Willst du meinen Zoo betreten?

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"Ein Krokodil? Ich wusste nicht, dass wir in einen Zoo gezogen sind. Wobei das hier schon manchmal einem Affentheater gleicht", lache ich, doch Malina scheint es ernst zu meinen. "Alligatoah! Der Rapper! Mit O A H hinten", versucht sie uns auf die Sprünge zu helfen. "Sorry, Mali, aber das habe ich noch nie gehört", meint Navina und hebt die Schultern. "Dito. Wer ist dieses Reptil?", schließe ich mich meiner Mitbewohnerin an. "Ein grandioser Künstler. Ein Multitalent, wenn man es genau nimmt. Ihr habt sicher schon mal etwas von ihm im Radio gehört. Kann ich mein Handy an eurer Anlage anschließen? Dann zeige ich euch das Bekannteste seiner Lieder", bietet sie uns an. "Klar, nur zu. Aber zieh zuerst mal deine Schuhe aus", antwortet Navi lachend und deutet auf die Anlage, die noch immer Musik spielt.

♪ Wie man eine Liebe maximal romantisch Lebt, will jeder wissen. Keiner hilft uns, Fair play

Klingt es durch die Wohnung. "Und den Sänger hast du vorhin bei uns im Treppenhaus getroffen?", erkundigt sich Navina bei unserer Freundin. "Ja, er kam mir entgegen, als ich gerade die Klingelschilder nach euren Namen durchsucht habe. Er hat mich freundlich gegrüßt und mir die Tür aufgehalten. Danach ist er auf die Straße verschwunden", schildert Mali den Ablauf der Geschehnisse.
"Vielleicht kennt er jemanden hier im Haus, oder so", versucht Navi eine plausible Erklärung, für das Auftauchen eines anscheinend doch nicht ganz unbekannten Musikers in unserem Treppenhaus, zu finden. "Oder er hat sich in der Tür geirrt. So hell kann er ja nicht sein, wenn er seinen Namen falsch schreibt", scherzt sie weiter. "Mensch Navi, das ist Absicht. Schon mal was von künstlerischer Freiheit gehört?", belehrt Mali Navina.

"Ist ja eigentlich auch ganz egal was wer wo wollte. Wir sind hier in Berlin. Dem Zentrum an Wohnsitzen von populären Persönlichkeiten. Belassen wir es doch einfach dabei, dass er dich freundlich gegrüßt und dir ganz Gentlemen like die Tür aufgehalten hat", werfe ich in das Gespräch ein. Dafür ernte ich einen erleichterten Blick von Navi, der ich ihren Hunger schon fast von den Augen ablesen kann, und einen enttäuschten Blick von Malina, die anscheinend gerne noch etwas länger wilde Theorien über ihren Rapper aufgestellt hätte.

"Hat jemand von euch Hunger? Ich finde es ist Zeit, eine Kaffeepause einzulegen. Wobei? Kaffee ist vielleicht doch keine so gute Idee... Jemand andere Vorschläge?", frage ich in die Runde. "Wie wäre es mit etwas selbst gekochtem? Habt ihr was an Zutaten da?", schlägt Mali vor. Schulterzuckend gehe ich zum Kühlschrank, öffne ihn und werfe einen Blick hinein. Gähnende Leere. "Sieht schlecht aus", gebe ich den Stand der Lage durch. "Pizza?", fragt Navi mit einem fetten Grinsen im Gesicht. "Jaja, du und Junkfood. Aber von mir aus. Wenn Mali einverstanden ist?", wende ich mich an die Dritte im Bunde. "Klar, aber dann eine Vegetarische bitte. Ich esse kein Fleisch mehr", sagt sie lächelnd. "So? Die Dame ist Vegetarierin geworden? Hut ab", sagt Navina mit einer angedeuteten Verbeugung.

"Du rufst an, Navi", ziehe ich mich schnell aus der Affäre. Ich hasse Telefongespräche mir Fremden. "Warum ich? Hast du schiss, dass dich der Pizza Mann durchs Telefon auffrisst? Ich glaube der hat genug zu essen in der Pizzeria", zieht sie mich auf. Ich verdrehe nur die Augen und halte ihr mein Handy unter die Nase. "Kein Guthaben mehr, deshalb", lüge ich, um mich zu rechtfertigen. "Na gut. Ich opfere die paar Cent", lacht sie und wählt die Nummer der Pizzeria.

Als bestellt ist fragt Navi an mich gerichtet: "Sollen wir unseren Nachbarn zum Essen einladen? Er hat sicher grade Zeit." Wieder dieser vielsagende Blick. "Euren Nachbarn?", kommt es interessiert von Malina. "Ja. Aurora hat sich mir ihm angefreundet", antwortet ihr Navina und zwinkert mir zu. "Jetzt erzähl hier mal keine Märchen. Nur weil du gern eine spannende Romanze hättest, heißt das noch lange nicht, dass da was ist", versuche ich Navi die Augen zu öffnen. Doch vergebens. Ihre rosarote Brille schein festgewachsten zu sein. "Geh doch einfach mal rüber und schau ob er da ist. So kannst du dich auch gleich für seine grandiose Mithilfe beim Umzug bedanken", redet sie weiter. "Ich denke nicht, dass er scharf auf einen Mädelsabend mit uns ist", weiche ich dem Vorschlag aus. "Jetzt komm schon. Ein nettes Essen zu viert kann doch nicht schaden. Ich möchte ihn auch kennenlernen, solange ich noch hier in Berlin bin", wendet sich nun auch Mali gegen mich.

"Wir haben noch nicht mal Stühle oder eine andere Sitzgelegenheit, mal vom Boden abgesehen. So empfängt man doch keine Gäste", versuche ich die anderen zu überzeugen. "Und ich bin kein Gast, oder wie?", beschwert sich Malina. "Dooooch. So meinte ich das auch nicht. Du bist 'ne gute Freundin. Der kann man auch mal den Boden vorsetzen." "Vielen Dank auch", meint sie ironisch doch beginnt kurz darauf zu lachen. "Jedenfalls frage ich Luk...", ein weiteres Mal an diesem Tag werde ich durch die Türklingel unterbrochen.

Als ich die diese öffne steht, wie zu erwarten, der Pizzabote draußen. "Das macht dann 24 €", stellt er mir die Rechnung, die ich auch sofort begleiche. Als der Mann mit der rot-weißen Baseballcap die Treppen nach unten geht und ich die Türe wieder schließen möchte, kommt Lukas mit großen Schritten die Stufen hoch.

"Hi, Aurora", grüßt er mich fröhlich und hebt mit einem kurz angedeuteten Winken die Hand. "Hallo", grüße ich ebenfalls und stehe leicht verloren im Türrahmen, absolut nicht wissend, was ich sagen soll. "Und? Einen schönen Tag gehabt?", beginne ich deshalb Smalltalk. "Gut war er, aber stressig. Und selbst?", geht er auf meine Frage ein. "Joa, wir haben grade Besuch und..." "Das Mädchen mit den schulterlangen, blonden Haaren? Ich hab' sie heute Mittag reinlaufen sehen", unterbricht er mein Gestotter. "Ja, genau die", bestätige ich und merke, wie meine Wangen langsam aber sicher eine leichte Röte annehmen. "Schönen Abend dann noch. Wir sehen uns", breche ich das Gespräch ab und rette mich so aus der mir sehr unangenehmen Situation. "Ja sicher. Und guten Appetit euch", wünscht er und lächelt mir warm entgegen. Kurz erwidere ich und schließe schnell die Tür hinter mir.

Das Leben ist gnadenlos und unfairWo Geschichten leben. Entdecke jetzt