sind voll mein Ding."
Er nickte ebenfalls lächelnd und drehte sich um, um einige der Kartons ins Haus zu tragen.
Jessi würde es hassen. Sie war halt einfach ein kleiner Angsthase. Wenn sie hier wäre, zusammen mit den Jungs, wäre es vollkommen.
Die Drei hatten mir versprochen noch vor den Herbstferien herzukommen. Und mit 'noch vor' meinten sie, dass sie die Schule für einen oder zwei Tage schwänzen würden um mich besuchen zu kommen. Keiner hatte es ausgesprochen, aber ich weiß, dass sie es so meinten. Ich kannte sie einfach zu gut.
Und nur das Wochenende war eben nicht genug.
Ich würde ja sagen, dass ich nicht wollte das sie kamen, weil sie sonst Ärger bekommen. Bla bla bla.
Alles Bullshit. Ich wollte, dass sie herkamen. Ich wollte meine Freunde bei mir haben. Ich war nun mal egoistisch.
Die Eltern der Jungs konnte ich nicht einschätzen, aber zumindest würde Jessi sich keine Predigt anhören müssen. Ihre Tante Judy war so dermaßen locker, dass es manchmal schon gruselig war.
Vermutlich versuchte sie damit "wieder gut zu machen", dass sie ihr partout nicht erzählen wollte was genau mit ihren Eltern passiert war.
Das einzige was sie Jessi erzählt hatte, war, dass ihre Mutter tot war.
Über ihren Vater wusste Judy laut eigener Aussage gar nichts. Nicht wie er aussah, wo er her kam, wie er hieß, nicht einmal ob er noch lebte.
Obwohl ich das für eine Lüge hielt.
Aber Jess ging es gut damit. Sie sagte, was man nicht kannte, könnte man nicht vermissen.
Aber eigentlich mieden wir dieses ganze Thema einfach.
Das letzte Mal als wir darüber geredet hatten, war an dem Tag als ich meiner besten Freundin gestanden hatte, dass ich vermutete, dass Judy sie anlog. Außerdem konnte ich es nicht für mich behalten, dass die Frau, die ich mein Leben lang als meine zweite Mutter gesehen hatte, sich von jetzt auf gleich seltsam benahm.
Seit einigen Monaten redete Judy kaum mit mir und mied mich im Allgemeinen. Und falls wir uns dann mal trafen, sah sie mich immer komisch an. So als hätte die Angst vor mir. Oder um mich?
Und falls Letzteres zutraf, dann warum?
Warum hatte sie Angst um mich?
War ich in Gefahr?
Wollte Devil mich vielleicht vor dem beschützen, was ihr so Angst einjagte?
Hatte vielleicht sie ihn engagiert?
Ja, das musste es sein! Erleichterung überfiel mich und es fühlte sich an als würde ich es nach langer Zeit schaffen mich aus einem Würgegriff befreien können, den ich nicht einmal gemerkt hatte.
Nach unserem zweiten Treffen war er nicht mehr aufgetaucht und ich hatte jegliche Gedanken an ihn verdrängt. Ich hielt ihn für einen Stalker, aber jetzt ergab das alles endlich Sinn.
Judy war es durchaus zuzutrauen, dass sie sowas tun würde. Einen Fremden dafür bezahlen auf ihre Liebsten aufzupassen.
Nur wieso hatte sie mir nichts davon erzählt? Vermutlich weil sie mich gut kannte. Ich wäre eskaliert, wenn sie mir erzählt hätte, dass ich einen Beschützer bekomme. Immerhin konnte ich auf mich selbst aufpassen. All die Jahre Kampfsport waren ja nicht umsonst.
Vielleicht hätte sie sich auch deshalb so komisch benommen. Weil sie ein schlechtes Gewissen hatte.
Gerade als ich mich umdrehen wollte und meinem Vater beim reintragen der Sachen zu helfen, sank ich auf den Boden und musste mir den Kopf halten. Ich hatte das Gefühl er würde platzen!
Mein Vater ließ vermutlich grade eine Kiste fallen und lief zu mir. Was ich jedoch nicht sah, aber an den Geräuschen erkannte. Ich hörte den dumpfen Aufprall des Kartons, aber kein Geklimper, also entweder Klamotten oder meine Bücher.
Schnelle Schritte die auf mich zukamen während es mir verdammt schwer fiel nicht zu Schreien vor Schmerz. Das konnte nur mein Vater sein, meine Mutter war drinnen und räumte die Kartons aus, die mein Vater anschleppte. Die Möbel wurden heute morgen von Umzugshelfern alle bereits hierher gefahren und ins Haus gebracht. Wir mussten also nur noch all den Krimskrams mitsamt unseren Klamotten reinbringen.
Ich öffnete meine Augen, um meinen Vater anzusehen und ihn zu beruhigen, aber ich sah ihn nicht. Genau genommen sah ich überhaupt nichts. Alles schwarz.
Was war nur los, verdammte scheiße?!
Die Schmerzen nahmen ein Ausmaß an, das ich nicht ein Mal beschreiben konnte. Ich nahm nichts mehr wahr. Nur den Lastwagen, der scheinbar auf meinen Kopf geparkt hatte.
Zu meinem Erstaunen verschwanden die Kopfschmerzen genauso schnell wie sie gekommen waren. Von jetzt auf gleich waren sie einfach weg. Fast spurlos verschwunden, zurück blieb nur ein dumpfes Pochen hinter den Augenhöhlen.
"Sofia, geht es dir gut? Was ist passiert?" Mein Vater hatte mich wohl erreicht.
Ich wollte ihm antworten doch ich bekam nur ein Krächzen raus. Wegen der Hirnkrämpfe - zumindest hatte es sich so angefühlt - hatte ich anscheinend meine Fähigkeit zu Sprechen verloren. Mein Vater rief nach meiner Mutter und ich hörte ihr kleinen, schnellen Schritte.
Beide redeten auf mich ein und versuchten herauszufinden was passiert war.
Aber ich wusste es doch selbst nicht.
Da vor meinen Augen immer noch alles schwarz war, blinzelte ich ganz schnell in der Hoffnung wieder etwas sehen zu können. Aber es war, als hätte mir jemals die Augen verbunden.
Ich gab auf und schloss meine Augen einfach. Es war zu anstrengend sie die ganze Zeit offen zu halten, obwohl es doch eh nichts nützte.
Sofort wurden meine Eltern lauter und ihre Stimmen klangen besorgter.
Um meine Eltern zu beruhigen, hob ich erneut meine schweren Augenlider.
Fuck. Heilige Scheiße, damit hatte ich nicht gerechnet. Ich konnte wieder sehen.
Verdammte Kacke, war das hell hier.
Meine Augen brannten und tränten fürchterlich.
Entschlossen meinen Eltern auch den Rest ihrer Sorge zu nehmen, brachte ich schließlich ein heiseres "Alles gut" heraus. Anscheinend reichte ihnen das nicht, denn das Stimmengewirr verschwand nicht.
Das dumpfe Pochen verstärkte sich, kündigte eine weitere Überlastung meiner Schmerzgrenze an.
Also holte ich tief Luft, räusperte mich ein zweites Mal und sprach diesmal mit festerer Stimme.
"Mir geht es gut, ehrlich. Ich hatte nur auf einmal schreckliche Kopfschmerzen, aber die sind jetzt weg."
"Am besten legst du dich etwas hin.", murmelte meine Mutter und atmete erleichtert aus während ich nur nickte.
Sobald ich es geschafft hatte mich hinzustellen, spürte ich wie wackelig ich auf den Beinen war. Also legte mein Vater meinen Arm um seine Schulter und stützte mich beim Gehen.
Mir war übel und kalter Schweiß bedeckte meinen Körper. Ich gab ja zu, dass ich wirklich oft Kopfschmerzen hatte. Aber bist jetzt hatte es sich nie angefühlt, als wäre jemand einfach so zum Spaß ein paar mal mit einem Panzer rübergefahren.
Ich war so erschöpft, dass ich mir nicht einmal die Mühe machte, mir den Weg in mein Zimmer einzuprägen. Dafür war morgen nach der Schule noch genug Zeit.
Ach verdammt! Die Schule hatte ich ja völlig vergessen!
Ich seufzte vor Erleichterung als ich mein heiliges, heißgeliebtes Bett entdeckte, bedankte mich bei meinem Vater für seine Hilfe und war eingeschlafen, sobald mein Kopf das Kissen berührte.

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Diana 🌹

Devils SoulWo Geschichten leben. Entdecke jetzt