•Kapitel 5•

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Die Jungs bekräftigten mir immer und immer wieder, dass ich keine Angst zu haben brauchte und das sie mich beschützen würden.
Ich stöhnte genervt als diese beiden Affen wieder davon anfingen. Den ganzen Abend ging das schon so. Und seit wir alle ein bisschen was intus hatten, war es um einiges schlimmer geworden.
"Leute! Ich habe KEINE ANGST! Und mich muss NIEMAND BESCHÜTZEN!", verlor ich meine Beherrschung sehr lautstark. Ich bin alt genug und kann auf mich aufpassen. Herrgott nochmal.
Ein Glück hörte uns hier niemand. Das alte Haus war sehr weit am Stadtrand und das nächste Haus war einige Minuten Fußweg entfernt.
Das war übrigens der Hauptgrund wieso wir dieses Haus immer wieder vor den Möchtegerngangstern dieser Stadt schützten mussten. Nicht, dass es hier vor Kriminellen nur so wimmeln würde, aber in jeder Stadt gab es ein paar Kleinstadtkriminelle. Sie waren der Meinung, dass wir ihnen das Haus einfach überlassen würden, weil wir Angst hätten. Falsch gedacht.
Als sie uns also erzählt hatten, dass sie das Haus für ihre Deals und geheimen Treffen gebrauchen könnten, weil es so abgelegen ist, zeigte ich ihnen den Mittelfinger und provozierte sie so lange bis sie auf mich losgingen. Also genau genommen war es dann ja Notwehr und ich war raus aus dem Schneider. Damals hatten Robby und Zane Jess und mich das erste mal kämpfen gesehen. Sie wussten nicht, dass wir Kampfsport betrieben, seit wir in der Grundschule waren.
Ja, ich gebe zu, dass wir nicht wirklich zu den Braven und Unschuldigen gehörten, aber zu den Bösen auch nicht. Meine Freunde und ich bildeten die sogenannte Grauzone.
Damals einigten wir uns darauf, dass wir dieses Haus nie einfach so kampflos aufgeben würden. Wir mochten es hier. Es war weit genug entfernt von der Stadt, sodass uns hier normalerweise niemand stört, wir konnten rumschreien wie wir wollten und niemand sagte was dazu. Außerdem hatten wir es gefunden. Wer's findet, darf's behalten. Kindisch, aber wahr.
Der Boden im Inneren war an einigen Stellen morsch, die Fenster größtenteils zerbrochen. Möbel standen keine drin. Bis auf die Couch, den kleinen Tisch und den Sessel, welche wir mit Mühe und mit hierher gebracht hatten. Das schlimmste war es die Couch durch den halben Wald zu tragen, aber es hatte sich gelohnt. Wenn man es genau nahm, dann würden Zane und Robby behaupten, dass wir sie nicht getragen hatten, sondern nur die beiden. Aber wir hatten sie seelisch dabei unterstützt und ihnen telepathisch die Kräfte dazu gesandt. Ohne uns hätten sie das nie geschafft.
Das Dach jedoch war vollkommen intakt, weshalb es nicht reinregnen konnte. Über die Löcher in den Fenstern hatten wir Folie geklebt, sodass Regen und Wind kein allzu leichtes Spiel hatten.
Ich liebte es hier, obwohl es so verrottet aussah.
"Wir machen uns nur Sorgen", murmelte Zane leise, fuhr sich durch seine schwarzen Haare und warf mir einen entschuldigenden Blick zu. Auch Robby sah mich mit seinem besten Hundeblick an. Und wenn dich zwei so attraktive Jungs so ansahen, verzeihst du ihnen normalerweise alles. Wie schön, wenn man da schon abgehärtet ist.
"Das braucht ihr nicht", bestimmte ich. "Dieser Typ hat ein Rad ab. Ich bitte euch als ob ich irgendwem gehören würde, geschweige denn eine Zwillingsschwester hätte! Wo verstecken meine Eltern sie denn? Im Keller vielleicht? Ach nein, die sind ja schon tot. Was für ein Bullshit. Da hat sich jemand einfach nur einen dämlichen Streich erlaubt. Bestimmt hab ich ihm in irgendeinem Club mal einen Korb gegeben und das hat sein Ego nicht verkraftet! Das würde dann auch erklären, woher er meinen Namen kennt."
Als Jess den Mund öffnete um etwas zu entgegnen, bat ich sie, ehrlich gesagt nicht sonderlich höflich, dieses Thema doch bitte fallen zu lassen. Ich verdeutlichte Robby mit einer Handbewegung, dass er die Shots nachfüllen sollte. Das war es eindeutig Wert sich zu betrinken. Ein riesiger Kerl mit einer tollen Stimme jagt einen durch den Wald. Das lässt einen förmlich nach Alkohol schreien.
Wie gesagt: Weder brav noch böse, sondern Grauzone.
Gott sei Dank hörten sie ausnahmsweise mal auf mich und beendeten das Thema.
Als Zane diese Stille scheinbar zu unangenehm wurde, fing er an über Streiche zu sprechen, die wir mal den Schülern oder Lehrern gespielt hatten.
Letztes Schuljahr hatten Robby und Zane die geniale Idee gehabt unsere verhasste Englischlehrerin ein wenig zu ärgern. Also hatte Zane sich im Matheunterricht "rausgeschlichen" (er behauptete zur Toilette zu gehen und kam nicht wieder) und war bei sich zu Hause "um etwas zu holen", hatte er uns gesagt. Als er dann mit einer Säge zurückkam, staunten wir nicht schlecht. Damit hatte er die Unterseite von Frau Vloks Tisch angesägt. Und da diese Frau die Angewohnheit hatte sich beim Erklären auf eben diesen zu setzen, brach er durch und die landete auf dem Boden. Vorbei ihr weiter Rock uns etwas offenbart hatte, worauf wir alle hätten verzichten können.
Sie trug Tangas. Also bitte. Sie war knapp 50!
Keiner unserer Klassenkameraden konnte sich mehr auf den Unterricht konzentrieren.
Und beim Direktor sind wir auch nicht gelandet, weil niemand wusste das wir es waren. Vlok vermutete es zwar, aber da Zane die Säge hatte verschwinden lassen - wir wussten bis heute nicht wohin, er schwieg wie ein Grab - hatte sie keine Beweise.
Nach einem ausgiebigen Lachkrampf, wischte ich mir die Tränen weg und holte tief Luft.
Ja, wir hatten schon das ein oder andere mal Scheiße gebaut.
Ich sah mich immer noch kichernd im Raum um. Hauptsächlich um Robby nicht mehr ansehen zu müssen, denn der war jetzt dran mit erzählen und schnitt Grimassen und gestikulierte wild. Ich hätte nur wieder Bauchweh vor Lachen bekommen.
Mein Blick blieb an einem Fenster hängen und mein Kichern erstarb.
Heilige Scheiße, bitte nicht.
Hinter dem einzigen Fenster, das kein Loch hatte und somit nicht mit blickdichter Folie beklebt war, sah ich einen Mann.
Eine Hand hatte er in der Hosentasche, die andere hing lässig an seinem Körper hinab. Sein Blick war auf Robby gerichtet und er lächelte. Als sich sein Kopf jedoch plötzlich hob und er mir direkt in die Augen sah, fing er an zu grinsen wie ein Honigkuchenpferd und winkte mir zu.
Hey, Baby.
Ich hörte seine Stimme, aber er bewegte seine Lippen nicht? Wie war das möglich? Hörten sie anderen ihn nicht?
Ein Blick zu meinen Freunden beantwortete meine Frage mit 'nein'.
Wie war das möglich?
Fuck.

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Diana 🌹

Devils SoulWo Geschichten leben. Entdecke jetzt